DIE MENSCHLICHE FIGUR ALS DEKORATIVES ELEMENT.
185
der Malerei, Bd. I, Fig. 107 reproduzirte Drölerie
aus den grandes heures des Herzogs von Berry), und
die nun nicht nur als
Initialverzierungauf-
traten, sondern, wo
es gerade der Laune
des Illustrators ein-
fiel, am Eande, ja
selbst innerhalb des
Textes angebracht
wurden, immer ohne
weiteren Eigenwert,
rein dekorativ. —
Diese Drölerieen nun
gingeninderspäteren
Gotik auch mit vege-
tabilischen Motiven
innige Verbindungen
ein,die sie den antiken
Grotesken nähern:
stilisirte Pflanzen-
ranken gehen z. B.
in einen langgestrek-
ten, dünnen Tierleib
über,aufdessenwurm-
förmigem Halse ein
naturwahr wiederge-
gebener menschlicher
Kopf sitzt (vergl. die
trefflichen Reproduk-
tionen mittelalter-
licher Handschriften-
ornamentik in den
von S. Turgis et fils
in Paris herausge-
gebenen Albums „Or-
namentation des Ma-
nuscrits au Moyen-
Age").
Während die mit-
teleuropäische und
namentlich die fran-
zösische Ornamentik
noch mitten in der
Spätgotik steckte,
und die Lust an ihren
Drölerieen den Höhe-
punkt erreichte, ward
in Italien bereits die
antike Kunst wieder-
geboren und mit ihr
die Hauptmotive der
späteren römischen Ornamentik: die Groteske, als deren
Regenerator Raffaels Schüler, Giovanni da Udine, anzu-
sehen ist, und die von geschäftigen Putti bevölkerte,
LT
August ^/CyXftSW
Kunstinclustrie,
stilisirte Eanke. Wohl eines der frühesten Denkmale,
das die Renaissance der antiken Ornamentik dokumentirt,
sind Pietro Tedesco's
aus dem Ende des
14. Jahrhunderts
stammendeReliefsam
Südportal des Domes
von Florenz (vergl.
Seemann's Kunsthist.
Bilderb. Nr. 111),
auf denen musizi-
rende Amoretten
die schwungvollen
Linien der Akanthus-
ranken beleben.
Während der gan-
zen kunstgeschicht-
lichen Epoche der
Renaissance — und
diese reicht in ihren
verschieden fliehen
Ent w ickelungsfor-
menbiszuder letzten,
etwas gequälten „Re-
naissance" im Em-
pirestil — bleibt nun
diemenschlicheFigur
wieder das Haupt-
motiv der Ornamen-
tik, wie in der spät-
römischen Kunst;
auch die nordische
Kunst wirft sich
jetzt mit Begeiste-
rung auf die Verbin-
dung menschlicher
und vegetabilischer
Formen, und von
Italien bis an die
Nordsee, von den
Pyrenäen bis an die
Ostsee herrscht nun
die Groteske, das
Maskaron, das Me-
daillon und die Kar-
tusche mit rein orna-
mentalen Köpfen in
der Ornamentik. —
Der Ornamentstich
verwertet mit unge-
bundenster Erfin-
dungslust, die tau-
senderlei immer neuen Verbindungen, die die rein
ornamentale menschliche Figur und die stilisirte Pflanze
eingehen können, allüberall bildet die Gestalt des
allegorische Skizze, gezeichnet von August Glaser, München.
185
der Malerei, Bd. I, Fig. 107 reproduzirte Drölerie
aus den grandes heures des Herzogs von Berry), und
die nun nicht nur als
Initialverzierungauf-
traten, sondern, wo
es gerade der Laune
des Illustrators ein-
fiel, am Eande, ja
selbst innerhalb des
Textes angebracht
wurden, immer ohne
weiteren Eigenwert,
rein dekorativ. —
Diese Drölerieen nun
gingeninderspäteren
Gotik auch mit vege-
tabilischen Motiven
innige Verbindungen
ein,die sie den antiken
Grotesken nähern:
stilisirte Pflanzen-
ranken gehen z. B.
in einen langgestrek-
ten, dünnen Tierleib
über,aufdessenwurm-
förmigem Halse ein
naturwahr wiederge-
gebener menschlicher
Kopf sitzt (vergl. die
trefflichen Reproduk-
tionen mittelalter-
licher Handschriften-
ornamentik in den
von S. Turgis et fils
in Paris herausge-
gebenen Albums „Or-
namentation des Ma-
nuscrits au Moyen-
Age").
Während die mit-
teleuropäische und
namentlich die fran-
zösische Ornamentik
noch mitten in der
Spätgotik steckte,
und die Lust an ihren
Drölerieen den Höhe-
punkt erreichte, ward
in Italien bereits die
antike Kunst wieder-
geboren und mit ihr
die Hauptmotive der
späteren römischen Ornamentik: die Groteske, als deren
Regenerator Raffaels Schüler, Giovanni da Udine, anzu-
sehen ist, und die von geschäftigen Putti bevölkerte,
LT
August ^/CyXftSW
Kunstinclustrie,
stilisirte Eanke. Wohl eines der frühesten Denkmale,
das die Renaissance der antiken Ornamentik dokumentirt,
sind Pietro Tedesco's
aus dem Ende des
14. Jahrhunderts
stammendeReliefsam
Südportal des Domes
von Florenz (vergl.
Seemann's Kunsthist.
Bilderb. Nr. 111),
auf denen musizi-
rende Amoretten
die schwungvollen
Linien der Akanthus-
ranken beleben.
Während der gan-
zen kunstgeschicht-
lichen Epoche der
Renaissance — und
diese reicht in ihren
verschieden fliehen
Ent w ickelungsfor-
menbiszuder letzten,
etwas gequälten „Re-
naissance" im Em-
pirestil — bleibt nun
diemenschlicheFigur
wieder das Haupt-
motiv der Ornamen-
tik, wie in der spät-
römischen Kunst;
auch die nordische
Kunst wirft sich
jetzt mit Begeiste-
rung auf die Verbin-
dung menschlicher
und vegetabilischer
Formen, und von
Italien bis an die
Nordsee, von den
Pyrenäen bis an die
Ostsee herrscht nun
die Groteske, das
Maskaron, das Me-
daillon und die Kar-
tusche mit rein orna-
mentalen Köpfen in
der Ornamentik. —
Der Ornamentstich
verwertet mit unge-
bundenster Erfin-
dungslust, die tau-
senderlei immer neuen Verbindungen, die die rein
ornamentale menschliche Figur und die stilisirte Pflanze
eingehen können, allüberall bildet die Gestalt des
allegorische Skizze, gezeichnet von August Glaser, München.