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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Leisching, Julius: Aufgabe der Kunstgewerbe-Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0097
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AUFGABE DER KUNSTGEWERBE-MUSEEN.

1 AS zweite Heft der Zeitschrift
Pan 1896 brachte einen län-
geren Aufsatz unter obiger
Überschrift, der an der entlegenen
Stelle vielleicht weniger beachtet wor-
den wäre, wenn er nicht den in vieler
Hinsicht hochverdienten Kunstforscher
Wilhelm Bode zum Verfasser gehabt
hätte. Dieser Umstand hat dazu ge-
führt, dass an die Redaktion des
Kunstgewerbeblattes Wünsche heran-
getreten sind, man möge zu den ver-
schiedenartigen Wendungen dieses Aufsatzes Stellung
nehmen, und diese Wünsche haben wieder die Redak-
tion veranlasst, den Unterzeichneten als einen der älteren
Fachmänner zu einem Berichte aufzufordern. Als Feind
jeder litterarischen Polemik auf Gebieten, in denen man
praktisch eingreifen kann, entspreche ich diesem Wunsche
nur ungern und lediglich in der Absicht, eine Ent-
gegnung aus der Feder eines vielleicht jüngeren und
heißblütigeren Anwaltes zu verhindern.

Es scheint mir am zweckmäßigsten, sich auf die
Richtigstellung einzelner Bemerkungen des Pan weiter
nicht einzulassen und lediglich auf die Hauptpunkte
einzugehen, obgleich auch diese nur zum Teil einer Er-
örterung bedürfen.

Der erste Hauptpunkt ist durch die gemeinsame
Erfahrung der Fachmänner längst erledigt, es ist dieFrage,
was die Gewerbe-Museen mit den kulturhistorischen Auf-
gaben gemein haben.

Kuustgewerbeblatt. N. F. VITI. II. (!.

Es ist klar, dass beim Anfang
der Bewegung zur Gründung von Ge-
werbe-Museen, die in England 181
in Wien 1859, in Berlin 1867 begann,
die Vorstellungen von dem Nutzen, den
die neuen Anstalten stiften könnten,
etwas schwankten. Man glaubte viel-
fach, Vorbilder in dem engen Sinne
sammeln zu sollen, dass der Hand-
werker direkt darnach arbeiten könne,
und wünschte daher womöglich für
jeden Gewerkzweig, zum mindesten
aber für die an den betreffenden Orten herrschenden
Gewerbe, vollständige Reihen aller denkbaren Formen
zu besitzen, und bemühte sich, das Gesammelte für den
Handwerker nach Techniken zu ordnen.

Bei mäßiger Erfahrung wurde man sich aber darüber
klar, dass ein direktes Nachbilden selten oder eigentlich
niemals möglich sei. Jedes Produkt des Gewerbfleißes ist
bedingt nicht nur durch Material und Technik, sondern
auch durch Zeit und Ort seiner Entstehung, durch die
besonderen Sitten und Anschauungen der Zeit, durch die
verwandten Stücke, die in demselben Räume zur Auf-
stellung kommen sollten, kurz durch alles, was wir als
kunstgeschichtliche und kulturhistorische Elemente be-
zeichnen.

Wenn nun ein Museum seine Objekte lediglich nach
technischen Gesichtspunkten ordnet, so wird das Ver-
ständnis nur einseitig gefördert; man muss unzweifelhaft
der kulturhistorischen Erkenntnis stark entgegenkommen,

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