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Universität Wien / Institut für Österreichische Geschichtsforschung [Hrsg.]
Kunstgeschichtliche Anzeigen — 1.1904

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Kallab, Wolfgang: [Rezension von: Heinrich Brockhaus, Forschungen über Florentiner Kunstwerke]
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https://doi.org/10.11588/diglit.51382#0118

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dem Stammbaume ergiebt. Der zur Zeit der Entstehung des Freskos etwa
26jährige Entdecker befindet sich somit überhaupt nicht darauf; er weilte
damals als Begleiter eines Verwandten, des Gesandten Messer Guidantonio
Vespucci, in Frankreich. Die Person, die Stradanus für den Stich des
Adrian Collaert ab bildete, ist allerdings ein Amerigo Vespucci, aber nicht
der 1454 geborene Entdecker, sondern sein Grossvater, der von 1434 bis
1470 das Amt eines Staatskanzlers neben Lionardo Bruni bekleidet hatte.
Mit diesem negativen Ergebnis hat sich aber Brockhaus nicht begnügt.
Er identifizirt die Bildnisse auf dem Fresko; ungezwungen schliesst sich
daran die knappe Erzählung der Schicksale, welche die verschiedenen
Familienmitglieder erlitten hatten. Um 1480 ist das Fresko entstanden;
eine verheerende Epidemie herrschte damals in der Stadt und raffte in
vier Jahren die Linie des Bartolomeo Vespucci (eines Bruders von Ame-
rigos Vater Ser Nastagio) bis auf ein Knäblein hinweg. Die Stimmung
dieser bedrängten Zeit gibt Ghirlandajos Madonna della Misericordia wieder.
Ein Exkurs verbreitet sich über die in Florenz bestehenden Misericordien-
brüderschaften, denen mehrere Vespucci angehört haben und über die Dar-
stellungsweise der Mutter der Barmherzigkeit in der Malerei und Plastik
der florentinischen Frührenaissance. Der Verfassen geht dann auf die
beiden Kirchenväter von Dom. Ghirlandajo und Botticelli in Ognissanti
ein, die einem anderen Mitgliede der Familie, dem späteren Dompropst und
Dominikaner Giorgio Antonio Vespucci, ihre Entstehung verdanken und
zeigt, wie diese beiden Fresken sowohl in der Auffassung als im Detail
die Lebensstimmung ihres Stifters, seine Vorliebe für gelehrte Tätigkeit
in der stillen Studierstube wiederspiegeln. Beiträge zur Familiengeschichte
der Vespucci, Nachrichten über ihre Grabstätten und ihr Wappen, eine
sorgfältige Zusammenstellung der Bildnisse der verschiedenen Familien-
mitglieder in der die neuen Mitteilungen über die Bildnisse des Simonetta
auch weitere Kreise interessiren werden, beschliessen die ergebnisreiche
Untersuchung.
Man wird das Buch nicht ohne das aufrichtige Gefühl des Dankes
gegen den Verfasser aus der Hand legen können. Welche Probleme er
auch berührt, überall bietet er gesicherte Auskunft und abgeschlossene
Forschungen. Besonders dankenswert ist es, dass er die Mühe nicht ge-
scheut hat, die in Florenz so reichhaltigen archivalischen Hilfsmittel in
vollem Umfange zu der Exegere der Denkmäler heranznziehen; eine Menge
von urkundlichem Material hat er in der bescheidensten und unauffällig-
sten Form in den Anmerkungen und Anhängen verarbeitet. Weil sich
seine Erudition auf ein Spezialgebiet beschränkt, so geben seine Arbeiten
weit mehr als die Beantwortung der Hauptfrage. Darin, dass die ein-
zelnen Probleme ohne die Krücken abstrakter Deduktionen in engem Zu-
sammenhänge mit der Kultur- und Geistesgeschichte der Renaissance be-
handelt werden, möchte ich den besonderen Vorzug dieser florentinischen
Forschungen erblicken.
Wien. Wolfgang Kallab.
 
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