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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Thieme, U.: Ausstellung von Werken alten Kunstgewerbes aus sächsich-thüringischem Privatbesitz im Kunstgewerbe-Museum zu Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0216
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AUSSTELLUNG VON WERKEN ALTEN KUNSTGEWERBES.

des Jacob Mayer in Wien, die Silberteile sind in Augs-
burg gefertigt.

Unter Abteilung X führt der Katalog die Bilder
an, welche in den Ausstellungsräumen Aufnahme gefunden
haben. Bei der Auswahl derselben war hauptsächlich
der Umstand maßgehend, dass die betreffenden Bilder
dem Zeitcharakter nach zu ihrer Umgebung passen sollten,
außerdem suchte man aber aus kunsthistorischem Inter-
esse möglichst unbekannte Werke an die Öffentlichkeit
zu bringen."1)

In erster Linie sind die hervorragenden altdeutschen
und altniederländischen Bilder des Herrn Hans Felix zu
nennen. Ein anmutiges und zartes Bild ist die altköl-
nische Tafel mit der Madonna und Heiligen (Nr. 1109).
Dürer's Selbstporträt vom Jahre 1493 (Nr. 1112) wurde
schon oft in der Litteratur behandelt, eine treffliche Repro-
duktion brachte auch die kunsthistorische Gesellschaft
für photographische Publikationen in ihrem ersten Jahr-
gang. Goethe (Annalen von 1805) giebt eine begeisterte
Schilderung des Bildes, obgleich er nur die alte schwache
jetzt im Leipziger Museum befindliche Kopie sah, die damals
Hofrat Beireis in Helmstädt besaß. Interessant ist der ur-
sprünglich unvollendete erst in neuerer Zeit durch einen
Eestaurator fertig gemalte Salvator mundi (Nr. 1113). Man
pflegte das Bild, gestützt auf eine nichts beweisende Notiz
im Imhofschen Inventar von 1573/74 bislang als letztes
Werk Dürer's zu bezeichnen, aber neuerdings sind gewich-
tige Stimmen laut geworden, die das Bild mit gutem
Recht für Jacopo de' Barbari in Anspruch nehmen. Von
Memling's Hand stammt das trefflich erhaltene Porträt
eines jungen Mannes (Nr. 1111). Als eine Perle alt-
niederländischer Kunst ist die entzückende, dem ge-
wählten Vorwurf nach sehr seltene Darstellung der
Anbetung der schwangeren Maria durch Josef (Nr. 1110)
zu bezeichnen. Das bis auf einige unbedeutende Retouchen
gut erhaltene, bis in die kleinsten Einzelheiten mit
größter Sorgfalt ausgeführte ganz hervorragende Bild
wird meistens dem Hugo van der Goes zugeschrieben,
zeigt aber in Einzelheiten so nahe Verwandtschaft mit
den Werken des dem Namen nach unbekannten, hoch-
bedeutenden sogenannten Meisters der Himmelfahrt Maria,
eines Schülers oder Nachfolgers des Goes, der gegen Ende
des 15. Jahrhunderts thätig war, dass man es mit
größerem Recht vielleicht diesem Meister zurechnet.
Die außerordentlich reizvolle, mit der Feinheit eines
Miniaturisten ausgeführte kleine Tafel mit Christus am
Kreuz (Nr. 1114) wird auch besser als altholländisch,
ohne nähere Bezeichnung, geführt, denn von Gerard von
der Meire, den man als Meister nennt, ist nicht ein ein-
ziges beglaubigtes Bild vorhanden, auf das gestützt man
die Zusehreibung an denselben rechtfertigen könnte. Herrn
Hans Felix gehören auch die beiden kostbaren Evangeliar-

1) Die in die Ausstellung aufgenommenen Bilder werde
ich ausführlich an anderer Stelle behandeln.

bücher mit Miniaturen aus dem 15. Jahrhundert (Nr. 1139,
1140), die zu den hervorragendsten Werken dieser Art
zählen. Sie haben in dem Pultschrank, der die Schmuck-
gegenstände enthält, Platz gefunden. Interessant ist
die große Beweinung Christi (Nr. 1116), von der Hand
eines noch nicht erkannten altholländischen Meisters um
1470, sowie die beiden Tafeln mit lesenden Bischöfen
(No. 1118, 1119, Herr Geheimer Legationsrat von
Lindenau, Altenburg-Berlin), oberdeutsche Arbeiten von
1498, von denen die eine die genannte Jahreszahl, die
andere ein gefälschtes Dürermonogramm trägt.

Ein anmutiges und reizvolles Bild ist die Madonna
mit dem Kinde (Nr. 1122), aus dem Besitze Sr. Hoheit
des Herzogs von Sachsen-Altenburg, die am meisten an
Jan Gossaert's zahlreiche Darstellungen dieser Art
erinnnert.

Der kunsthistorischen Welt ganz unbekannt ist das
Porträt eines bartlosen Mannes in brauner Kleidung
aus der Sammlung der deutschen Gesellschaft in Leipzig
(Nr. 1126), das auf der Rückseite in alter, gleich-
zeitiger Schrift die Buchstaben: „Ha . . . anpercher 41.
1528" trägt. Trotz des schlechten Zustandes — haupt-
sächlich ist das Bild wohl nur stark beschmutzt — verrät
das Porträt, besonders in der Zeichnung, die Hand eines
großen Meisters, über den ich erst nach einer Reinigung
von sachverständiger Hand, zu der sich die deutsche Ge-
sellschaft hoffentlich entschließt, nähere Mitteilung machen
möchte. Die bekannten Leipziger Sammler holländischer
Gemälde, Herr Geheimrat Thieme und Herr J. 0. Gott-
schald, haben freundlicherweise einigeBilder zum Schmucke
des roten Zimmers überlassen. Aus der Sammlung Gott-
schald stammt das anziehende weibliche Porträt Sant-
vort's (Nr. 1128) und der famose Ravesteijn (Nr. 1129),
aus der Sammlung Thieme das vorzügliche Porträt eines
oranischen Prinzen (Nr. 1132), das man früher Verspronck,
neuerdings Cuijp zuschreibt, sowie zwei Stillleben von
Willem Claesz Heda (Nr. 1130) und Abraham von Beijeren
(Nr. 1131), letzteres eins der besten Werke dieses Meisters.
Der Familie Dufour-Feronce gehören zwei große dekora-
tive Porträts im gelben Zimmer. Die hauptsächlich der
guten alten Rahmen wegen beachtenswerten Bilder
(Nr. 1133, 1134) stellen August III. als König von Polen
und seine Gemahlin dar und sind nachweislich der
Familienpapiere ihrer Besitzer Werke des Hofmalers
Louis de Silvestre, zu dessen besten Arbeiten sie aber
wohl kaum zu rechnen sind. Vielleicht sind sie nur als
Atelierwerke des vielbeschäftigten Meisters zu betrachten.
Ein Dekorationsstück ersten Ranges ist dagegen das
große Porträt Gustavs III. von Schweden als Ritter
des Seraphinenordens (Nr. 1135), eine vollbezeichnete
und 1797 (also erst 5 Jahre nach der Ermordung des
Königs durch Anckarström) datirte Arbeit des berühm-
ten schwedischen Porträtmalers C. von Breda. Das Bild
wurde seiner Zeit dem alten Leipziger Bankhause Frege
& Comp, geschenkt und befindet sich jetzt im Besitze
 
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