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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0226

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429

Ausstellungen

430

" ' frieden sein. Ihre Werke sind auf gelbem Grund raffiniert
gehängt und fallen dem braven Bürger arg auf die Augen,
vielleicht auch auf die Nerven. Pechstein tritt am stärksten
hervor und interessiert durch seine Farben. Kompositioneil,
in Linie und in farbiger Dämpfung und Zurückhaltung hat
Melzer viel Hoffnunggebendes. Seine »Krieger mit der
Löffellanze« fallen besonders auf. In einem andern Räume
zeigt Schaffer-Dresden Ringendes und doch stark Persön-
liches in Holzschnitten, die sofort durch ihre Eigenart hervor-
treten und die vornehme Nachbarschaft von Stuck und Orlik,
dessen Hodler eine Köstlichkeit bedeutet, nicht zu scheuen
brauchen. In diesem Zusammenhange sei der phantasie-
reiche Rehn genannt, dem Kunst wirklich Darstellung von
innerlich Erlebtem und Erschautem bedeutet, der nur die
erstrebte Größe noch nicht findet. Gelbkes Urwaldwetter-
bäume sind kraftvoll, herb und zeigen denselben Zug wie
Birnstengls Radierungen. Wie weit sich seine Phantasie-
kunst entwickeln wird, läßt sich heute noch nicht sagen.
Philipp, ein anderer Dresdner, ist witzig und lustig und hat
viel Feines und Köstliches in seiner Zeichnung. Da sind wir
ungewollt zu den Dresdnern gekommen, obschon sie nicht
lokal placiert sind. Bleiben wir bei ihnen stehen. Unter
den Dreherschen Werken fällt der »Winter« besonders in die
Augen, wie auch die farbig lustigen und rhythmisch an-
genehmen Militärbilder Dietzes erfreuen. Claudius, auch
Nadler und Müller-Gräfe sind mit wenigen, auch wenig
charakteristischen Arbeiten vertreten. Otto Fischer, Zeising
Hellingrath, Steiniger bieten gute Graphiken, ohne viel Neues
zu sagen. Unterstrichen seien die Namen von Scheffler und
Popp, dessen Zeichnungen wirkliche Industrieluft atmen.
Sterls feine Porträts (Draesecke) sind bekannt, ebenso der
technisch reizvolle »Russische Bauer«, ein Werk besonderer
Eigenart bei aller Weichheit der Farben. Hans Unger
bringt in Lithographie zwei seiner bekannten stilisierten
Frauenporträts; Bantzers monumentale, starkknochige
Bauernköpfe sind des Meisters ebenbürtig. — Hängen die
Dresdner verstreut in allen Räumen, so bilden die Berliner
in einem Oberlichtsaale und zwei Seitenräumen ein ge-
schlossenes Ganzes. Der immer reizvolle und interessante,
technisch pikante Liebermann ist mit bald 30 Graphiken
vertreten. Hervorhebenswert will uns der »Korso auf dem
Monte Pincio« dünken. Dem gleichen Saal geben das
Gepräge Corinth und Slevogt. Ihnen reihen sich an:
Hübner, Großmann, Struck, Lederer, Philipp Franck, Beyer,
Pottner, Hans Meid mit seinen kompositioneil starken
und malerisch empfundenen Blättern zum »Othello«. In
einem gut klingenden Raum hängen Beckmann und
Waldemar Rösler zusammen, dessen landschaftliche Dar-
stellungen besonders hervorgehoben werden müssen. Rös-
ler und Beckmann schließen die Berliner Räume. Zille
beherrscht an anderer Stelle einen Raum und hat die
Lacher auf seiner Seite. Wolfsfelds gute Arbeiten betonen
die Ecken des großen Oberlichtsaales und Paeschkes Dar-
stellungen beweglicher Massen interessieren in den oberen
Räumen; Willi Geiger stellt den Zyklus »Kreuzigungen«
aus. Im Holzschnittraume treten Walter Klemm, Tiemann
und Jungnickel hervor. Merkwürdig schwach ist München
vertreten. Neben Stuck interessiert der humorvolle, phan-
tasiebegabte und graziöse Staeger, der mit dem Buch-
künstler Preetorius einen Raum teilt, der schwerblütige tief
veranlagte Casper und seine Frau Casper-Filser. Mit
Walter Püttner, Scharff ist so ziemlich die Reihe beendet. —
Weimar sendet Hofmann, Mackensen und Olde, wenn wir
ihn noch Weimar zuzählen dürfen, die jüngeren Odefey,
Herbig, Schrammen und den Villa Romanapreisträger Greve-
Lindau, der mit seinen landschaftlichen Vorstellungen
nahe bei Schinnerer steht. Besonders reizvoll erscheinen
uns »Flucht« und »Frauen beim Lampenlicht«. Leipzig

vertritt Klinger mit einer Anzahl Aquarelle aus Italien,
mit zwei weiblichen Akten und dem Porträt Kalckreuths.
Greiner schickte eine echt Greinersche Andromeda. Es
reihen sich an Soltmann und Bossert mit starken Arbeiten.
Gruner, Leistner, Zschoch, Kolb u. a. — Genannt seien
weiter C. Carlos Grethe und sein Landsmann Lebrecht,
der sehr anmutige Aquarelle ausstellt, Löffler-Wien, Hoeger,
Lehmbruck, von dem vier interessante Akte ausliegen,
Schocken, Faure, Uhl und der Lyriker H. v. Volkmann,
alles Namen, deren Träger keinem der Kunstzentren, deren
oben gedacht wurde, zugezählt werden können. — Als letzter
sei Weinzheimer erwähnt. Weinzheimer ist heute bald ein
Kapitel für sich. Er verkörpert das künstlerische Sehnen der
Zeit. Seine Kompositionen sind groß empfunden, stark im
Aufbau, reizvoll in der charakteristischen Linienführung. Sie
sind aus einem ganzen Menschen heraus geboren, sind Schöp-
fungen, keine bloßen Werke. Weinzheimer bildet bei allem
Guten in der Ausstellung einen Lichtblick in ein Zukunftsland
der Kunst und wird bei jedem Kunstfreunde, der die Aus-
stellung betritt, besondere Freude auslösen. — Chemnitz hat
seine erste große Kunstausstellung und kann mit Recht
auf sie stolz sein. Es ist ein erfreuliches Zeichen der
Zeit, daß sich auch die nüchternen Städte der Arbeit rühren
und deutscher Kunst eine Stätte bereiten. Möge für
Chemnitz die mit Glück arrangierte Ausstellung ein gutes
Omen bedeuten für die Pflege der bildenden Kunst, für
alle Zukunft. F.

X Die Große Berliner Kunstausstellung 1913 wird
wahrscheinlich einen Hauptanziehungspunkt in einer großen
nationalen Architektur-Sonderausstellung erhalten, mit der
zugleich die Baukunst das Regierungsjubiläum des Kaisers
feiern würde. Von Architekten befinden sich in der Kom-
mission Geh. Baurat March und Baumeister Brurein, denen
von allen Seiten Vertrauen entgegengebracht wird, und die
auch im Hinblick auf ihre anerkannten organisatorischen
Eigenschaften wohl die rechten Männer dazu wären, die
Durchführung eines derartigen Planes in die Wege zu leiten.
Zurzeit verhandeln die Väter der Idee mit den übrigen
Mitgliedern der Kommission wegen der Überlassung der
erforderlichen Räumlichkeiten im Glaspalast am Lehrter
Bahnhof.

Cassel. Schon im vergangenen Jahre wurde seitens
des Vorstandes des hiesigen Kunstvereins der Gedanke
erwogen, eine größere deutsche Kunstausstellung im Jahre
1912 zu veranstalten: ein Plan, der zurückgestellt werden
mußte, um besser vorbereitet werden zu können, und zu-
gleich, um im künftigen Jahre (1913) der Stadt Cassel, die
dem Kunstverein eine namhafte jährliche Beihilfe gewährt,
durch eine größere künstlerische Veranstaltung bei ihrer
Tausendjahrfeier eine angemessene Veranstaltung zu bieten.
Inzwischen nun hat sich ein Komitee, dem die angesehen-
sten Persönlichkeiten der Stadt angehören, mit einem Aufruf
an die Bürgerschaft gewendet, deren rege Beihilfe erforder-
lich ist, damit der Plan verwirklicht werden könne; und
schon ist von der beträchtlichen Summe, die unbedingt
beschafft werden muß, ein größerer Teil von privater Seite
zur Verfügung gestellt, wie denn auch von der Stadt selbst
eine namhafte Unterstützung erwartet werden darf. Weitere
Mitteilungen vor der Hand zu machen, erübrigt sich bis
zu dem Zeitpunkt, da man das Projekt völlig gesichert
sieht; aber das kann schon jetzt gesagt werden, daß das
schöne Orangeriegebäude in der Karlsaue, das sich un-
schwer für den besonderen Zweck herrichten läßt, zur Auf-
nahme der Ausstellung bestimmt ist. Mit der modernen
Ausstellung soll eine kleine Abteilung älterer hessischer
Kunst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ver-
knüpft werden, vorausgesetzt, daß die im Privatbesitz be-
 
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