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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Leisching, Julius: Das Grabmal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0106
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DAS GRABMAL.

artiges Aussehen durch ihren Namen Columbarium am
besten gekennzeichnet wird. Sie sind baulich durch
nichts ausgezeichnet, erhielten aber durch Stuck und
Bemalung eine angemessene Zierde. Die Privatgräber
der Vornehmeren, deren hier noch gedacht werden muss,
bevor wir einen Blick auf den Keichtum der bildlichen
Sarkophagdarstellungen werfen, ähnelten meistens einer
viereckigen mit Säulen umstellten Kapelle, der ein-
fachere Typus mit zwei Pfeilern und zwei Säulen
oder nur mit Pilastern. Es sind Familiengrabstätten
aus einer oder zwei übereinander liegenden Kammern
bestehend, mit Nischen für die Aschenkrüge. Leider ist,
wenigstens an der gerühmten Via Appia, das meiste vom
Zahn der Zeit arg angegriffen. Wie tief der Geschmack
beim Einzelnen im selben Maße sinken konnte als die
Eitelkeit stieg, zeigt die Pyramide des Cestius. Schon
das Zurückgreifen auf längst überholte, an sich eher

loseren Einblick in den Gräberkult der Römer, der sie
auf ihren Eroberungszügen begleitete. Des Denkmals
zu Igel bei Trier ward bereits gedacht. Hier sei noch
eines anderen Erwähnung gethan, das wegen seiner selt-
samen Gestalt Beachtung verdient. Es ist das soge-
nannte Heidenthor bei Petronell.

Das Heidenthor nächst Carnuntum in Niederöster-
reich, dem alten Festungs- und Hafenort der Körner an der
oberen Donau, ist ein mächtiger über die Ebene aufragen-
der Kundbogen in Form eines viereckigen riesigen Thor-
gebäudes, von dem aber nur mehr zwei Pfeiler aufrecht
stehen. Genaue Untersuchungen und Ausgrabungen haben
ergeben, dass es sich auch bei diesem bisher rätselhaften
Bauwerk um den letzten Rest eines römischen Grab-
mals handelt.

So selten Grabdenkmäler in dieser Form sein mögen,
so lag sie doch dem Altertum nicht so ferne, als man



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Jubiläumsmedaille zum 70. Geburtstage lies Großherzogs von Baden;
entworfen von Prof. Run. MATER, Karlsruhe, ausgeführt von der Stuttgarter Metallwarenfabrik von Willi. Mayer & Fr. Wilhelm.

mächtige als schöne Formen war kein glücklicher Ge-
danke. Die Verbindung mit der Bildsäule des Toten
und den in ihren Resten noch erhaltenen Säulen ist kaum
zu enträtseln. Bei den Mausoleen der Kaiser war die
harmonische Vereinigung der Pyramide mit dem Hallen-
bau weit besser gelungen gewesen.

Ein viel reicheres Bild gewährt wiederum Pompeji
in seiner Gräberstraße, wo, wie ja sonst auch in den
Malereien des Hauses der Lebenden, griechischer Einfluss
so mannigfach bemerkbar. Hier sehen wir neben Kapellen
und Oippen auch Altäre als Grabmal auf entsprechendem
Unterbau erhöht, dann Nischen mit halbrundem Stein-
sitz vorsorglich so angelegt, dass der Sitzende im
Winter die Sonne und im Sommer den Schatten ge-
nießen kann.

Zahlreiche Denkmäler diesseits der Alpen bieten
nicht minder, wenn auch häufig künstlerisch bedeutungs-

glauben möchte. Liebte doch gerade der Römer solche
Thorgebäude als Ehrenmale zu errichten, in erster Linie
freilich als Siegeszeichen. Rom hat uns deren mehrere
überliefert, die als Triumphbogen bei festlichem Einzug
dienten und aus Augenblicksdekorationen monumen-
tale Erinnerungszeichen wurden. Es ist also der Ge-
danke nicht abzuweisen, dass ihre Verwendung auch
für die Ewigkeit, für die Stätte des Verewigten dem
Altertume geläufig war. Fand doch die Pietät unter
einem ganz anderen Himmelsstrich denselben Ausdruck.
Es haben nämlich die Triumphbogen und das Heiden-
thor in einer viel älteren Sitte der Chinesen ihren Vorläufer
gehabt. Auch in China wird nämlich der Verstorbene
durch Aufrichtung eines frei stehenden, reich geschmückten
Portales geehrt. Diese Pailoo, deren indisches Urbild
man in dem berühmten Thorweg von Sanchi zu erkennen
glaubt, sind Holzgerüste aus zwei oder vier Pfosten, die
 
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