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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Lützow, Carl von: Oscar Roty
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0050
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38

OSCAR ROTY.

Hirt seine Herde herein; rechts blicken wir über den
Zaun auf Wiesen und Felder. — Auf einem anderen
kleinen Bunde — das als Schließe eines Armbandes
gedacht zu sein scheint — sitzt im Vordergrunde rechts
am Boden eine Hirtin mit einem Lämmchen im Schoß;
im Mittelgrunde, bei einem Baume, sieht man die Herde.
— Das schönste dieser kleinen, in Silber gearbeiteten
Landschaftsbilder ist dasjenige mit einer strickenden
Schäferin. Sie steht, steif und ungelenk, an einen
Baum gelehnt, emsig mit ihrer Strickerei beschäftigt,
daneben am Boden das Knäuel. Im Hintergrunde,

lirung der Form innerhalb der Grenzen des Flachreliefs
besteht seine höchste Meisterschaft.

Es läge nahe, zu vermuten, dass die Formen-
gebung Eoty's dem Stile der Frührenaissance verwandt
sei, der seit dem „Florentinischen Sänger" von Paul
Dubois in Frankreich so vielfache Nachklänge wahr-
nehmen lässt. Namentlich deshalb, weil die moderne
Medailleurkunst in den Arbeiten der italienischen
Quattrocentisten ihre schönsten Vorblider zu erkennen
hat. Allein bei genauer Prüfung finden wir, das Eoty
sich den Meistern der Benaissance gegenüber ebenso

Eoty's Eltern.

zwischen locker stehenden Baumgruppen, weiden die
Schafe. Die Ferne ist von zart angedeuteten Höhen
begrenzt. (S. die Abbildung.)

Boty wendet, wie die modernen Franzosen über-
haupt, bald die Technik des Gusses, bald die der ge-
schlagenen Arbeit an. Er bedient sich dabei, wie oben
angedeutet, verschiedener, durch ihre Neuheit wie durch
ihre geschmackvolle Verwendung überraschender tech-
nischer Proceduren, um die Wirkung des Bildes auf
der Fläche zu erhöhen oder ihm einen besonderen
malerischen Beiz zu verleihen. Aber das Belief, das
er den Darstellungen giebt, ist immer ein sehr mäßiges.
In der Abstufung der Pläne, in der plastischen Model-

selbständig verhält, wie in seiner Stellung zur Antike.
Auch von den Einflüssen der unmittelbar voraufge-
gangenen Zeiten finden wir ihn nicht berührt. Er ist
von der Süßlichkeit der Kunst Pradier's ebenso weit
entfernt wie von der prunkenden Schwerfälligkeit des
zweiten Kaiserreiches. Auf der Grundlage eines unab-
lässigen Studiums der Natur hat er sich einen persön-
lichen Stil von ausgeprägter Eigenart geschaffen, in dem
alle feinsten Ingredienzien der besten Muster seiner
Kunst mit dem Naturell seines Volkes und dem Geiste
seiner Zeit innig verschmolzen sind. Es ist ein eben-
so moderner wie wahrhaft klassischer Stil, durchaus
realistisch, wo es gilt, das Leben zu schildern, poetisch
 
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