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K-


fT

braucht! Aber noch schlimmer: es liegt einer der schädlichsten
Irrtümer darin, daß der Gymnasiast, der spätere
„Gelehrte" das Zeichnen nicht „brauche". Der Arzt
und der Zurist, der Lehrer, der Naturforscher, der
Soldat, sie alle empfinden es oft schmerzlich geuug,
daß sie vom Zeichnen weniger gelernt habe», als der
einfache bsandwerker. Und ist es nicht notwendig,
daß der Gelehrte, der doch anch ein Gebildeter
sein soll, ein Urteil über Schön und Unschön habe, daß
er die Merke der Aünste zu würdigen vermöge —
was aber erzieht solches Verstehen besser, als die
Ubung im Nachbilden, als das Zeichnen?

Ls wird nun keine unverständliche Behauptung
inehr sein, wenn wir sagen: wo über die Schulre-
form gesprochen wird, wird anch über das moderne
Uunstgewerbe gesprochen. Auch unsere Sache
wird dort geführt, wo man vom Gymnasium das
Lintreten auf neue U)ege verlangt, denn eine der
meisterhobenen Forderungen der „Neuerer" auf diesem
Gebiete ist gerade die Ginführung eines ernsthaften
Zeichenunterrichts am deutschen Gymnasium. Die
Sache des deutschen Runstgewerbes schwebt haltlos
über dem Boden, wo der deutsche „Gebildete" kein
warmes Verhältnis zu ihr gewinnen kann. Lente,
die ruhig zugestehen, daß sie sich aus künstlerischen
Dingen „nicht viel machen", sind nicht im Sinne des
„ksumanismus" sdem ja die Gvmnasien dienen sollen!)

gebildet: fehlt ihnen doch mit dem Sinn für das
Schöne eine der ksauptfähigkeiten des harmonischen
Menschengeistes.

Lin deutscher Staat wenigstens hat den schweren
Übelstand in der Zugenderziehung erkannt. preußen
ist es leider nicht, Sachsen auch nicht, von dem man
das sagen kann. Zn Baden aber ist der Zeichen-
unterricht in fünf Alassen des Gymnasiums Zwangs-
fach. Die Runstgewerbtreibenden sollten das Zhre
thun, daß das süddeutsche Beispiel nachgeahmt werde.
Sie sollten Lingaben an die Landtage richten, sie
sollten in ihren Blättern dafür eintreten, sie sollten
in ihrem Derkehrskreise die Lrkenntnis von der wichtig-
keit der Sache verbreiten. Der Lrfolg kännte nicht
fehlen, und das darf uns nicht abschrecken, daß viel-
leicht erst unsere Söhne es sein werden, die daraus
Nutzen ziehen.

Zndessen, vielleicht ließe sich auch für die Lrziehung
der „Alten" zum verständnis des Aunstgewerbes
etwas thun. Man hat in Dresden die Äunstge-
werbehalle eingehen lassen - sie wollte nicht
recht gedeihen, sie verursachte unverhältnismäßig viel
Rosten. Nun denn: wa rum blühte sie nicht? Lsaben
wir vielleicht falsche wege eingeschlagen, vielleicht
gar uns ein falsches Ziel gesteckt? wie müßte eine
Runstgewerbehalle eingerichtet sein, um nützlich zu
wirken? Davon wollen wir sprechen.

(Fortsetzung folgt.)

Mannesnrannrökren und Ikunstgevverbe.

Über die außerordentliche Bedeutung, die der >Lr-
findung des Mannesmannschen Bchrägwalzverfahrens
für die rein künstlerische Seite der Architektur und
für das Aunstgewerbe zukommen kann, läßt sich w.
Bchleuning in der „Deutschen Bauzeitung" ver-
nehmen:

Alle, die aus der Maunesmannschen Lrfindung
Umwälzungen tiefgehendster Art prophezeiten, folgten
in einem Punkte dem nämlichen und wohl auch nächst-
liegenden Gedankengange: sie deuteten auf die Ver-
änderungen hin, die sich für kioch- und Brückenbau
ergeben würden, für den Lisenbahnbau, für die
Dampfkessel-Fabrikation, für den gesamten Maschiuen-
bau, ferner für das Mlitär, und zwar Artillerie,
Znfanterie und Marine, insofern die Lrfindung
mit Lrfolg auf die Geschütz- und Gewehr-Fabrikation,
auf die Lserstellung von Panzerplatten von chchrauben-
wellen, von schwimmenden Aonstruktionsteilen uud
ksunderten anderer wichtiger Artikel der Lisen-
und Stahlindustrie überzugreifen begonnen hat.
Rein Gebiet der Lisenverwendung, das Massener-
zeugnisse herstellt, wird sich auf die Dauer dem Lin-
flusse der epochemachenden Lrfiudung entziehen können.

Nirgends jedoch wurde unseres wissens in der
Literatur bislang das Mannesmann-Nohr einer Bs-
trachtung unterzogen, rvie sie dem entwerfenden und
ausführenden Architekten sich aufdrängen muß, wenn
er die seltene Gelegenheit wahrnehmen kounte, in die
schon jetzt auf dem Gebiet der Aunstschlosserei er-
zielten Lrfolge einen Linblick zu gewinnen — Lrsolge,
deren Ausnutzung sich dem kfandwerker z. I. deshalb
noch "entzieht, weil nur weniges und Unzusammen-
hängendes darüber ins große jdublikum gedrungen ist.

Derfasser ist in der Lage, im großen und ganzsn
darüber unterrichtet zu sein und zweifelt nicht, daß eine
Besprechung der betreffenden Arbeiten allen künstlerisch
interessirten Bautechnikern willkommen sein wird. Der
Gesichtspuiikt, von welchem aus dies geschehen soll,
der äslhetische nämlich, dürfte umsomehr gleichberechtigt
sein mit dem praktischen, als dieser durch die Be-
tonung des ersteren lediglich gewinuen kann.

Die Ästhetik eines Btoffes wird an sich immer
die gleiche bleiben, und das Aunsterzeugnis aus dem-
selben wird sich nach wie vor und unbehelligt durch
Stilepoche odcr Nationalität oder Laune des Rünstlers
in ihren festgezogenen, genügend weiten Grenzen
halten müssen. Aein Zwang, keine Unnatürlichkeit
wird dem kunstgewerblichen Lrzeugnis aufgenötigt
wcrden dürfen, ohne dasselbe von dem Anspruch auf
die Bezeichnung als Runstwerk von vornherein aus-
zuschließen. Beit Zahrtausenden hat diese wahrheit,
teils bewußt, teils unbewußt empfunden, dem Metall
überhaupt uud, was insbesondere für uns in Frage
kommt, dem Lisen im Runstgewerbe seiuen Stil auf-
geprägt. was das Zeitalter — romauische Runst,
Gotik, Renaissauce, Barock oder Nokoko — dazu
that, ist äußerlich im verhältnis zu demjenigen, was
man bei Betrachtuug von Nunstwerken all dieser
Stilrichtungen heraus fühlt: zu dem unabäuderlichen
Lisenstile, nämlich dem Stile, welcher dem Material
inne wohnt. Und doch, wir stehen vor der That-
sache, daß auch der Ltil eines bestimmten Btoffs sich
ändern kann, freilich nur eben darum, weil der Ltoff
selbst ein vollkommen anderer geworden ist, als wir
ihn bislang kenuen gelernt haben. — So gewiß es
ist, daß einem Stoff nichts zugemutet werden soll,



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