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IllüßMk SlllßmonalssDü.

Okvausgeöev: IerdinaM Kvenariüs. ^

Lrstes

September-Ibett ISS2.

Westellgeld: 75 Vkennige viertelMrl.

Dett 23.

Lmeiler Aabrgang.

IKundscbsu

* Ikunst, Dundwerk, ikunstbnndwerk (von

Or. j). I. Rse) II. worin besteht denn eigentlich
die wundersame Thätigkeit der phantasie, was ver-
anlaßt den Menschen, ihrem Rufe zu folgen, sich
loszureißen von der wirklichkeit und mit ihr den
Adlerflug zu wagen? tvas ist das wesen ihrer
Schöpfungen, die wir als Runst bezeichnen und durch
die sZahrtausende verfolgen können? Das wesen der
Runst wird häufig deshalb so verkehrt aufgefaßt, weil
man ihr vielfach Dinge als Zweck unterschiebt, welche
in wahrheit nur tvirkungen sind, die das Runstwerk
auszuüben vermag. So sagen einige, der Zweck der
Runst sei zu belehren, andere, die Bilder und Lr-
eignisse des Lebens festzuhalten, wieder andere sehen
in der Unterhaltung und Lrheiterung den eigentlichen
Zweck der Runst, während derselbe von andern wieder
in der Lrhebung, Lrbauung und moralischen Besserung
der Menschen gesucht wird. — Aber was hier als
Zweck gesetzt ist, das sind in wahrheit nichts als
wirkungen der Runst. wenn einerseits nicht geleugnet
werden kann, daß alle diese soeben angeführten an
die Runst gestellten Forderungen wohl von derselben
erfüllt zu werden vermögen, so wird man doch
andererseits nicht behaupten können, daß von dem
Grade ihrer Lrfüllung der wert oder Unwert des
Runstwerkes abhänge, daß seine Bedeutung wachse
je mehr es belehre, erbaue, unterhalte, je getreuer es
die wirklichkeit wiedergebe. — wer diese oder ähn-
liche Dinge für den Zweck der Runst hält, begeht
denselben Fehler wie einer der da erklärte, das Lssen
sei dazu da, um uns zu ergötzen und uns in eine
angenehme Btimmung zu versetzen. Ls kann dies
wohl die wirkung einer guten Ulahlzeit sein, und es
mögen immerhin mancheFeinschmecker solche wirkungen
mit ihren kulinarischen Runststücken bezwecken, im
Grunde aber essen wir doch, um einem Bedürfnisse
zu genügen, um unsern Hunger zu stillen. Gerade
so entspricht auch unser Runstschaffen einem Bedürf-
nifse, das im Gegensatz zu jenem geistiger Natur ist.
wir haben nicht nur leiblichen, sondern auch geistigen
kjunger, und unser ganzes höheres Rulturleben erklärt
sich aus dem Triebe, diesen zu stillen.

Akitten in der Natur stehend fühlen wir uns doch
getrieben, den natürlichen Lauf der Dinge nach
unserem Geiste zu regeln, die Rräfte der Natur
unserem willen dienstbar zu machen und das uns
unvollkommen erfcheinende vollkommen zu gestalten.
Und wie wir mit erfinderischem Linne immer groß-
artigere Dinge hervorbringen, welche uns zu kserren
der Natur machen und uns die Macht geben, über
Zeit und Raum zu gebieten, so suchen wir auch mit
bsülfe unserer phantasie die uns von der Natur ge-
zogenen Schranken zu durchbrechen und uns den
chchein einer welt zu schaffen, die in Allem den
Stempel unseres eigenen Geistes trägt, in welcher
nicht wie in der natürlichen welt sich tausendfache
Zwecke durchkreuzen, und wo nicht jene dunkle Nlacht,
die wir als blinden Zufall bezeichnen, schaffend und
zerstörend auftritt, sondern wo nach bestimmten, mit
unserem Geiste harmonirenden Gesetzen die Formen
gebildet und die Lsandlungen vollbracht werden, und
wo wir daher jene Lsarmonie empfinden, die uns im
Leben als ein Zdeal vor Augen schwebt. — Das
aber ist die Runstwelt, das ist das wesen des chchönen.
Ls zeigt uns die Gestalten und Dinge, wie wir sie
rings um uns finden, aber verändert, herausgehoben
aus dem Rausalzusammenhang der Dinge und hinein-
gestellt in den Äther des freien Menschengeistes, und
zaubert uns so den Schein des Zdealen vor Augen'.
Zndem wir uns aber in die Runstwelt versenken,
und jene Zdealisirung und verklärung empfinden,
fühlen wir uns selbst in jene bsöhe emporgehoben
und in unserem ganzen wesen gesteigert. Der Schein
des Zdealen läßt uns an eine wirklichkeit glauben,
und so wird unser Lsunger darnach gestillt. Ls ist
das wesen jedes echten Runstwerkes ideal zu sein,
mag der Stoff auch der gemeinen wirklichkeit ange-
hören. Nicht der Stoff, sondern die Auffassung und
Behandlungsweise ist in einem Runstwerke maßgebend
für seine Zdealität. — Ls würde zu weit führen, im
Nahmen dieser Betrachtung das wesen des Zdealen
näher zu erörtern, nur so viel möge gesagt sein, daß
unter idealer Darstellung nicht jene zu verstehen ist,
welche sich am meisten von der Natur entfernt und



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