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Ikundsckau.

* „Die leichten Wambus-/Iböbelcbcn/' so schreibt die
„Voss. Ztg.", „spielen in den Lrzeugnissen des Aunstgewerbes
seit einiger Zeit cine gewisse Rolle, Stühlchen, Tobonrets,
Ltageren, Tischchen — kurz, dic verschiedensten Gegenständc
des Dainenzimmers werden in dem leichten INaterial hergc-
stellt. Ueber die Gesetze der Symmetrie setzt man sich schein-
bar hinweg — hier cin Fach, dort ein Fach, glcichsam will-
kiirlich und regellos, aber doch vortrefflich und harmonisch
wirkend. Bunt bemalte Fayence- oder Porzellanplatten, feine
bsolzplatten mit Malerei, sonstige leichte Füllungen mit sarbigem
Schmuck oder Reliefschnitzerei dienen zwischcn den Stäbcn als
Flächenabschluß. Alles ist beeinflußt von der japanischen Uunst
nnd mehr oder weniger verschwistert mit okzidentaler Auust-
übung. Iapan ist cben schon längst bei uns modern nnd be-
liebt geworden, genan, wie es unsre heimischen Leistungen drüben
im Lande des Mikado sind. Aber daß sich nun ans jeuen
Bau bus-Boudoir-Gegenständen ein japanisch-deutscher Stil ent-
wickeln könnte, wie Lnthusiasten anzunehmen geneigt sind,
scheint übertrieben zn sein. Das Boudoir ist nicht mehr all-
mächtig, wie in der Zeit des Rokoko. Es tritt in nnsercn
Tagen ziemlich beschciden in den bsintergrund und ist nicht
mehr tonangebend. Iener Bambusstil gehört mehr oder
wenigcr zu den ephemeren Erscheinungen der Alode, ohue daß
aus ihm eiue tiescrc Liuwirkung zu erwarten ist. Akehr als
gewisse wohlthätige Linflüsse auf dic Aunst dcr Flächendckoration
und anf gewisse techuische Derfahrungsweiscn dürften Iapans
Aunst und ksandwerk bci uns kam auszuüben in der Lage
scin. klnd das ist schon gonügend. In verbindung mit
jcncn Bambusmöbelchcn treten auch schon seit einigcr Zeit
die zierlichen Lackmöbelchen im Rokoko- und Lmpire-Geschmack
anf; kleine Salontischchen, Schränkchen, Truhen und Aassetten,
dnftig und eleganl bemalt mit Szeuen ü la lvatteau oder
L la Greuze, stehen zur Zeit in thülle nnd Fülle in allen
Dckoratioiisgeschäften. Sowohl Pariser wie einheimischc
Lcistungen sind nntcr ihucn zu sinden."

x Über das Linboril schrcibt uns Gcwerbeschnldirektor
Friedrich Fischbach aus lviesbaden: „Der Bericht über einen
vortrag: «Über Fabeltiere und deren dlnwendnng
i m Aunstgcwerbe» im dreizehnten kjefte dieser Zeitschrift
cnthält die Stelle: «llnter den vierfüßlern sind die Fabeltiere
sehr selten, und wir begegnen am mcisten dem viclbesungenen
Linhorn. woher es gekommen? Das ist niemals ergründet
worden.» Diese Stclle ist zn berichtigen. In meinem Buche:
«Die Geschichte der Texti lkun st», habe ich Seite -(2
bis so nachgewiesen, daß Indien und Dstasien im frühen
Mittelalter einen großen Linfluß auf die Grnamentik dcs
Abendlandes ausübten. Die vicr heiligcn Tiere Dstasiens
sind: Drachc, lsirsch (Ahilin), Schildkröte und phönir.

Der Drache ist das Sinnbild höchstcr lDeisheit und lNacht
nnd daher Attribut des lherrschers. Lr ist der Bewohner der
Luft, der lvolkcn, der Berge nnd dcs lvassers. Der phönix
ist das Symbol des glücklichen langen Lebens und der lln-
sterblichkeit, ferncr der Freude und des Glückes. Der lsirsch
wird abgebildet mit den ksufen des Pferdcs, dem lsorn und
Schweif des Vchsen, und bcdcutet segensreiche Ereignisse. Zu
den Zeiten des Lonsucius erschien er in den kaiserlichen
Gärten. Auf manchem Gewebe ist dieser lswsch als Ahilin
abgebildet, z. B. anf Tafel XIII meines lverkes «Drnamente
der Gewebe», wo es mit der Schrift besagt, daß es das Fcst-
kleid des Ghasnawiden Sultans Ibrahim schmückte. Dieser
regierte von 1059—1099 uud war dnrch seine Güte berühmt.


Dic ncue ostasiatische Symbolik verschmolz mit der abend-
ländischen, denn das wilde Linhorn, das den Stoßzahn des
gewaltigen Narwals trägt, war der alten lllythe nicht sremd.

Dic christliche Symbolik benutzte Alles, um den llladonncn-
kultus zu verherrlichen. Auf Gobelins sinden wir vielfach
die Darstellung, wie Lngel mit Iagdwaffen und Jagd-
hörncrn das Linhorn in ein Gehege treiben, wo es sich in
den Schooß der lsimmelskönigin flüchtet. Die Symbolik ist
die doppelte, daß die ungefügigste, roheste und wildeste Rraft
dort demütig in die friedlichste verwandelt wird und ferner,
daß die Lrscheinuug des Linhorns als Ahllin die Ankunft
des Friedensfürsten Lhristus vcrkündigt. In diesem letzteren
Sinuc ist die Darstcllung zugleich ein Symbol der Lmxfängnis.
Auf vielen Geweben sind lhirsche augebracht, wclche den Psalm
illustrircn: «!Vie der ksirsch nach frischem lvasser, so schmachtet
meine Seele nach Dir, 0 kserr.» Solche lNuster sind im katho-
lischen Aultus sehr beliebt. Auf einem Bilde der nieder-
ländischen Schule ist ein lsirsch init dem Linhorn abgebildet,
der den aus den lvolken träufelnden Thau auffängt. Lr
ruht auf einer lviese über einem Spruchbando, das die In-
schrift «Areuz Lhristi» trägt.

Ls ist feruer bemerkenswert, daß auf den Alabaster-Reliefs
von Ninive schon vor ungefähr dreitausend Iahren ksirsche
in symmetrischer Stcllung abgehildet wurden (siehe Seite 7,
Geschichte der Textilkunst), die vor dem Lebcnsbaum knieen.

> Die altdeutschen Leinendecken zcigen Borten, die hiermit große
Ähnlichkeit haben.

Gern gebe ich zu, daß die Symbolik der Fabeltiere noch
lange nicht erschöpfend gedeutet ist; daß abcr das, was ich
vor zehn Iahren veröffeutlichte, so wenig in Fachkreisen be-
kannt ist, mußtc mich überraschen und veranlasscn, die Stellc
zu widerlegen, daß „niemals die kjerkunft dcs Linhorns er-
griindet worden".

* Über dic von nns crwähnte neue Technik dcr patentirten
Reinwaldschen Ilrcllekmalcrei teilen wir folgendes Nähere
nach den „Techn. Mitt. f. kNal." mit. „Lntsprechcnd ver-
düuiitem Leimwasser wird so viel Areide zngesetzt, daß das
Gemcnge mit stcifem Borstciipinsel in gestupfter Manier auf
dieFlächc, die dekorirt werden soll, anfgetragen werdon kaun.
Der Untergrund hiefllr kann jedes Materiai, ksolz, Stein,
Gips usw. sein. Bei sechs- bis achtfachem Auftragen erhält
man nach dem Abschleifen oder Lbnen eine Schichtendecke von
ca. 5 mm. Das Abschleifen geschieht am besten naß mit
Bimsstein, wobci alle Luftporon sich schließen uud eine schöne
Lbene entsteht. Anf die Fläche wird nun in nicht zu feinen
Linien und auch nicht zu fetter Farbe (um das Ausfließen zu
verhindern) ein Vrnament von der kjand oder mit der Schablone
anfgelragen. Nach dem Trocknen der Farbe werden alle die
nicht gedeckten Stellen der Fläche mittels Schwamm oder Bürste
und temperirtem lvasser, dem etwas doppelchromsaures Aali
beigesetzt ist, behandelt; hierbei zeigt sich, daß das mit fetter
Farbe gedeckte Vrnament crhaben stehen bleibt, während alles
andere nach dcr Behandlung mehr oder weniger tief wegge-
waschen wird. Ls entsteht somit ein Reliefflachornament,
welches nach dem Trocknen mit Farben behandelt, eine un<
gleich günstigere kvirkung abgiebt, als die durch Schattirung
gesuchte Nachbildung. Zu bemerken ist, daß das dem lvasser
beigefügte doppelchromsaure Aali sehr tief in die lNasse ein-
dringt und nach einiger Zeit dem Stoff die Lmpfindlichkeit
gegen lvasser ninimt."
 
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