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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Rücklin, Rudolf: Die Seele des Materials, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0144
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DIE SEELE DES MATERIALES.

begrenzter Strich, der, normale Stellung des Beschauers
angenommen, ziemlich nahe an der Säulenmitte herunter-
zieht, wodurch die sonst gewohnte Trennung in eine
Licht- und Schattenhälfte weniger deutlich sich aus-
spricht. — Die Einzelheiten der Form werden durch den
Glanz unleugbar weniger klar, das Ganze aber um so ,
lebendiger und von stärkerer dekorativer Wirkung. Da
nun der Glanz stets durch eine besondere Art der Be-
arbeitung hervorgebracht wird, seine Art und Stärke
also im Willen des Ausführenden liegt, so ist darauf

Mittelteil der Parkthoraulago für Schloss Karlsburg (Besitzer Graf von Bismarck-Bohlen).
Ausgeführt in der Kunstschmiede-Werkstatt von Kd. Puls, Berlin.

Eiicksicht zu nehmen, ob die Deutlichkeit der Form oder
die Stärke der Wirkung hervorzuheben beabsichtigt wird.
Gedämpft, gemäßigt sollte der Glanz jedenfalls werden
bei figürlichen Darstellungen, die Anspruch auf eigent-
lichen Kunstwert erheben. Das wird am besten erreicht
durch freihändige Überarbeitung, Ciselirung u. dergl.,
welche gewissermaßen eine Atomisirung des Spiegels
hervorbringt, ohne doch die Fläche rauh oder matt zu
machen. (Nebenbei bemerkt, kann man bei altem Zinn-
geschirr eine ähnliche Wirkung beobachten, wenn ihre

Oberfläche durch
häufiges Scheuern
und Putzen mit
unzähligen feinen
Haarrissen und
Glanzstellen ver-
sehen worden ist.)
Allzu puristisch
brauchen wir frei-
lich in dieser Be-
ziehung nicht zu
sein; Zierstatuet-
ten, figürliche Nip-
pes mögen ruhig
im vollen Glänze
ihres Materiales
erscheinen. Wie
stilvoll das wirken
kann, das zeigen
die Meißener (gla-
sirten) Porzellan-
figürchen, die je-
denfalls stoffge-
mäßer sind, als
das glanzlose Bis-
quit, bei dem der
Stoff unnatürlich
und gezwungen er-
scheint. Nicht ohne
Bedeutung ist hier-
bei auch der Maß-
stab und der Ge-
genstand der Dar-
stellung: Ein Ko-
kokodämchen in

Handgröße in
glänzendem Por-
zellan ist reizend;
eine lebensgroße
Porträtbüste wäre

entsetzlich. —
Zum Glanz gehört

untrennbar die
Farbe. Denn eine
weiße Glanzfläche
 
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