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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Schreiber, Theodor: Das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0009
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Säulenkanitäl der Südfassade vom Reiclisgerichtsbau in Leipzig.

DAS REICHSGERICHTSGEBÄUDE IN LEIPZIG.

ii.

flIE monumentale Schöpfung des Hoffmann-
schen Reichsgerichtsgebäudes ist sclion
im 3. Heft des vorigen Jahrgangs einer
zusammenfassenden Besprechung unter-
zogen worden, in welcher die allgemeinen
Gesichtspunkte, unter denen es beur-
teilt werden will, hervorgehoben und durch Abbildungen
erläutert worden sind. Wenn wir nochmals auf diesen
Bau zurückkommen und weitere Einzelheiten desselben
bildlich vorführen, so liegt die Veranlassung dazu nicht
nur in der Bedeutung, die ihm seiner Bestimmung wegen
zukommt, sondern vor allem in seinem bleibenden Werte
als einem Grundpfeiler in der Entwicklung der deutschen
Architektur. Dass diese letztere bereits seit Decennien
auf dem Wege zu einem neuen Stil ist, der aus den
überlieferten Elementen der Benaissance eine eigenartige
Kunstsprache herauszubilden sucht, ist oft genug em-
pfunden und gelegentlich auch schon ausgesprochen wor-
den. Nun dürfen wir fragen, wie weit sich Ludwig Hoff-
mann dieser Bewegung angeschlossen hat, ob er ihr
teilweise folgt, führend vorangeht, oder ausweicht, und
worin denn das Geheimnis der außerordentlichen Wirkung
seiner Schöpfung begründet liegt. Wer die richtige

Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 1.

Antwort finden will, wird sich nicht mit dem Nachweis
begnügen dürfen, dass Hoffmann den äußeren und inneren
Anforderungen seiner Aufgabe durch die glücklichste
Plandisposition, durch eine harmonische Ausgestaltung
der einzelnen Bäume und dadurch, dass er dem ganzen
Bau einen der Größe und Würde der in ihm waltenden
Körperschaft entsprechenden Charakter aufprägte, gerecht
zu werden verstand. Denn solche Vorzüge sind auch
manchem neueren Bauwerk eigen, welches sich dem Palast
des Reichsgerichtes an vorbildlichem Wert nicht ver-
gleichen darf. So groß auch die Leistung einer tadel-
losen Lösung der technischen und rein praktischen
Probleme, welche das Dienstgebäude der obersten Justiz-
behörde des deutschen Reichs an den Architekten stellt,
im Vergleich zu anderen Aufgaben sein mag, sie ist
doch nur die Basis, auf der sich das Kunstwerk als
solches aufbaut. Die materiellen Schwierigkeiten, auch
die fortwährenden bureaukratischen Hemmungen, die dem
Schaffen eines im Staatsdienst thätigen Baumeisters
entgegentreten, müssen überwunden sein, ehe seine künst-
lerischen Fähigkeiten sich entfalten können. Worin
diese aber bestehen, wird durch den Gegensatz anderer
Monumentalbauten — nennen wir nur das Reichstags-

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