KLEINE MITTEILUNGEN.
145
Er führte in seinem Gutachten aus, dass die Photographie
den Vorzug vor auf andere Art hergestellten Bildern habe,
dass ihre Erzeugnisse von absoluter Ähnlichkeit seien.
Von der Madonna della Sedia beständen weit über hundert
Abbildungen, aber alle seien verschieden, und das
komme eben daher, weil das Original nur zur „freien" Be-
nutzung gedient habe. Die übereinstimmende Gleichheit,
die sich in den beiden Bismarckbildern bis aufs Haar er-
strecke, spreche zwar dafür, dass der Holzschnitt mit meister-
hafter Technik ausgeführt sei, aber auch, dass eine Arbeit
vorliege, die der Verein nur als eine mechanische Nachbildung
habe anerkennen können. Der zweite Sachverständige, Pro-
fessor Köpping, war anderer Ansicht. Dem Holzschneider
wurden durch die Photographie nur die Konturen gegeben,
darauf beruhe aber noch lange nicht die Ähnlichkeit. Die
Gunsten der Holzschneider aus. Zweifellos sei jeder Holz-
schnitt ein selbständiges Kunstwerk. Im vorliegendem Falle
spreche gerade die ins Einzelne gehende Ähnlichkeit für
die Kunst des Holzschneiders. Der dritte Sachverständige,
der Xylograph Baudouin, legte dem Gerichtshofe zwei Holz-
blöcke vor. Auf dem einen zeigte sich die übertragene
Photographie der Königin von England, auf dem zweiten
eine Freihandzeichnung. Der Gerichtshof möge selbst be-
urteilen, wie viel leichter es sei, einen Holzschnitt nach der
Zeichnung auszuführen als nach der Photographie. Ferner
legte der Sachverständige dem Gerichtshofe einen fertigen
figurenreichen Holzschnitt vor und fügte hinzu, dass es ihm
unbegreiflich sei, wie der photographische Sachverständigen-
verein eine derartige Arbeit als eine rein mechanische be-
zeichnen könne. Da die Sachverständigen übereinstimmend
Konkurrenzmedaille der Stadt Dresden von Prof. Rudolf Mayer in Karlsruhe;
prämürt mit einem ersten Preise.
malerische, künstlerische Wirkung müsse der Holzschneider
erst erzielen. Früher nahm der Kupfersteeher einen „Storch-
schnabel", auch ein mechanisches Instrument, um damit
die Konturen auf seine Arbeitsfläche zu übertragen. Der
graphische Künstler leiste unendlich viel mehr als ein
mechanisches Werk. Eine Photographie biete nur eine glatte
Oberfläche, der Holzschneider müsse vertiefen, er müsse Licht-
eflekte erzeugen, wozu künstlerisches Verständnis und Auf-
fassungsgabe gehöre. Zwei Holzschneider würden nach dem-
selben Original stets verschiedene Werke liefern. Wm'de
der Gerichtshof den Holzschneidern das Prädikat „Künstler '
absprechen, so würden dadurch auch Hunderte von Malern
betroffen werden, deren ausgezeichnete Kopieen in den Aus-
stellungen mit Preisen gekrönt wurden. Der folgende Sach-
verständige, Professor Skarbina, sprach sich ebenfalls zu
bekundethatten, dass es allgemein üblich sei, zur Erleichterung
und Zeitersparnis die Photographie zu benutzen, wie es im vor-
liegenden Falle geschehen, so hielt der Staatsanwalt aus
diesem Grunde die Freisprechung des Angeklagten für ge-
boten, da er sich im guten Glauben befunden habe. Der
Verteidiger protestirte gegen eine Freisprechung aus diesem
Grunde, da die Streitfrage dadurch immer noch offen bleibe.
Der Gerichtshof erkannte auf Freisprechung, wobei der Vor-
sitzende ausführte, dass ein Holzschnitt, auf die beschriebene
Weise hergestellt, keineswegs als eine mechanische Nach-
bildung eines photographischen Werks, sondern als eine
selbständige künstlerische Herstellung unter freier Benutzung
der Photographie anzusehen sei.
145
Er führte in seinem Gutachten aus, dass die Photographie
den Vorzug vor auf andere Art hergestellten Bildern habe,
dass ihre Erzeugnisse von absoluter Ähnlichkeit seien.
Von der Madonna della Sedia beständen weit über hundert
Abbildungen, aber alle seien verschieden, und das
komme eben daher, weil das Original nur zur „freien" Be-
nutzung gedient habe. Die übereinstimmende Gleichheit,
die sich in den beiden Bismarckbildern bis aufs Haar er-
strecke, spreche zwar dafür, dass der Holzschnitt mit meister-
hafter Technik ausgeführt sei, aber auch, dass eine Arbeit
vorliege, die der Verein nur als eine mechanische Nachbildung
habe anerkennen können. Der zweite Sachverständige, Pro-
fessor Köpping, war anderer Ansicht. Dem Holzschneider
wurden durch die Photographie nur die Konturen gegeben,
darauf beruhe aber noch lange nicht die Ähnlichkeit. Die
Gunsten der Holzschneider aus. Zweifellos sei jeder Holz-
schnitt ein selbständiges Kunstwerk. Im vorliegendem Falle
spreche gerade die ins Einzelne gehende Ähnlichkeit für
die Kunst des Holzschneiders. Der dritte Sachverständige,
der Xylograph Baudouin, legte dem Gerichtshofe zwei Holz-
blöcke vor. Auf dem einen zeigte sich die übertragene
Photographie der Königin von England, auf dem zweiten
eine Freihandzeichnung. Der Gerichtshof möge selbst be-
urteilen, wie viel leichter es sei, einen Holzschnitt nach der
Zeichnung auszuführen als nach der Photographie. Ferner
legte der Sachverständige dem Gerichtshofe einen fertigen
figurenreichen Holzschnitt vor und fügte hinzu, dass es ihm
unbegreiflich sei, wie der photographische Sachverständigen-
verein eine derartige Arbeit als eine rein mechanische be-
zeichnen könne. Da die Sachverständigen übereinstimmend
Konkurrenzmedaille der Stadt Dresden von Prof. Rudolf Mayer in Karlsruhe;
prämürt mit einem ersten Preise.
malerische, künstlerische Wirkung müsse der Holzschneider
erst erzielen. Früher nahm der Kupfersteeher einen „Storch-
schnabel", auch ein mechanisches Instrument, um damit
die Konturen auf seine Arbeitsfläche zu übertragen. Der
graphische Künstler leiste unendlich viel mehr als ein
mechanisches Werk. Eine Photographie biete nur eine glatte
Oberfläche, der Holzschneider müsse vertiefen, er müsse Licht-
eflekte erzeugen, wozu künstlerisches Verständnis und Auf-
fassungsgabe gehöre. Zwei Holzschneider würden nach dem-
selben Original stets verschiedene Werke liefern. Wm'de
der Gerichtshof den Holzschneidern das Prädikat „Künstler '
absprechen, so würden dadurch auch Hunderte von Malern
betroffen werden, deren ausgezeichnete Kopieen in den Aus-
stellungen mit Preisen gekrönt wurden. Der folgende Sach-
verständige, Professor Skarbina, sprach sich ebenfalls zu
bekundethatten, dass es allgemein üblich sei, zur Erleichterung
und Zeitersparnis die Photographie zu benutzen, wie es im vor-
liegenden Falle geschehen, so hielt der Staatsanwalt aus
diesem Grunde die Freisprechung des Angeklagten für ge-
boten, da er sich im guten Glauben befunden habe. Der
Verteidiger protestirte gegen eine Freisprechung aus diesem
Grunde, da die Streitfrage dadurch immer noch offen bleibe.
Der Gerichtshof erkannte auf Freisprechung, wobei der Vor-
sitzende ausführte, dass ein Holzschnitt, auf die beschriebene
Weise hergestellt, keineswegs als eine mechanische Nach-
bildung eines photographischen Werks, sondern als eine
selbständige künstlerische Herstellung unter freier Benutzung
der Photographie anzusehen sei.