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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Leisching, Julius: Das Grabmal, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0107
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DAS GRABMAL.

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einen friesartigen Querbalken mit der Inschrift tragen.
Sonst anderen Thüranlagen und Durchgängen ähnlich,
wie sie keinem Tempel fehlen, unterscheiden sich diese
Ehrendenkmäler von ihnen dadurch, dass man sie auf
eine Plattform stellt und unter dem schützenden Dach
als Krönung des Gerüstes einen Sarg anbringt. Eeliefs
und Fresken vollenden den Schmuck dieses seltsamen
Totenmales. —

Es erübrigt nun nur noch der bildlichen Darstel-
lungen zu gedenken, mit denen das Altertum seine
Sarkophage zu schmücken pflegte.

Wie sehr der hellenische Künstler hierin Maß zu
halten sich bemühte, ward
schon berührt. Die Zahl
seiner Motive ist in Folge
dessen geringer als bei den
Kömern. Aber eines ver-
schmähte auch er nicht selbst
an so ernster Stelle: das
fröhliche Walten echt „heid-
nischen" Humors. Seine Ero-
tenbilder, die er besonders
bevorzugte, atmen Frische
und Schalkhaftigkeit. Da
sehen wir die heiteren Kin-
der z. B. bei einem Gelage.
Sie haben anscheinend dem
Trunk schon eifrig zuge-
sprochen, wie man an ihren

ausgelassenen Gebärden
sieht. Indes der Eine aus
einer Spitzamphora neuen
Wein in den Mischkrug gießt,
bläst sein Nachbar voll Über-
mut auf der Doppelflöte in
Gesellschaft eines Dritten,
der die Becken schlägt. Zwei
Paare, die darnach zu tanzen
versuchen, verraten schon
ein bedenkliches Schwanken,
was die Nüchternsten mit der
Fackel veranlasst, zur Heim-
kehr zu mahnen.

Je weniger derartige Kompositionen zum Ort ihrer
Verwendung zu taugen scheinen, um so deutlicher wird
das Bestreben des antiken Künstlers, durch Anmut, die
nie der Würde entbehrt, über den Ernst des Augenblicks
hinwegzutäuschen.

Ähnlicher Humor war auch dem Sohne des Mittel-
alters, der die geweihten Orte mit den naivsten Dar-
stellungen bevölkerte, bekanntlich durchaus nicht unge-
läufig. Mutet uns solche Naivetät befremdend und un-
begreiflich an, so müssen wir uns daran erinnern, dass
aus den Werken jener vergangenen Zeiten eben die rechte,
allen damaligen Zeitgenossen verständliche Volkskunst

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Kx libris-Zeichen, entworfen von G. Otto, Berlin.

spricht, während unsere moderne Kunst seit den Tagen
der Renaissance eigentlich nichts weniger als dieses zu
sein behaupten darf, vielmehr den Vorstellungen der
oberen Zehntausend allein zu entsprechen sich begnügt.
Führen griechische Sarkophagbilder die Hören vor,
so verstand der zeitgenössische Deschauer den geistigen
Zusammenhang mit dem Wandel der Jahreszeiten, dem
beständigen Wechsel von Finsternis und Licht und der
Vergänglichkeit menschlichen Daseins.

Andererseits bedurfte es keines größeren Verständ-
nisses, um Freude an den häufigen Jagdscenen und
Anteil an den Kämpfen z. B. gegen die Amazonen auf

dem genannten Sarkophage
zu nehmen. Neben ihnen
finden wir auf griechischen
Keliefs besonders Herakles,
Achill, die Dioskuren und
Kentauren.

Koni schöpft seinen be-
deutenden Vorrat an Motiven
namentlich aus dem Heroen-
mythus. Häufig sind die
Parallelen mit den poetisch
verklärten Gestalten der Tra-
gödien. Der Abschied des
Achilles kehrt öfters wieder.
Adonis'Tod, Aktäon's Schick-
sal, der Raub der Leukippi-
den, Endymion und Selene,
Iphigenie und Orestes, der
rasende Lykurgos, Marsyas'
Wettstreit mit Apollon, Ja-
son und Medea, die Niobiden,
Phädra konnten sämtlich auf
allgemeines lebhaftes Ver-
ständnis rechnen. Sehr nahe
lag die häufige Darstellung
des Kaubes der Persephone,
galten doch die Toten als
Demeterkinder; nichts eig-
nete sich für den Schmuck
ihrer Ruhestätte so sehr als

eben diese Erinnerung an die Unterwelt. Daneben fehlen
aber auch die Hochzeitsbilder nicht. Und die Eroten-
darstellungen erfreuten sich derselben Beliebtheit wie in
Griechenland, namentlich auf Kindersärgen. Da sehen
wir die Knaben als Jäger, kämpfend und arbeitend,
bei der Ölbereitung oder Ernte, eifernd und selbst
im Cirkus. Sie vergegenwärtigen auf das Liebens-
würdigste alle Thätigkeiten des menschlichen Lebens,
ihre Neigungen und Schicksale. Bezeichnender Weise
fehlen nur die Sterbescenen ganz. Auch der Römer liebte
die Erinnerung an den Tod nicht. Dass sich dafür aber
Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen selbst auf Sarkophage
verirrten, beweist den Niedergang des guten Geschmackes.

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