Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

DOI Artikel:
Lützow, Carl von: Oscar Roty
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0047
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
OSCAR ROTY.

35

Frankreich und Amerika im Bunde

Randabschließung, oder sie erhält nur eine fem ge-
kehlte Einfassung, die wie der schmale Rahmen eines
Bildes wirkt. Die Schrift wird in Letternform und Aus-
führung dem Charakter der Darstellung angepasst, bald
eingetieft, bald erhaben behandelt, so dass Bild und
Schrift harmonisch zusammengehen, gemeinsam den Ge-
danken ausdrücken und den Raum füllen. Im allge-
meinen wiegt das flache Relief vor und es ist bewunderns-
wert, wie der moderne Stil
gerade durch die unendlich
zarten Abstufungen der Vor-
sprünge und Tiefen die volle
Kraft der Modellirung und
den ganzen Reichtum der Ton-
skala zu erzielen weiß, von
den tiefsten Schatten bis zu
den hellsten Lichtern. Die
Medailleurkunst grenzt in die-
ser ihrer neuesten Ausbildung
so nahe an die Malerei, wie
der Kupferstich Dürer's und
die Radirung Rembrandt's, die
dem Metall durch Eingraben
in die Fläche den gleichen
malerischen Reiz entlockten,
wie der moderne Medailleur
durch sein Herausbossiren.

In erhöhtem Grade noch
als von den kreisrunden Medaillen gilt das Gesagte
von den Plaquetten, den oblongen Plättehen, die nach
dem Vorbilde der Renaissance als Geschenk- und Schau-
stücke mannigfacher Art dienen. Die größere eckige
Platte bietet dem geschilderten bildmäßigen Stil erst
den rechten Raum zur vollen Entfaltung. Das Rund ist
gangbar, das Täfelchen intim. Seine Darstellung be-
tont das Persönliche, ist nur für einen be-
grenzten Lebenskreis berechnet, für die Fa-
milie, die Freunde, die Mitarbeiter und
Schüler. Unzählig sind die Anlässe, die
Beziehungen, teils menschlicher, teils geisti-
ger, socialer und politischer Natur, die
durch solche kleinen Gedenktäfelchen ge-
feiert und verewigt werden können. Die
Kunst dringt, indem sie nach allen diesen
Richtungen bildlich und bildend eingreift,
in das feine Geäder des ganzen Lebens ein.
Sie wird im edelsten Sinne volkstümlich, zieht aus der
Wirklichkeit ihre schöpferische Kraft, und verklärt sie
zugleich.

Ein Blick auf die Tafeln und Textbilder, die
unsern Aufsatz begleiten, bietet den Lesern in den
Werken 0. Roty's die Belege zu dem Gesagten. Sie
zeigen alle geschilderten Eigenschaften der heutigen
französischen Medailleurkunst auf der Höhe ihrer Voll-
kommenheit. Aber wir würden schwerlich im Sinne des

Profilkopf der Französischen
Republik.

edlen Meisters handeln, wenn wir versäumen würden
anzudeuten, was er den Vorläufern und Genossen zu
verdanken hat. Geboren in Paris am 12. Juni 1846,
empfing er durch Duniont d. j. und kurze Zeit auch
bei Ponscarme seinen ersten Unterricht. Aber als der
eigentliche Lehrer 0. Roty's im geistigen Sinne des
Wortes ist Chapu zu betrachten. Auf diesen großen,
poesievollen Meister weisen überhaupt eine Reihe der
bedeutendsten Inspirationen
der heutigen Pariser Künstler-
schaft zurück. Auch das Wir-
ken des früh verstorbenen De-
george, des hochbegabten Ur-
hebers der schönen Denk-
münze auf die Einweihung der
Kirche von Montrouge, regte
Roty's Eifer mächtig-an. Voller
Bewunderung schaut unser
Künstler ferner zu Chaplain,
seinem Kollegen im Institut,
empor, und zwar ebensosehr
zu dem neidlosen Menschen
^^^^ wie zu dem genialen Meister.
Chaplain hätte sein Leben
lang den ihm 1881 zuerkann-
ten Sitz im Institut allein be-
kleiden können, auf den das
^^^^^^^H Fach seil der Bourbonenzeit

reduzirt war. Aber er schlug 1888 hochherzigerweise
die Wiederherstellung des zweiten Sitzes und die Be-
rufung Roty's auf denselben vor, ohne zu befürchten,
dass der jüngere Meister ihm sein Ansehen schmälern
werde. So wirken beide seit Jahren einträchtig zu-
sammen an der Spitze ihrer Fachgenossen der heutigen

Generation.

Überblicken wir die Werke Roty's nun

— zunächst nach ihren Darstellungsgobieten,

so sind es naturgemäß antike mythologische
Gegenstände, mit denen die Reihe beginnt:
Amor, Flora, Venus und Amor, Faun und
Faunin u. s. w. Der „Salon" von 1873,
in dein die erstgenannte Medaille ausge-
stellt war, brachte dem Künstler auch die
erste Auszeichnung; im Jahre 1875 erhielt
er den römischen Preis. Bald nach seiner
Heimkehr aus Italien aber sehen wir die
Phantasie des Meisters über das Niveau der Studien-
und Wanderzeit sich erheben und von dem ganzen
weiten Darstellungskreise Besitz ergreifen, den die Me-
daille schon seit Vittore Pisano ihr Eigen nennt: Alle-
gorie und Menschenleben, Porträt und Tierstück, Land-
schaft und Architektur, Stillleben und Ornament. In
allen Gebieten bewährt Roty die gleiche Originalität
und Meisterschaft.

Eine völlig neue Gestaltung erhielt durch ihn die
 
Annotationen