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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Leisching, Julius: Das Grabmal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0104
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Holzschnitzerei aus einem Patrizierhause in Lüneburg 1591.

DAS GRABMAL.

VON JULIUS LEISGHINa.

I. Altertum.

|ON Ägypten durch Vermittelung Phöni-
ciens lernt, wie wir sahen, der klein-
asiatische Grieche die Form des Sarkophags
kennen. Menschengestaltete ähnlich den
früher erwähnten ägyptischen hrachte
auch der berühmte sidonische Fund vor
neun Jahren zu Tage; zwei derselben scheinen in jenem
Lande gefertigt zu sein, ein dritter aber verbindet mit
der ägyptischen Mumiengestalt griechische Gesichts-
bildung.

Mit der Zeit Alexander's des Großen, mit der Er-
oberung des Orients wächst wie im Leben so auch im
Tode der Luxus. Bald bevölkern sich die Wandflächen
der marmornen Särge mit den mannigfaltigsten Dar-
stellungen, die sich von der ängstlichen Nachahmung der
Hausfassaden losgesagt und eine Welt beziehungsreicher
aus Eeligion und Poesie geschöpfter Bilder vorzuführen
haben. Die alte puritanische Schlichtheit, aber auch das
Persönliche, Intime ist geschwunden und vergessen.
Vollendetste Künstler, nach deren Namen wir vergeblich
fragen, schaffen köstliche Werke, z. B. den berühmten
Alexandersarkophag, der 1887 in Saida, dem alten
phönicischen Sidon, gefunden wurde und heute in Kon-
stantinopel steht. Man glaubt ihn dem 4. vorchristlichen
Jahrhundert zuschreiben zu dürfen. Der Deckel erinnert
auch hier an Haus- oder Tempeldächer. Aber den Giebeln
fehlt es nicht mehr an figürlichem Schmuck, und die
ornamentalen Einzelheiten halten sich frei von jeder
Tendenz. Sie bilden bei allem Keichtum nur den ruhigen
Eahmen für die bewegten Jagd- und Kriegsscenen der
vier Flächen.

Ebenfalls dem 4. Jahrhundert wird der nicht minder
berühmte Wiener Amazonensarkophag zugeschrieben, der
für den schönsten, wenn nicht ältesten der bekannt ge-
wordenen griechischen Marmorsarkophage gilt. Er erinnert
noch deutlicher an Gebäudeformen. An Stelle der Pfeiler,
die ihn umrahmen, kamen andernorts auch karyatiden-
artige Eckflguren vor, ebenfalls aus der Architektur in
die Plastik herübergenommen. Seine Eeliefs zeichnen

(Schluss.)

sich durch glänzende Komposition ebenso sehr wie durch
vorzügliche Gruppirung aus, die um so seltsamer ge-
nannt werden muss, als die Darstellung auf je zwei
Langseiten und je zwei Schmalseiten immer dieselbe
und doch nicht identisch ist. In der Mitte der Lang-
seiten sehen wir einen verwundeten Griechen zu Boden
gestürzt. Sein Genosse bewahrt ihn vor der an-
dringenden Amazone. Eechts und links davon je ein
Paar kämpfender Griechen und Amazonen. Auf den
Schmalseiten hat sich ein Grieche gegen den doppelten
Angriff einer berittenen und unberittenen Amazone zu
verteidigen. Das Verhältnis zwischen Pferd und Menschen
entspricht der Natur. Die Wiederholung derselben Dar-
stellung auf je zwei Seiten ist gewiss nicht in der
geistigen Armut des Künstlers begründet, sondern wird
gleich wie der symmetrische Aufbau der Komposition auf
den Langseiten einer bewussten dekorativen Absicht zu-
geschrieben. Das ganze prächtige Monument ist aus
einem Blocke pentelischen Marmors gefertigt und gilt
als attische Arbeit.

Während die älteren cyprischen Sarkophage zum
Schutze gegen die Feuchtigkeit der Grabkammern auf
Füße gestellt waren, fehlen diese in Griechenland, weil sie
schon in Kleinasien durch höhere Steinsockel, auf welchen
die Särge ruhten, ersetzt worden waren. Durch diese all-
seitig freie Erhöhung war ja der Sarkophag erst zum wirk-
lichen Denkmal geworden, an welchem mit der Zeit der
Bildhauer den Baukünstler und seine struktiv architek-
tonischen Formen mehr und mehr in den Hintergrund
drängte, um selbst desto besser zur Geltung zu gelangen.

Die von allen Seiten frei sichtbare, erhöhte Auf-
stellung zwang den Künstler, nunmehr die Eeliefs nicht
bloß auf der Vorderfläche, sondern auf allen vier Seiten
anzubringen. Allerdings mussten sich die Nebenfiächen
vorderhand noch mit schlichterem Schmuck, etwa in
Nachahmung von Fruchtschnüren und Blumengewinden, be-
gnügen. Es ist ja überhaupt einer der vielen Euhmestitel
griechischer Antike, dass sie nichts unnötig, nichts über-
flüssig und aufdringlich thut. Auch der Sarkophag-
 
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