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Herausgeßer: IerdmaM Kvenariüs. ^


Lrsres

Febrnar-Dckt 1692.

Westellgeld: 75 pkennige. vlerteljädrl.

Dekt 9.

Lrvciter Aabrgang.

IKnn

an.

* Die Mumcnbindcreien der iapcmischen rliisstellupg.
erregen besendcrs bei dcr voriiohmeii Frciiicnwelt se lebhafsit^
Teilnabme. daß cine Beeinfliissimg dcr Modc dnrch sie nicht
ausgeschlasscn ist. „Das Gebotcne's schreibt die „voss. Ztg/s
„ist eigcnartig im höchsten Grade. Schon wicderholt ist auf
die naive Freude hingewiesen worden, die der Iapaner
der pflanzenwelt, den bliihendcn Bäninen, den Zier-
pflanzen, dem stillen Leben dcr Batur entgcgenbringt.
Unter dieser Vorliebe für die gewaltigen und zarten Uinder
der Flora steht seinc Zierkunst, wie nbcrhaupt der gesamte
Schmiick seincs hcims. Fast an keincm hause fehlt das
Gärtchen mit Blumen, imd diese Bluinen werden zumeist in
eigenartiger Linienfiihrnng derart gezogen, daß Stamm uud
Iweige sanft geschwungene Aurven bilden. Bei dcn in
Töpfen gezogencn Blnmcn wird dasselbo verfahrcn be-
obachtet. Schmückt der Besitzcr seine tvohnung mit abge-
schnittenen Blnmen, so windet er keinen Strauß, sondern er
steckt einfach einige solcher Kurvenzwcige in eine vase von
Bronze oder jdorzellan oder in eins sener hübsch geflochtenen,
dronzeartig gefärbten Bambuskörbchen, von welchem unsere
Ausstellung eine große Uienge enthält. Iene Linienfiihrung
hatte nnn jdrofessor Lessing unseren Gärtnern in cincr Zu
sanmieiistellnng von ctwa einem Dutzend dcr charakteristischsten
Aurven vorgeführt und nach diesen Mustern sind die einge-
lieferten Gebinde hergestellt. Leider ist die Ieit von wenigen
Tagen zu kurz gewesen, um, wie in Iapan, das kurven-
förnnge- Iiehen dcr jdflanzen währcnd ihres tvachstums vor-
Ziinehmcn, was sich beispiclsweise beim Lhrysanthemum schon
>n fünf bis sechs tvocheii recht gut hätte erreichen lassen,
»nd so hat man vorzugsweise durch Binden jene Linien-
führung wiederzugebcn versucht." Daß die japanische Blumen-
binderei für die europäische schr beachtenswert ist, wird allge-
'nein anerkannt. Lin anderer Uritikcr sagt von ihr: „Sie ist
dei dem naturliebendcii Inselvolk Bstasiens zn einer förm-
lichen wissenschaft ausgebildet. Der Iusanimenstellung der
Vlunien, ihrer Form und Farbe, der tvahl des Gefäßcs und
des Grts, wo es angcbracht wird, allem wird eine tiefere
Bedeutung in Bezug auf den Rang und die porsönlichen
Tigenschaften dessen beigelegt, zu dessen Lhren Blumenschmuck
angebracht wird. !vie nnter den Nalern bestehen unter den
Llumenbiiidern zahlreiche Schulen mit verschiedenen Regeln.
I» diese verschlnngenen tvege einer symbolischen Uiinst den
Iapanern zu folgen, ist dem Luroxäer ziemlich unmöglich.

Äbeh von ihren Lrzeugnissen, wenn man sie rein äußerlich
bctrachtet, kann das gleiche Gcwerbe in Europa sichcrlich
Butzcn ziehen und srnchtbare 2lnregungen holen. Daß nnsere
trotz allcr Fortschritte noch immer hänsigste 2lrt der Stranß-
bildung dnrch enges Zusammenxressen der Bliimen zu einer
tcllcrartigcn Scheibe in steifer Papiermanschette eine höchst
nnkünstlerische und barbarische ist, kann kauni gelengnet werden.
Sucht man doch auch gerade dann, wenn mit wertvollerem
Blnmenmaterial gearbeitet wird, diese typische Bouqnetform
zu vermeiden und in freier !lnordnung die einzelne Blume
mehr zur Geltung zu bringen. Bcsonders in dieser Richtung
kann die japanische Art vorbildlich wirken, ohne daß es nötig
oder auch nur angezeigt wäre, sie direkt nachzuahinen. Lin
japanisches Blunienarrangemcnt sucht uicmals durch niassen-
hafte Anhäufung von Blüten zu wirkcn, sondorn durch ge-
schmackvolle, deutlich ins Auge springende Grundlinien. Ls
sind daher besondere blühende Zweige von Ziorpflanzen, dic
dem japanischen Strauße die Grundform geben. Für diese
Linien giebt es von den verschiedenen Schulen festgesetzte zahl-
lose Idcalformen, welchen man sich möglichst zu nähern sncht.
Vbwohl dadurch die jdflcmze oft genug für unser Auge ge-
künstclt und gezwnngen erscheint, ist doch nicht zu leugnen,
daß ihr freies lvachstum, ihr aufstrebendcr odcr sich ncigendcr
Lharakter in dem lockcren japanischen Strcmß viel besser zur
Geltung kommt, daß das Ganze einen viel natürlicheren Lin-
druck niacht, als die europäische Massen-Iusanimenstellung.
Daß die Iapaner mit so wenig Zrvcigen, Blüten rmd Blättern
schon ein Gefäß vollständig ausreichend füllen können, liegt
auch darin, daß ihre Stränße im Grunde zunieist in die Fläche
komponirt sind. Sie werden entweder an den Ivänden auf-
gehängt oder vor dem tfintergrunde einer lvand aufgestellt.
Darin wird man ihnen nur folgen können, wenn eine ähnlichc
Aufstellnng beabsichtigt ist. Der große und allgemeine Bei-
fall, den die künstlichen Aopien japanischer Modelle auf der
Ansstellung — von der Firma Leuchtmann u. Lo. hergestellt
— gesnnden habcn, zeigt, daß die ostasiatische Art im wesent-
lichen auch unsercm Geschmacke entspricht und daß sie wohl
bernfen ist, den imvermcidlichen Makartsträußen allmäh-
lich heilsame Ronkurrenz zu schaffen. Die Arrangements
von lebenden Blumcn sollten nicht wie die künstlichcn wirk-
liche Kopien japanischer Urbilder geben, sondern nur im
Grundcharakter in der Bctonung der lZauptlinien ihnen
folgen."
 
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