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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Leisching, Julius: Das Grabmal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0105
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DAS GRABMAL.

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Holzschnitzerei aus einem Patriziern!

Patrizierhauso in Lüneburg 1591.

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schmuck zeigt die Feinheit des hellenischen Reliefstiles,
der Vieles durch Weniges sagt, die ßruppirung nie
verwirrt und häuft, selten oder fast nie mit Über-
schneidungen und Perspektiven arbeitet und
sich der Gesetze der Flachmusterung bewusst
bleibt. Es ist, wie schon erwähnt, der recht
eigentlich dekorative Wappenstil, dem wir auch
hier, z. B. in der Darstellung von zwei Greifen
vor einer Vase u. dergl., begegnen. Noch ordnen
sich bei all ihrer Beliebtheit die figürlichen
Kompositionen im Gegensatz zu heute den Ge-
samtverhältnissen unter. Es ist wie alle Kunst
der Griechen im guten Sinn des Wortes deko-
rative Kunst, die hier herrscht — das Einzelne
im Ganzen erwogen, durch das Ganze erst zur
Geltung gebracht.

Die römischen Sarkophage, von denen aus
republikanischer Zeit nur wenig, dagegen aus
der Kaiserzeit eine außerordentlich große Zahl
erhalten ist, unterscheiden sich wesentlich und
nicht zu ihrem Vorteil von den hellenischen.
Die ältesten zeichnen sich wohl noch durch
Ruhe und Klarheit ihrer flachen Reliefs aus,
die späteren meist erst seit dem 2. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung datirenden und in ihrer
überwiegenden Mehrheit aus Rom stammenden
Sarkophage verleugnen die ursprünglich fast ge-
setzmäßige architektonische Gliederung gänzlich.
In ihrem Aufbau untereinander sehr ähn-
lich, treten bei ihnen an Stelle kräftiger
Profilirung unbedeutende zierlose Leisten,
die Dachform des Deckels verschwindet, an
Stelle der Akroterien stellen sich Masken
ein, das Bildwerk herrscht vor. Doch wird
mit ihm nur die Vorderseite, höchstens noch
die Nebenflächen geschmückt, dafür aber auch
der vordere Rand des Deckels reliefirt mit
Ornamenten oder Figürlichem, das zur Dar-
stellung der Hauptfläche passt. Hier an der
Vorderseite, gerade weil auf sie beschränkt,
drängt sich nun alle Pracht und mit wach-
sendem Luxus in überschwänglicher Fülle
zusammen. Die guten Überlieferungen helle-
nischen Reliefstiles verblassen mehr und mehr.
Begannen schon die Kapitale der Säulen sich
mit ganzen Rüstkammern von Trophäen, mit
vollen Gestalten zu überladen, so können
auch die Bildflächen der Sarkophage nicht

Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 6.

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Holzschnitzereien aus
Lüneburg 1591.

länger zurückbleiben. Auch sie werden überfüllt mit
vielfach sich deckenden, einander verdrängenden Figuren.
Das Relief schwillt in die Höhe, ja es legen sich so-
zusagen verschiedene Reliefschichten übereinan-
der zu Gunsten einer Effekt haschenden, auf
plumpere Sinne wirkenden Prachtliebe. So bleibt
denn kein noch so kleiner Raum leer, auf dem
das Auge ausruhen oder nach Ansicht jener
Künstler der Beschauer eine Armut an Einfallen
voraussetzen könnte. Dass nach wie vor die
Farbe in ihre Rechte trat, wie zahlreiche Spuren
erweisen, 'ist noch das Erfreulichste daran.

Ruhe und Ebenmaß aber sind gewichen.
Der Grundzug des Ornamentalen, Dekorativen
ist dem einzelnen sich vordrängenden Motiv zu-
lieb beseitigt. Die Darstellung spricht nicht
mehr durch Typen, sondern durch Massen. Ja,
man verfällt darauf, die Köpfe jetzt häufig un-
ausgeführt zu lassen, um ihnen erst später die
Züge des Verstorbenen zu geben. So hat man
im Mittelalter an Familiengrabplatten dann auch
die Jahreszahlen ausgelassen, um sie je nach
Bedarf einsetzen zu können.

Dafür ist freilich der Kreis der Vorstel-
lungen bedeutend erweitert. War in Griechen-
land die Zahl der ganz unverzierten oder doch
nur mit Ornament und Blumenschmuck ausge-
statteten Denkmäler größer als die mit reicher
Plastik geschmückten, so tritt uns nun in
Rom das umgekehrte Verhältnis entgegen.
Hier sprengt die Plastik das architektonische
Gefüge, die Hauptform selbst wandelt sich
durch Abrundung der Ecken zum hässlichen
ovalen, wannenartigen Trog.

Die Ursache dieser Veränderung liegt
nicht nur in der Verwilderung des römischen
Geschmackes, sondern noch mehr in dem
Umstände, dass die Sarkophage nicht mehr
wie einst in Kleinasien und auf griechischem
Boden Freidenkmäler waren, sondern wie bei
den Etruskern in unterirdischen Grabkammern
verborgen wurden, wo nur die Vorderseite
und höchstens die Nebenflächen gesehen wer-
den konnten.

Diese unterirdischen Massengräber —
von den Denkmälern der Kaiser war schon
die Rede — sind eine den Römern eigen-
tümliche Grabform, deren taubenschlag-

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