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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0197
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MUSEEN.

Das steirischc Landesmusetim in Graz. Das Herzogtum
Steiermark hat in diesem Jahrhunderte einen mächtigen
Gönner in einem Prinzen des Kaiserhauses gefunden, der
auch in der deutschen Geschichte des Jahres X848 als erster
und einziger deutscher Reichsverweser genannt wird. Vor
und nach dieser Episode lebte Erzherzog Johann fast aus-
schließlich auf seinen Gütern in Steiermark oder in seinem
Grazer Palais und bekundete seine Liebe zu dem schönen
Alpenlande, aus dessen Bevölkerung er sich selbst die treue
Lebensgefährtin geholt, in einer großen Zahl von Schöpfungen,
welche der kulturellen und wissenschaftlichen Hebung des
Landes galten, von welchen die meisten noch heute segens-
reich wirken. Eine dieser Schöpfungen war das im Jahre
1811 gegründete Joanneum, eine Art Landesmuseum, welches
einerseits durch Anschauung fördernd und anregend wirken,
anderseits durch Vereinigung von Büchern, Urkunden und
Objekten aus allen drei Reichen der Natur das Studium
speciell der steiermärkischen Geschichte begünstigen sollte.
Im Laufe der Jahre stellte sich die Notwendigkeit heraus,
dieses Institut zweckmäßig zu reorganisiren und in der Art
zu erweitern, dass es zu einem vollständigen Landesmuseum
werde, wie es sich heute präsentirt. Im steirischen Land-
tage wurde schon im Jahre 1878 eine Reorganisation des
Joanneums angeregt, greifbare Formen gewann diese An-
regung aber erst im Jahre 1883, wo anlässlich der sechs-
hundertrjährigen Zusammengehörigkeit der Steiermark zum
Hause Habsburg in Graz eine kulturhistorische Ausstellung
veranstaltet worden war, welche die Gründung des Landes-
museumsvereines Joanneum zur Folge hatte. Dieser Vor-
ein entwickelte eine so fruchtbare Sammelth&tigkeit, dass
sich der Landtag über Initiative des kunstsinnigen Landeshaupt-
manns Grafen Wurmbrand entsehloss, für die reichen kunst-
historischon und kunstgewerblichen Schätze ein eigenes Ge-
bäude aufzuführen und die früheren Bestände im alten
Joanneumsgebäude neu aufzustellen Im Juni 1895 wurde
nun dieses neue kulturhistorische und Gewerbemuseum durch
Kaiser Franz Josef feierlich eröffnet. Dasselbe hat die Be-
stimmung, ein umfassendes Bild der geschichtlichen und kul-
turellen Entwickelung des Landes und seiner Bewohner zu
geben. Die Kenntnis des Heimatlandes soll auf allen Gebieten
wissenschaftlicher Forschung gefördert, die Sinne sollen für
künstlerisches Schaffen geweckt werden. Nach dem vom
Landtage beschlossenen Statute wurden die Sammlungen so
geordnet, dass der Laie Belehrung, der Gebildete Anregung
findet, und dass dem Forscher, sowie dem Gowcrbsmann und
dem Landwirte Hilfsmittel zur Förderung seiner Zwecke ge-
boten werden. So ist denn unser Landesmuscum in der That
zu einer Bildungsstätte ersten Ranges geworden. Wir
kommen noch auf die innere Einteilung des Museums zurück
und beginnen mit einer Specialität desselben, welche in der

naturgetreuen Aufstellung altsteirischer Wohnräume vom
Mittelalter bis in die neuere Zeit besteht. Der unermüd-
lichen Thätigkeit des Direktors des Museums Herrn Carl
Lacher war es gelungen, mehrere vollständig erhaltene Ein-
richtungen von Zimmern und Stuben für das Museum zu er-
worben, und ihr Besitz war es auch, der die Durchführung
des von dem genannten Direktor in Vorschlag gebrachton
Aufstellungssystems ermöglichte. Er erstrebte ein ethno-
graphisches Bild von dem Wohnen, dem häuslichen Leben
und Schaffen der Bewohner von Steiermark in den verschie-
denen Gesellschaftsschichten neben allgemeinen kunstgewerb-
lichen Muster- und Vorbildersammlungen — letztere ver-
bunden mit einer Verkaufshalle des modernen steirischen
Kunstgewerbes — zur Anschauung zu bringen. Diese Idee
wurde so zweckmässig durchgeführt, dass schon am Tage der
feierlichen Eröffnung des Museums die Aufstellungsart als
eine glückliche und allgemein nachahmenswerte bezeichnet
wurde. Diese Originalwohnräume, vom Prunksaale des sech-
zehnten Jahrhunderts, den gleichzeitigen holzgetäfelten Stuben
aus Bürger- und Bauernhäusern, bis zum Empirezimmer, bil-
den in der That die Hauptanziehungskraft unseres Museums
und sind zum eigentlichen Kernpunkte der Sammlungen ge-
worden. Schon bei ihrer Erwerbung war Direktor Lacher
bestrebt, alles, was zu ihrer vollständigen Wiedergabe im
Museum notwendig erschien, mit zu gewinnen. So gelangten
mit den Holzarbeiten des Prunksaales auch die äußeren
Steinthürstöcke und die Steinumrahmungen der Fenster so-
wie genaue Aufnahmen von den noch zu entziffernden Spuren
derursprünglichenWandmalereien und bei den getäfeltenStuben
die Fensterstöcke, sowie die geschmiedeten Fenstergitter mit in
den Besitz des Museums. Der Besucher, der nun im neuen
Museum über die zumeist sehr hohe Thürschwolle hinweg
durch die niedrige Originalthüre einen dieser alten Räume
botritt, befindet sich in einem vollständigen Originalwohn-
raume mit seiner ursprünglichen Beleuchtung, indem seine
ehemaligen Lichtquellen, die alten Fenster und deren Gitter,
mit zur Aufstellung gelangen konnten. Diese absolute Echt-
heit der Wohnungen ist es auch, die unseren Besitz, wie wir
so häufig zu hören Gelegenheit haben, beneidenswert er-
scheinen lässt. Diese echten Bilder altsteirischen Lebens,
welche nur durch die alten Stuben und das gewählte Auf-
stellungssystem geboten werden konnton, üben nicht nur
auf die Landeskinder mächtige Anziehungskraft, sondern
auch über die Grenzen des Landes hinaus lebhaftes Interesse,
und gerade die auswärtigen Besucher spenden diesem kultur-
geschichtlichen Bilde der Steiermark volles Lob. Sehen wir
nun, wie dasselbe zur Darstellung gelangte. Im Parterre
des neuen Museumsgebäudes finden wir den Prunksaal aus
dem Schlosse Radmannsdorf bei Weiz vom Jahre 1504 als
effektvollen Mittelpunkt, daran reihen sieh in einem großen
Saale die historischen Gegenstände des Landes und Porträts
steirischer Geschlechter, der Wagen Kaiser Friedrichs III.,
 
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