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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

DOI Artikel:
Minkus, Fritz: Die menschliche Figur als dekoratives Element, [3]
DOI Artikel:
Thieme, U.: Ausstellung von Werken alten Kunstgewerbes aus sächsich-thüringischem Privatbesitz im Kunstgewerbe-Museum zu Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0213
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AUSSTELLUNG VON WERKEN ALTEN KUNSTGEWERBES.

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menschlichen Darstellungen dieser Richtung schlugen vor-
nehmlich in einem für sie besonders geeigneten Gebiet der
dekorativen Malerei Wurzel, in dem erst in jüngster Zeit
allmählich zu einem Zweige der Kunst erblühenden
Plakat. — Die Plakatmalerei beginnt diese immer mehr
zu schemenhaften Formen stilisirten, sozusagen „ent-
menschlichten" Menschendarstellungen als rein ornamen-
tale Motive zu verwerten, etwa wie das stilisirte Blatt,
die stilisirte Blüte: sie bildet aus ihnen fortlaufende,
kranzartig zusammenhängende Ornamente, stellt sie
schräg, auf den Kopf — wie zu rein abstrakten Formen
stilisirte pflanzliche und wie geometrische Motive.

Nachfolgende Beispiele mögen das Gesagte erläutern:
gleichsam als Ausgangspunkt sei eine noch durchaus
eigenartige figürliche Einzeldarstellung genannt, ausge-
führt in der besprochenen schattenlosen, stark kontu-
rirten Manier: die langgestreckte, weiß gekleidete Dame,
mit dem Champagnerkelch in der Hand, die uns auf
ziemlich verbreiteten Plakaten der Eeimser Champagner-
firma Jules Mumm begegnet; als zweites Stadium kann
das Reklamebild einer französischen Cigarettenpapier-
fabrik gelten, das auf grellgelbem Grund ein halb rot,
halb schwarzes Rhombus enthält, in welchem zwei m
unserer Manier etwas karikirt gezeichnete Gestalten —
Herr und Dame — rauchend dargestellt sind, immerhin
noch eine, wenn auch schon stark ornamental behandelte
genrehafte Darstellung; einen weiteren Schritt zur reinen

Ornamentik bildet das Plakat eines Wiener Maskenball-
uuternehmens, das auf eintönig grünem Grunde eine
lange Kette rein flächenhaft gezeichneter, vollkommen
gleicher — im strengsten Sinne des Wortes schablonen-
hafter —, grellrot gekleideter weiblicher Gestalten zeigt,
die sich an den Händen haltend, im Tanzschritt dahin-
hüpfen, — einer lebendigen Guirlande vergleichbar;
hier tritt bereits die menschliche Figur als individuelle
Trägerin einer Handlung weit zurück vor dem rein
ornamentalen Werte ihrer äußeren Form; den Höhepunkt
bildet ein wahrhaftiges Ornament, zusammengesetzt aus
menschlichen Gestalten, welches das Reklamebild einer
österreichischen Fahrräderfabrik umrahmt: auf braunem
Grunde weiße Silhouetten, ohne jegliche Innenkontur,
auf dem Bicykle sitzende Radfahrer, dicht aneinander
gereiht, an den Seiten des Mittelbildes wagerecht, am
unteren Rande mit den Füßen nach oben gestellt.

Die Beispiele dieser allermodernsten Ornament-
spielereien sind noch nicht allzu zahlreich — auch sind
sie bisher kaum noch in andere Gebiete als die Plakat-
malerei und verwandte Zweige gedrungen; ob die ernst-
liche Ornamentik unseres etwaigen „Zukunftsstiles" mit
diesen etwas kühnen Experimenten, die menschliche Figur
ohne Zusammenhang mit vegetabilischen Motiven als rein
ornamentales Element zu verwerten, etwas anzufangen
wissen wird, muss eben die Zukunft lehren!

Wien. FRITZ MINKUS.

AUSSTELLUNG VON WERKEN ALTEN KUNSTGEWERBES
AUS SÄCHSISCH-THÜRINGISCHEM PRIVATBESITZ IM KUNSTGEWERBE-
MUSEUM ZU LEIPZIG.

_____ (Schluss.)

]NTER den Elfenbeinen sind einige ganz
bedeutende, kunsthistorisch im höchsten
Grade interessante Stücke. Vor allem
die aus dem 10. Jahrhundert stammende
Madonna mit dem Kinde (Nr. 922), die

__________berühmte Hälfte des Diptychons mit dem

heil. Michael (Nr. 923), beide aus der Stadtbibliothek, sowie
ein bis jetzt ganz unbekanntes Diptychon (Nr. 933) mit der
Madonna und Heiligen und Christus am Kreuz, wohl
eine französische Arbeit des 13. Jahrhunderts, das leider
durch Abwaschen seine Patina gänzlich verloren hat und
wie ein Gipsabguss aussieht. Die deutsche Gesellschaft
in Leipzig hat außer mehreren guten kleinen Elfenbem-
arbeiten die interessante Figur eines sitzenden Bischofs
mit zwei Diakonen (Schachfigur, Nr. 924) — zwei ähn-
liche Stücke besitzt das Berliner Museum — geliehen,

Herr Oberstlieutenant Freiherr von Mansberg eine ganze
Sammlung von Elfenbeinen aus verschiedener Zeit, unter
denen besonders die frühe Figur eines Orientalen zu
Pferd (Nr. 925) Aufmerksamkeit erregt. Herrn Stadtrat
Zschille gehören die drei prächtigen Hifthörner (Nr. 936,
937, 938), seiner Bestecksammlung sind die wunder-
vollen Messer und Löffel mit Elfenbeingriffen entnommen.
Als Arbeit des Balthasar Permoser gilt das aus Elfen-
bein und Ebenholz gefertigte große Kruzifix der
Stadtbibliothek (Nr. 963), das im Goldschrank des
grünen Zimmers Platz gefunden hat. Es zeigt eine
virtuose technische Behandlung des Elfenbeines, ist aber
in seiner Gesamtheit ein höchst unerfreuliches Beispiel
der Kunst des Barockstiles.

Eine zweite Specialität der Ausstellung bildet außer
der Böttgerware das sogenannte „Tschirnhausenglas"
 
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