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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0297

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571

Sammlungen

572

Sammlers auch vollständiger, vermehrt durch Erwerbungen
aus allerjüngster Zeit, so ist doch der ganz einzige Charakter,
den Tschudis überaus feinsinnige Auswahl des Erlesensten
der Sammlung aufgedrückt hatte, verloren gegangen. Höhe-
punkte sind auch in Düsseldorf EI Oreco, der mit zehn
Gemälden an einer großen Wand denselben teils faszinie-
renden, teils beunruhigenden Eindruck hervorruft wie in
München und die Abteilung der modernen Franzosen mit
ihren Meisterschöpfungen von Corot, Courbet, Manet, Renoir,
Cezanne und Degas. Die Italiener, Vlamen, Holländer und
Engländer haben einzelne glänzende Werke aufzuweisen,
sind jedoch in ihrer Gesamtheit nicht derartig hors concours,
um den ein wenig überhitzten Enthusiasmus zu rechtfertigen,
mit dem die Sammlung als Ganzes fast immer besprochen
wurde. Herr von Nemes ist andauernd bemüht, durch Ab-
stoßen einzelner Werke das Niveau des Ganzen zu heben und
ich möchte daher von einer eingehenden Kritik, wie sie ins-
besondere die italienischen Gemälde herausfordern, absehen.
Zudem trägt eine Überraschung, auch für den, der die Samm-
lung von Budapest und München her kennt, dazu bei, daß
die frohen Eindrücke überwiegen: das ist die ganz pracht-
volle Zusammenstellung von fünf niederländischen und deut-
schen Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts, von Lucas
Cranach, Gerard David und Bartel Bruyn d.Ä. Von Cranach
bemerkt man die »Verkündigung an Joachim« vom Jahre
1518, die noch vor kurzem in der abgelegenen Sammlung
Glitza in Hamburg jeden Besucher überraschte, eines jener
früheren Werke Cranachs, wo noch alles Empfindung und
ursprünglichstes Gefühl für Farbe, ohne Beimischung von
Manier ist, von Bruyn ein vorzügliches Männerbildnis und
die Madonna des hl. Gereon, das schönste der fünf Bilder
des Kölners von der Weber-Auktion. Schließlich eine noch
unbekannte »Madonna in Landschaft« von Gerard David,
die früher im Karmeliterkloster zu Salamanca war und eine
zu dem bekannten großen Annenaltar desselben Meisters
gehörende schicksalsreiche »Beweinung Christi«, die 1903
nach Amerika verkauft wurde und jetzt durch Vermittelung
des deutschen Kunsthandels nach Europa zurückkehrte.1)
Diese Folge von fünf Gemälden der »Primitiven«, sämtliche
von bester Qualität, denen sich noch eine lebensgroße
»Venus« von Hans Baidung Grien-) anschließt, bildet den
besten Auftakt einer Sammlung, deren Einzelglieder nach
dem Vorworte G. von Tereys zum Düsseldorfer Kataloge
»immer im Hinblick auf die koloristische Absicht von
frühester Zeit bis zur Gegenwart« zusammengefügt wurden.
Von Neuerwerbungen seien ferner erwähnt das große
Bildnis von Rembrandts Vater, das kürzlich Wilhelm Bode
in der »Zeitschrift für bildende Kunst« publizierte und Anton
van Dycks Porträt des Kardinals Domenico Rivarola, das
im Jahre 1910 die unvergeßliche Ausstellung im Palais du
Cinquantenaire zu Brüssel zierte.

Die modernenGemälde sind in musterhafter Zusammen-
stellung, die jedes Übereinanderhängen vermied, in zwei
schmäleren Räumen dargeboten, die die beiden großen
Oberlichtsäle mit den alten Bildern verbinden. Überraschend
wirkt die reiche Vertretung Courbets mit zehn Landschaften,
Tierbildern, Akten, Porträts; von älteren Meistern sind
ferner Delacroix und Daumier wenigstens mit je einem
kleineren Gemälde vertreten. Aber den stärksten Eindruck
ruft auch hier wie in München die kleine Gruppe von
drei anerkannten Meisterwerken europäischer Malerei her-
vor: von Manet die »Rue de Berne« und das göttlich-
schöne kleine Stilleben der Pfirsiche, von Corot das Brust-
bild der »Dame in Blau«, der Mme Gambey. Von Manet

1) Abbildung in der »Zeitschrift für bildende Kunst«,
N.F. XXII, 1911, S. 25.

2) Vgl. G. v.Terey, Kunstchronik XXXIII 1912, p. 254ff.

werden ferner die Studie einer Negerin zum Olympia-Bilde
und die beiden Bildnisse Clemenceaus (nicht ganz voll-
endet) und einer eleganten schwarzgekleideten Pariserin,
Mme Helene Andree, in ganzer Figur, bemerkt.

Von den übrigen französischen Impressionisten scheint
Herr von Nemes, was seinem Kennerblicke Ehre macht,
Renoir am meisten zu bevorzugen; zu den beiden in
München ausgestellten Gemälden treten in Düsseldorf noch
drei andere nicht minder bezeichnende Schöpfungen hinzu,
unter denen die gegen 1876 entstandene »Familie Henriot«
als ein rundes Meisterwerk bezeichnet werden muß. Ce-
zanne mit sechs, van Gogh mit drei, Gauguin mit einem
Gemälde schließen den Reigen französischer Klassiker der
Malerei. Auf ein spätes Werk Cezannes mit vier »Baden-
den« muß hier als auf eine besonders ^glückliche reife
Schöpfung hingewiesen werden.

Der schon erwähnte prunkvolle Katalog dieser Leih-
ausstellung, der mit vielen Tafeln geschmückt ist, wurde von
Dr. August L.Mayer in München verfaßt und ist im Verlage
von R. Bagel in Düsseldorf erschienen. Walter Cohen.

Chemnitz. Am 30. Juni wurde die von der Kunsthütte
zu Chemnitz veranstaltete 4. Graphische Ausstellung
des Deutschen Künstlerbundes geschlossen. Chemnitz,
das erst seit einigen Jahren Anschluß an neuzeitliche Kunst-
bestrebungen gefunden hat, schließt diese Ausstellung mit
einem vollen Erfolge. An Verkäufen erzielte sie eine Oe-
samtsumme von 22000 Mk. Dieses Ergebnis überholt die
Verkaufsresultate der gleichen Unternehmungen in Leipzig,
Dresden, Hamburg zum Teil über das Doppelte. Erfreu-
licherweise trat auch die Stadt Chemnitz mit 3000 Mk. als
Käuferin auf und legte dadurch den Grundstock für eine
graphische Sammlung. f.

Die große juryfreie Kunstschau Berlin 1912 findet
im November bis Dezember d. J. in den Räumen des
Kunstäuktionshauses Rudolph Lepke statt. Die Besitzer des
Hauses Lepke haben der »Vereinigung bildender Künstler«
die großen Vorderräume ihres Hauses für die Ausstellung
zur Verfügung gestellt.

In Halle wird der Direktor des städtischen Museums
Dr. Max Sauerlandt im kommenden Herbst eine historische
Porträtausstellung veranstalten. Sie soll die Porträt-
malerei der vergangenen Jahrhunderte, vornehmlich der
Provinz Sachsen, zeigen. Sauerlandt forscht augenblicklich
nach Porträts Hallescher Künstler des 15. und 16. Jahr-
hunderts.

Die deutsche Kunstausstellung in Buenos Aires,

die von der Gesellschaft für deutsche Kunst im Auslande
veranstaltet wurde, erfreut sich lebhaften Interesses, auch
von argentinischer Seite. Der Erlös aus verkauften Kunst-
werken betrug schon in der ersten Zeit ungefähr 40000 Mk.

Sascha Schneider wird im kommenden Herbst in
einer Ausstellung in Dresden die künstlerischen Arbeiten
seines italienischen Aufenthalts zeigen. Der Künstler, der
die letzten Jahre in Florenz lebte, hat sich jetzt wieder
dauernd in Dresden niedergelassen. _

SAMMLUNOEN
In Aachen ist ein Kunstgewerbemuseum eröffnet
worden. Es umfaßt in der Hauptsache Metallarbeiten, eine
reichhaltige Sammlung niederrheinischer Möbel, eine große
Kollektion Textilien und eine kleine, aber wertvolle orien-
talische und ostasiatische Sammlung, ferner eine Kollektion
rheinischer Steinzeuge, die zu den besten ihrer Art gehört.
Leiter ist der Museumsdirektor Dr. Schweitzer.

London. Der Jahresbericht des British Museum
für 1911 enthält außer allgemein interessanten Mitteilungen
 
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