Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

--B

fK


HllüßrMe Salßmonal§sHaü.

^ Serausgeökk: AMnaM Kvenamüs. ^

Der Naä'druck von Leiträgen aus dieser Zeitschrist ist unttr der dcutlichen Vuellenangabe „Das Runstgewerbe, Dresden" geftattet.

Lwetres

/Ibärz-Dett tSSL.

Westellgeld: 75 Vkennige viertelMrl.

Ilvu noscknu.

Dett 12.

Lweiter Aabrg-mg.

* DieZformenspracbe des llrnnstgexverb!

vor Äurzem erst fiel mir ein Aufsatz in die ^änd><
in dem äußerst zutreffend geschildert wird, wie sehr
schon frühzeitig in der Schule dem jungen Menschen-
kii^d die erfiabenen werke unserer Klassiker verleidet
werden. Lessing, Schiller und Goethe scheinen dein
Durchschnittsmagister nur geschrieben zu haben, damit
er an ihren werken Sz'ntax und Grammatik durch-
dreschen könne. wer schließlich uach Durchlaufen
aller Rlassen noch ein gewisses Iuteresse an der
klassischeu Literatur sich erhalten hat, dem werden
sich tagtäglich Gelegeuheiten bieten, gegen neue Be-
mühungen, ihm dieses Interesse zu verleiden, anzu-
kämxfen. In zahllosen Broschüren, Zeitschriften, Zei-
tungen, ja sogar in den illustrirten Lamilienblättern
macht sich die mühsam zusammengetragene und durch
unbarmherzige Zerstückelung gewonuene professoren-
weisheit breit, übsr einzelne worte seitenlange Aus-
legungen und Unterlegungen vorführend oder den
Nachweis über den Nrsxrung, die Urquelle einzelner
Sätze versuchend. Das großartigste in dieser Be-
ziehung leistet die sogenannte „Goethe - waschzettel-
Läteratur", und eiue jedenfalls für die Natiou äußerst
wertvolle Arbeit bietet uns ein ksamburger ssro-
fessor m einemdickleibigenlverke „Lessing alsplagiator".
Man zerstückelt die werke Lessings in einzelne
worte und weist an diesen „plagiate" auf „plagiate"
uach, man zerstückelt in derselben Absicht die Nkvsik
Nichard wagners und triumphirt über die welt-
erschütternden „Lntdeckungen". wie und wodurch
entstand aber hier, wie dort, das werk, dem der
Btemxel der Runst aufgedrückt ist? Durch die eiu-
fache mechanische Arbeit der Zusammensetzung und
Aneinanderreihung von worten oder Noten, oder
geleitet von der geistigen Arbeit, der Schöxfuugs-
kraft? Nicht die worte an sich, nicht die Noten,
und auf anderm Gebiete nicht die Striche und pinsel-
führungen sind es, nicht die Aneinanderreihung, nicht
die Zeichnung und der vorwurf, die das entstandeue
Werk zum Runstwerk machen — es ist der Geist,
der aus der Schöxfung spricht, der Geist des Schöxfers
selbst. Bleiben wir nun bei den „Strichen und pinsel-

mgen", bei dem Bereiche, auf dem das „Runst-
chierbe" wirken will.

wir sehen reiche Fassaden entstehen, wir bewun-
dern in Ausstellungen kunstvoll aufgebaute wtöbel, die
gauze Romxosition (besser Rombination!) „imponirt",
die Btilart ist harmonisch durchgeführt, grobe ver-
stöße gegen die überlieferten Runstregeln sind nicht zu
beobachten — uud doch vermißt der Blick des Renners,
der Blick desjenigen, dem die Formeusxrache der Runst
in Fleisch und Blut übergegangeu, der in den Buch-
staben keine Buchstaben, in den worten keine worte,
soudern in der Satzbildung eine meisterhafte, packeude
Schilderung, in jedem wort walerei erwartet, das
Leben, dis Seele, die den toten Rörxer, den schönen
Rörxer durchgeistigt!

Unwillkürlich sehe ich, während ich schreibe, die
lachenden Gesichter im Geiste vor mir, die inir schou
begeguet sind, weun ich die Behauxtung aufstellte,
daß die Runst und das Runstgewerbe in den Gle-
menten der Formen eine Bxrache besitze, einen wort-
schatz, mit welchem sich die xackendsteu, farbenreichsten
und gemütvollsten Schilderungen eiitwerfen lassen.
Man wird sagen: das wareu Laien. Nein, das ist
es eben, was mir diesen Lindruck unverlöschlich machte,
es waren immer und immer Leute, die sich tagtäglich
dieser Sxrache bedienten, die in dem Gebrauche dieser
Sxrache ihres Lebens Befriedigung fanden — Ar-
chitekten. Zch mußte die traurige Grfahrung machen,
daß es deren gar zu viele giebt, die mechanisch —
weil sie sie eben gelernt haben— „Worte" gebrauchen,
vielleicht sogar mit Glück, — ebenso mechanisch und
mit demselben glücklichen Grfolg, wie etwa der ein-
gefuchste Gesellschaftsmensch mit liebenswürdigem
Lächeln glatt und feinmodulirt die schönsten Unter-
haltungs- und Teilnahmsphrasen von den Lipxen
gleiten läßt — von deren tieferem Gehalt, von deren
malerischer und schildnerischer Rraft sie keine Ahnung
haben! Der xraktische wert, der Nutzeffekt bleibt
deshalb allerdings für die großs welt derselbe. Dieser,
wie jene werden sich eiues gewissen Ansehens sicher-
lich erfreuen dürfen. Dieser zieht überall den Ruhm
eines liebenswürdigen, unterhaltenden, „feingebildeten"
 
Annotationen