DIE MENSCHLICHE FIGUR ALS DEKORATIVES ELEMENT.
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Form einer Birne dargestellt: seine wortlose, aber über-
zeugende Verteidigung bestand in der Vorführung einer
langen Seihe von Zeichnungen, deren erste das wohl-
gelungene Porträt des Königs, deren letzte die in-
kriminirte Birne darstellte: die Übergänge waren so
allmählich, dass zwei aufeinanderfolgende Zeichnungen
sich nicht von einander zn unterscheiden schienen.
Ganz ebenso erging es den zahlreichen, vermeint-
lich naturgetreuen Darstellungen der menschlichen Figur
bei primitiven Völkern. Ob sich allerdings die heute
bei denselben üblichen Gefäßformen auf jene ersten
tierischen und menschlichen Gestaltgebungen zurückführen
lassen, dürfte kaum zu entscheiden sein; aber immerhin
Steinen „Unter den Naturvölkern Centralbrasiliens"
werden an Ornamentirnngen von Schilden, keramischen
Gegenständen und verschiedentliehen anderen Gerät-
schaften dieser primitiven Völker zahlreiche rein geo-
metrische Motive auf Menschendarstellungen, Fisch-
zeichnungen etc. in überzeugender Weise zurückgeführt.
F. Grabowshy zeigt in einem schätzenswerten Aufsatz,
Grundtypus und Endresultat" (im „Internat. Archiv für
Ethnographie", Bd. VII, 1894) an holzgeschnitzten
Kalkspachtelgriffen der Südseeinsulaner aufs klarste den
interessanten Übergang von Götzenfiguren zu äußerst
komplizirten linearen Ornamenten: die ursprünglich
allein in kauernder Stellung dargestellte menschliche
Altes Balkongitter vom ehemaligen Regierungsgebände in Konstanz. Gezeichnet von C. Bethäuseh,
Gewerbelehrer in Mannheim.
ist es denkbar, dass diese letzteren neben zweckdienlichen
Momenten die späteren Formen beeinflusst haben. Aber
vollkommen überzeugend klar sprechen die Dank der
sorgfältigen Forschung einiger Ethnographen in ununter-
brochener Kette vor uns liegenden Eeihen einzelner
Ornamentformen von primitiven Völkern für den all-
mählichen Übergang von der naturalistischen Darstellung
der menschlichen Figur zum stilisirten, schließlich rein
geometrischen Ornament. Die hierher gehörigen Arbeiten
sind nicht zahlreich, ist doch diese ganze für die Ent-
wicklungsgeschichte der Ornamentik ungemein wichtige
Forschung erst wenige Jahre alt; was bisher darüber
geschrieben wurde, sei hier genannt:
In dem trefflichen Werke des Prof. Dr. G. von den
Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 7.
Figur erhält aus Symmetrierücksichten und um eine be-
quemere Handhabung zu gewähren, ein gleichgeformtes
Vis-ä-vis; die Arme der beiden Gestalten verschränken
sich ineinander, die Köpfe und Barte nähern sich, bis
sie zu einer Linie zusammenschmelzen: schließlich er-
innern nur mehr die beiden Augenpunkte in dem kom-
plizirten, unseren Kerbschnittmustern ähnlichen Ornamente
an seinen Ausgangspunkt, die menschliche Figur. In
ähnlicher Weise führt Dr. P. Ehrenreich in seinen „Bei-
trägen zur Völkerkunde Brasiliens" (Veröffentlichungen
aus dem kgl. Museum für Völkerkunde in Berlin,
2. Band, 1891) rein geometrische Rudermuster der
Brasilianer auf Fischdarstellungen, und andere der-
artige Ornamente auf Zeichnungen von Fledermäusen,
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Form einer Birne dargestellt: seine wortlose, aber über-
zeugende Verteidigung bestand in der Vorführung einer
langen Seihe von Zeichnungen, deren erste das wohl-
gelungene Porträt des Königs, deren letzte die in-
kriminirte Birne darstellte: die Übergänge waren so
allmählich, dass zwei aufeinanderfolgende Zeichnungen
sich nicht von einander zn unterscheiden schienen.
Ganz ebenso erging es den zahlreichen, vermeint-
lich naturgetreuen Darstellungen der menschlichen Figur
bei primitiven Völkern. Ob sich allerdings die heute
bei denselben üblichen Gefäßformen auf jene ersten
tierischen und menschlichen Gestaltgebungen zurückführen
lassen, dürfte kaum zu entscheiden sein; aber immerhin
Steinen „Unter den Naturvölkern Centralbrasiliens"
werden an Ornamentirnngen von Schilden, keramischen
Gegenständen und verschiedentliehen anderen Gerät-
schaften dieser primitiven Völker zahlreiche rein geo-
metrische Motive auf Menschendarstellungen, Fisch-
zeichnungen etc. in überzeugender Weise zurückgeführt.
F. Grabowshy zeigt in einem schätzenswerten Aufsatz,
Grundtypus und Endresultat" (im „Internat. Archiv für
Ethnographie", Bd. VII, 1894) an holzgeschnitzten
Kalkspachtelgriffen der Südseeinsulaner aufs klarste den
interessanten Übergang von Götzenfiguren zu äußerst
komplizirten linearen Ornamenten: die ursprünglich
allein in kauernder Stellung dargestellte menschliche
Altes Balkongitter vom ehemaligen Regierungsgebände in Konstanz. Gezeichnet von C. Bethäuseh,
Gewerbelehrer in Mannheim.
ist es denkbar, dass diese letzteren neben zweckdienlichen
Momenten die späteren Formen beeinflusst haben. Aber
vollkommen überzeugend klar sprechen die Dank der
sorgfältigen Forschung einiger Ethnographen in ununter-
brochener Kette vor uns liegenden Eeihen einzelner
Ornamentformen von primitiven Völkern für den all-
mählichen Übergang von der naturalistischen Darstellung
der menschlichen Figur zum stilisirten, schließlich rein
geometrischen Ornament. Die hierher gehörigen Arbeiten
sind nicht zahlreich, ist doch diese ganze für die Ent-
wicklungsgeschichte der Ornamentik ungemein wichtige
Forschung erst wenige Jahre alt; was bisher darüber
geschrieben wurde, sei hier genannt:
In dem trefflichen Werke des Prof. Dr. G. von den
Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 7.
Figur erhält aus Symmetrierücksichten und um eine be-
quemere Handhabung zu gewähren, ein gleichgeformtes
Vis-ä-vis; die Arme der beiden Gestalten verschränken
sich ineinander, die Köpfe und Barte nähern sich, bis
sie zu einer Linie zusammenschmelzen: schließlich er-
innern nur mehr die beiden Augenpunkte in dem kom-
plizirten, unseren Kerbschnittmustern ähnlichen Ornamente
an seinen Ausgangspunkt, die menschliche Figur. In
ähnlicher Weise führt Dr. P. Ehrenreich in seinen „Bei-
trägen zur Völkerkunde Brasiliens" (Veröffentlichungen
aus dem kgl. Museum für Völkerkunde in Berlin,
2. Band, 1891) rein geometrische Rudermuster der
Brasilianer auf Fischdarstellungen, und andere der-
artige Ornamente auf Zeichnungen von Fledermäusen,
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