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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

DOI Artikel:
Leisching, Julius: Das Grabmal, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0088
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DAS GRÄBMAL.

Krieger, dort wohl auch nur mit seinem Pferde, das er
besonders liebte, beschäftigt; die Frau sich putzend oder
Abschied nehmend; den Knaben beim Spiel oder von den
Eltern umgeben. Ein typischer Ausschnitt aus dem Er-
lobten, beinah modern erscheinend, weil eben ganz wahr
und menschlich. Ein in aller Einfachheit erquickender
Zug des Intimen, Persönlichen wohnt diesen doch ge-
wiss nur selten auf Bestellung gearbeiteten antiken
Grabplatten inne. Freundschaft und Liebe, die den
Toten im Leben erfreuten, folgen ihm so auf sein Grab.
Die häufige Darstellung des Handreichens soll hierbei
nur ein Zeichen der Neigung sein. Daneben bilden die
häufig vorgeführten Toten- oder Familienmahle eine
eigene Klasse. Da sieht man den Mann auf seinem Lager
mit der Schale in der Hand, von seinen Angehörigen
umgeben. Es ist eine Opferspende, die man dem Ab-
geschiedenen darbringt.

Das Denkmal steht also immer in Beziehung zum
Verewigten, es spricht seine eigene beredte Sprache, es
individualisirt, obwohl daneben gewiss auch beziehungs-
lose Marktware in Verwendung stand.

Größere Denkmäler jüngeren Datums tragen die Ge-
stalt von Tempelchen oder, wie namentlich in Attika,
die seltsame Form der Lekythos, jener Flaschen, mit deren
geweihtem Öl die Gräber besprengt wurden. Auch die
insbesondere auf Inseln errichteten Denksteine mit der
Darstellung eines einsamen trauernden Mannes, daneben
etwa ein Schiff, sind als Erinnerungen an einen Schiff-

brüchigen aufzufassen und gehören daher gewissermaßen
auch zu den Grabmälern.

Dass es den Hellenen in diesen mannigfaltigen
Formen nicht an Luxus gebrach und die zunehmende
Zierlust der Totenstätte dem Geschmacke überlieferter
Einfachheit schlecht behagte, erfahren wir schon aus
Solon's Verbot, Grabdenkmäler mit Stuck zu überziehen.
Erst im vorigen Jahre ward neuerlich auf einer der Inseln
des ägäischen Meeres eine Inschrift gefunden mit dem
Bruchstück eines Gesetzes, welches dem Luxus des Gräber-
kultes durch Androhung von Geldstrafen entgegentritt.
Gleichzeitig duldete man auch in Athen noch keine
prächtigen Denkmäler auf Gräbern.

Aber die Kunstfreude, vielleicht auch die Eitelkeit,
ist immer stärker als die schönsten Gesetze. Die später
aufkommenden Sarkophage werden zum eigentlichen
Arbeitsfeld des Plastikers. Er hat, da es sich nun nicht
mehr um vergängliche Holzsärge, sondern um freistehende
Denkmale handelte, den ursprünglich nur aus Kränzen
lebender Blumen bestehenden Schmuck in edlen Stein zu
übertragen. Cyprische Holzsärge hatten schon in vor-
alexandrinischer Zeit große metallene Löwenköpfe auf-
zuweisen, die zur Befestigung derartigen freilich vergäng-
lichen Zierats gedient haben mögen. Übrigens fanden
sich in der Krim auch Bruchstücke von Holzsärgen, wie
sie Cypern und den griechischen Kolonieen SUdrusslands
eigen sind, kunstvoll geschmückt durch eingelegte und
geschnitzte Arbeit von Holz und Elfenbein.

(Fortsetzung folgt.)

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Entwurf zu einem Diplom für die Berliner Gewerbeausstellung 1800 von Gustav Wittig, Charlottenburg.
 
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