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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Rücklin, Rudolf: Die Seele des Materials, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0119
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102

DIE SEELE DES MATERIALES.

den Formen in der Behandlung
des Materials unnatürlicher wer-
den, als je zuvor. Noch viel
mehr wäre bei dem großen Pub-
likum ein eingehenderes Verständ-
nis und gerechtere Würdigung
der . Schönheiten des Materiales,
oder — ich will mich deutlicher
ausdrücken —, des echten Mate-
riales, zu wünschen. Damit wäre
einer höheren Wertschätzung des
Kunstgewerbes und einer ver-
nunftgemäßen Beschränkung der
Imitation in demselben der Weg
gebahnt.

Es giebt Stoffe verschiedener
Herkunft; das will sagen, es
giebt solche, welche die Natur
dem Kunsthandwerker fertig in
die Hand giebt, und solche, die
erst umständliche, technische Pro-
zesse durchzumachen haben, ehe
an eine künstlerische Verarbeitung
gedacht werden kann. Je nach
der Herstellungsart des gebrauchs-
fähigen Stoffes werden seine tech-
nischen Gesetze, wird sein künst-
lerischer Charakter wechselnd und
verschieden sein. Einer von die-
sem Gesichtspunkt ausgehenden
Betrachtung stellen sich die ver-
schiedenen Steinarten zunächst als
fertig von der Natur dargebotene
Masse dar. Kein Stein ist einer
physischen Umarbeitung zu künst-
lerischen Zwecken fähig: Es ist
uns nur seine Oberfläche zugäng-
lich, die wir behauen oder schlei-
fen können. Wenn ich das ge-
samte Mineralreich, so weit es
für unsere Zwecke in Frage
kommt, in Steine, Halb- und
Ganzedelsteine einteile, so fallen
unter die erstere Bezeichnung alle
Minerale von sichtbar-körniger
Struktur, also Sandstein, Granit,
Porphyr, Marmor,
während die beiden
letzten Klassen lau-
ter Stoffe ohne er-
kennbares Gefüge
enthalten, wenn sie
auch vielfach wech-
selnde Schichtung
oder Zusammenset- nokokopostament,

in Holz geschnitzt vom Hofbildhauer Ad. Hofi'Mann in Berlin.

zung aufweisen. Wir werden
nunmehr diejenigen Steine, deren
Schönheit wesentlich in gleich-
mäßig-deutlicher Struktur, also
im Korn, besteht, nicht schleifen,
sondern behauen, denn der Schliff
zerstört eben das Korn. Wir
werden den Angriff der Arbeits-
instrumente einerseits, als auch
besonders die Bruchnarbe der los-
gesprengten kleinen und kleinsten
Teilchen sichtbar stehen lassen.
Besonders schön- und vielfarbige,
geäderte, gewölkte, geflammte
Steinarten werden sich besser für
die Behandlung des Schleifens
eignen: Das Muster wird deut-
licher und als weiteres Moment
tritt noch der dadurch hervor-
gebrachte Glanz zur Farbe. Darum
schleifen wir die verschieden ge-
zeichneten Marmorsorten, wie
auch den Granit, Syenit, Porphyr
etc. Die krystallinischen Gesteine
schließen einesteils durch ihre
Härte, andernteils durch ihre farb-
lichen Eigenschaften jede andere
Behandlung als die glanzgebende
des Schleifens aus. Ich erinnere
an die verschiedenen Arten des
Achates, die nur in geschliffenem
Zustande ihre herrlichen Eigen-
schaften voll zur Geltung bringen.
Was hier besonders reizvoll ist,
die mannigfaltige Zeichnung, fehlt
den Ganzedelsteinen; dafür haben
sie eine außerordentlich starke
Lichtempfänglichkeit, die zur
höchstmöglichen Wirkung zu stei-
gern das vornehmste Bestreben
der Steinschleiferei zu allen Zeiten
war. — Auch das Holz liefert
die Natur zur Bearbeitung fertig;
aber welcher Unterschied in der
organischen [ Zusammensetzung!
Hier ist kein Korn, sondern wech-
selnde Faser-
schichten, keine
Lagerung, wie
bei manchen Stei-
nen, sondern
Wuchsriclitung;
daher kommt es
sehr viel darauf
an, wie ein hol-
 
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