Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

DOI Artikel:
Rücklin, Rudolf: Die Seele des Materials, [1]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0120
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zernes Arbeitsstück zurecht ge-
schnitten wird: Durch die wech-
selnde Sichtung des Schnittes
gegen die Faser, als deren Er-
gebnisse sich das Adern- und
Hirnholz, wie die sog. Flader, dar-
stellen, kann die Schönheit des
verarbeiteten Materiales in mannig-
faltiger Weise gesteigert, bezw.
in neuem Lichte gezeigt werden.
Auch bei Holzschnitzarbeiten ver-
mag die in den verschiedensten
Richtungen zerschnittene Holzfaser
mit ihrer gedämpften Zeichnung
das heimliche Leben des Stoffes
unter der Form trefflich zum Aus-
druck zu bringen. Da das Holz
stets geschnitten werden muss, sei
es nun mit Schnitzmesser, Säge
oder Hobel, so ist eine glatte Be-
handlung der Oberfläche mit mehr
oder weniger Glanzgebung die pas-
sendste Art der Fertigstellung.
Seine Porosität fordert zudem, zur
Abwehr von Staub und Feuchtig-
keit, schon von selbst auf zum
Einlassen mit Wachs, Öl oder Fir-
nis, oder zum Beizen. Außerdem
ist die tiefe, gesättigte Farbe, die
durch jene Prozeduren, vorweg
durch das eigentliche Poliren, so
wesentlich gehoben wird, ein Haupt-
vorzug der edeln Hölzer, denen
wir auch weniger kostbare Holz-
arten im Aussehen möglichst nahe
zu bringen bestrebt sind. Die
Arbeit in gebogenem Holze, in der
neuerdings namentlich leichtere
Sitzmöbel gefertigt werden, und
zu der wir in weiterem Sinne auch
die Korbflechterei rechnen müssen,
verzichtet großenteils auf die be-
lebende Zeichnung der durchschnit-
tenen Holzfaser und muss daher
diesen Mangel durch starke Krüm-
mung und Schweifung ihrer ein-
zelnen Teile, bezw. durch reiche
Musterung und Färbung zu er-
setzen suchen. Eine holzähnliche
Textur hat auch das Elfenbein,
dessen schwache Maserirung ich,
neben dem einschmeichelnden Ton
und der Politurfähigkeit, durch-
aus zu seinen speciellen Vorzügen
rechne, da sie namentlich figürliche

DIE SEELE DES MATERTALES.



<■,«*■

Rokokouhr, in Hol* geschnitzt tob Hofbildlianer

AD. HOFKMANN 111 Berlin.

103

Schnitzereien viel lebendiger er-
scheinen lässt, als dies bei einer
durchaus homogenen, weißen Masse,

— man denke an den Gypsguss

— der Fall wäre. — Einzelnen
Gliedern des Tierreiches verdanken,
wir das Leder, das, nachdem es
erst eine ziemlich umständliche Be-
arbeitung durchgemacht hat, seine
Vorzüge der Elasticität und festen,
Zähigkeit unveränderlich beibehält.
Um das spielende Leben seiner
Oberfläche zu erhöhen, wird es
chagrinirt, d. h. künstlich mit Kör-
nung versehen. Leder ist der einzige
Stoff, bei dem wir das bloße Pres-
sen als eigentlich künstlerisches
Dekorationsmittel ansehen dürfen:
Denn die oben erwähnten Eigen-
schaften stellen dieser Prozedur
einesteils einen lebendigen Wider-
stand entgegen, nach dessen Über-
windung sie wiederum zur Erhal-
tung der einmal gegebenen Form
beitragen. Auf der gleichen Grund-
lage beruht auch die eigentümliche
Schönheit der Lederschnitt- und
Treibtechnik. Die Metalle finden
wir äußerst selten in gediegenem,
vielmehr meistens in verunreinig-
tem, bezw. versetztem Zustande in
der Erde. Die absolute Gleich-
mäßigkeit der Masse, eine der
ersten Erfordernisse für ihre Ver-
arbeitung, muss durch mehr oder
weniger komplizirte Prozesse er-
reicht werden, deren wichtigster
das Schmelzen ist. Und das ist,
neben dem Treiben, auch die haupt-
sächlichste Bearbeitungsweise des
Metalls überhaupt. Wir können
also hier eine durchgreifende Än-
derung des Aggregatzustandes her-
vorbringen, indem wir denselben
von klingender, starrer Härte zur
Heißflüssigkeit überführen. Es ist
das für die Technik enorm wichtig,
da sich hierdurch diese Stoffe mit
großer Leichtigkeit in jede ge-
wünschte Form bringen lassen.
Aber wie es im Kunstgewerbe so
oft geht, so auch hier: Eine tech-
nische Erleichterung bringt einen
ästhetischen Mangel mit sich; vom
künstlerischen Standpunkt aus

14*
 
Annotationen