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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Minkus, Fritz: Die menschliche Figur als dekoratives Element, [1]
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0128
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KLEINE MITTEILUNGEN.

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naturalistischen Darstellung vor der linearen und ihr
allmähliches Zurücktreten gegenüber der letzteren.

Diese frappirenden Erscheinungen verlocken leicht
zu Verallgemeinerungen. Aber wenn irgendwo, ist hier
Vorsicht geboten, und ein Abweichen vom Wege der
realen Thatsachen, ein Schlüsseziehen über das wider-
spruchslos anerkannte Beweismaterial hinaus kann der
ganzen, hochwichtigen Forschung auf diesem Gebiete den
wissenschaftlichen Ernst benehmen und sie ins Eeich
dilettantischer Phantastereien verweisen. Es liegt ja
allerdings nahe, in Analogie zu den oben erwähnten
Rückführungen einer Eeihe von linearen Ornamenten
auf figürliche, unser gesamtes geometrisches Dekorations-
Inventar auf naturalistische Darstellungen zurückführen
zu wollen.

Aber die Thatsache, dass so viele lineare Ver-
zierungen, wie bereits des öfteren gesagt wurde, ganz
augenscheinlich zurückzuführen sind auf verschiedent-

liche Techniken und auf Zufälligkeiten, die ganz von
selbst bei ihnen mit unterlaufen, gebietet uns hier ein
entschiedenes Halt.

Nur wo sich uns eine ununterbrochene Kette über-
zeugenden Beweismatcrials bietet, können Schlussfolge-
rungen auf die Priorität des Figuralen vor dem linearen
Ornament gezogen werden, aber immer nur für den vor-
liegenden Fall. Eine streng-skeptische und ernste
Forschung auf diesem Gebiete wird für das wissenschaft-
liche Studium der Ornamentik von höchstem Werte sein
und der Kunstgeschichte, die allerdings bis jetzt die
Prähistorie noch nicht als ihre eigentliche Grund-
lage anerkennen kann, neue, ungeahnte Bahnen er-
schließen.

Auf die Geschichte der menschlichen Figur im
Ornamentschatze der historischen Künste kommen wir ein
anderes Mal zurück. FRITZ MINKUS.

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"Berlin. — Verein für deutsches Knnstgeiverbe. Derselbe
hatte am Mittwoch, den 10. Februar im großen Saale des
Architektenhauses eine Ausstellung moderner Glasfenster vor-
anstaltet, deren Farbenglut durch geschickt angebrachtes
elektrisches Licht glänzend zur Geltung kam. Die reiche
Wirkung war ohne Anwendung von Glasmalerei durch zu-
sammengefügte und verbleite Gläser erzielt, wie sie neuer-
dings in Amerika beliebt sind und seit Jahren auch in Deutsch-
land fabrizirt werden. Das schöne Material wird durch die
verschiedensten Zusätze und Methoden hell oder dunkel ge-
färbt, durch geschmolzene Glasflüsse schattirt, in seiner Ober-
fläche gerippt, gewellt oder sonstwie gemustert und bietet
SO dem Glasschneider die Mittel, die höchsten künstlerischen
Entwürfe nachzubilden. Dass die deutsche Glaskunst in
diesem Sinne schon Treffliches leistet, zeigten die Glasfenster
von Karl Engelbrecht in Hamburg nach den farbenprächtigen
Zeichnungen des Hamburger Malers Christiansen, die Arbeiten
von C. Ule in München und mehreren Berliner Firmen, be-
sonders J. Schmidt und Georg Engel. Glasmaler üle erläu-
terte in seinem Vortrag die neueren künstlerischen und
technischen Bestrebungen und versprach sich besonders aus

M..S.

dem einheitlichen Zusammenwirken bester Künstler und tüch-
tiger Techniker noch weitere Fortschritte. — Heber „Mittel-
alterliche und moderne Wandteppiche in Gobelintechnik"
sprach am Mittwoch, den 24. Februar im Verein für deutsches
Kunstgewerbe in Berlin der Direktor des kgl. Kunstgewerbe-
Museums Herr Geh. Rath Prof. Julius Lessing, indem er an
der Hand einer reichhaltigen Ausstellung älterer und neuerer
Arbeiten, besonders der Gobelinmanufaktur W. Ziescli & Co.,
Berlin und der Webeschulo in Scherrebeck die verschiedenen
Richtungen dieser einfachen, aber doch der höchsten Wir-
kungen fälligen Technik erläuterte. Dem einfachen Stopfen
mit der Nadel verwandt, führte diese Technik zunächst zu
einer Musterung durch breite, scharf abgegrenzte Farben-
flecke und ging später dazu über, auch reichere Vorbilder,
Pflanzen und Figuren, aber immer noch flach stilisirt, dar-
zustellen. Erst in den Pariser Werkstätten der Barockzeit
wurden unter dem Einflüsse der leitenden Maler die Wir-
kungen von Ölbildern nachgeahmt, ein Ziel, welches sich
trotz unsäglicher Mühen und Kosten doch immer nur an-
nähernd erreichen lässt. Während die Gobelinweberei unserer
Zeit sich meist diesen französischen Bestrebungen anschließt,
ist im Orient, sowie in Skandinavien die alte breite Flächen-
beliandlung erhalten geblieben. Diese ursprüngliche Technik
ist durch die Webeschulo in Scherrebeck in Nordschleswig
auch in Deutschland als bäuerliche Industrie wieder eingeführt
worden, wobei sie durch hervorragende künstlerische Kräfte,
wie Otto Eckmann und andere, mit guten Entwürfen im
Sinne dieser Technik unterstützt wurde und zu recht erfreu-

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