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DAS KUNSTGEWERBE AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
ganzen Palast in dem Material erbauen, hat sich aber
dann, der ungeheuren Kosten wegen, mit der Aus-
stellung des genannten Frieses, eines freistehenden
Brunnens nach dem Entwürfe ihres technischen Leiters
Sandier, eines monumentalen Kamins nach Sedille
und eines Details des Palastes begnügen müssen. Die
grosse Ausstellung von Sevres ist aber nicht nur in
dieser Hinsicht bemerkenswert. Auf allen Gebieten
sind bei ihr seit der Neuorganisation vom Jahre 1891
bemerkenswerte Errungenschaften und Fortschritte zu
verzeichnen. Die Figuren- und Landschaftsmalerei ist
völlig verschwunden, das Porzellan dient nicht mehr
nur als Unterlage, sondern hat einen ihm und nur
ihm angepassten Dekor bekommen. Die Palette der
Scharffeuerfarben hat sich um mehrere Töne bereichert,
eine neue harte und eine neue weiche Masse ist erfunden
worden; das Biscuit feiert in den graziösen »Schärpentänze-
rinnen« von Leonard einen grossen Triumph. Neben Sevres sind
hauptsächlich die beiden Haviland in Limoges zu nennen. Sie
zeigen in ihren Tafelgeschirren einen so vornehmen Geschmack,
dass manche staatliche Manufaktur sie beneiden könnte. Grosse
Bewunderung erregen und verdienen auch die in Fritten-
porzellan eingelegten transluciden Emails von Naudot.
Neben der Ausstellung von Sevres befinden sich im ersten
Stock dieses Palastes die Gläser. Während bei den Gebrauchs-
gläsern, vielleicht die Manufaktur von Pantin ausgenommen,
kaum ein neues Muster zu entdecken ist", feiern die Meister
der Kunstgläser Triumphe. Leveille ist nicht so gut vertreten,
wie man es nach früheren Ausstellungen erwarten konnte.
Dagegen ist die reizend arrangierte Ausstellung von Galle
geradezu märchenhaft schön. Jedes Stück ist hier ein Kunst-
werk, mag man auch das eine weit höher stellen als das
andere. Allerdings kann ich mich nicht damit einverstanden
erklären, dass seine Gläser in ihrer Wirkung hier und da mit
dem Steinzeug konkurrieren, und seine sogenannten Ge-
brauchsgläser sind in ihrem trüben Tone eine Geschmacks-
verirrung, deren sich leider auch unser Köpping schuldig
macht. Wie beim Stuhl der darauf Sitzende, ist beim Glase
doch der Inhalt die Hauptsache. Neben Galle behauptet sich
Daum in Nancy mit Ehren. Neu waren mir die trefflichen
gravierten Gläser von Reyen in Paris.
Gehen wir nun in den anderen Palast hinüber und be-
ginnen wir dort am anderen Ende, so stossen wir zunächst
auf die unendlich reiche Ausstellung der Schmucksachen. In
allen Zungen ist in diesem Jahre der Ruhm des grossen
Künstlers Lalique verkündet worden — und mit Recht. Je
öfter man sie sieht, desto mehr bewundert man diese Meister-
werke, die man nicht beschreiben kann, ja von denen selbst
die Photographien nur einen ganz unvollkommenen Begriff
geben. Wer sich dafür interessiert, möge
die reich illustrierte Studie von L. Benedite
in der Revue des Arts Decoratifs zur
Hand nehmen. Übrigens haben alle
grossen deutschen Museen Arbeiten des
Künstlers gekauft. Daneben treten selbst
die anderen Pariser Juweliere in den
Schatten. Erst wenn man dazwischen
die Schmucksachen in den fremden Ab-
teilungen gesehen hat, kann man ihnen
gerecht werden. Coulon und Boucheron
leisten in der Zusammenstellung edelster
Perlen und Diamanten in älteren Stilweisen das Her-
vorragendste. Letzterer pflegt daneben auch, ebenso
wie Vever, Falize und andere, die neue Richtung.
Ganz dieser zugewandt haben sich ausser Lalique vor
allem Fouquet, Rene Foy und Colonna, dessen
Broschen, Ketten und Schnallen durch ihre einfache
Gediegenheit höchst angenehm berühren.
Bei den Gold- und Silbersachen wiegen die älteren
Formen, und zwar vor allem der Empirestil, bei
weitem vor. Die technische Vorzüglichkeit der Ar-
beiten von Christofle, Froment-Meurice, Boin und
Henry, Aucoc und wie sie alle heissen, ist genug-
sam bekannt. Falize hat die Hoffnungen, die man nach
früheren Ausstellungen auf ihn setzen konnte, nicht ganz
erfüllt. Wirklich Hervorragendes in neuen Formen hat
Säule aus dem Treppenhause der deutschen Abteilung auf der Pariser Weltausstellung,
entworfen von Prof. K. HOFFACKER, modelliert in der Bildhauerwerkstätte von
R. SCHIRMER, Berlin.
DAS KUNSTGEWERBE AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
ganzen Palast in dem Material erbauen, hat sich aber
dann, der ungeheuren Kosten wegen, mit der Aus-
stellung des genannten Frieses, eines freistehenden
Brunnens nach dem Entwürfe ihres technischen Leiters
Sandier, eines monumentalen Kamins nach Sedille
und eines Details des Palastes begnügen müssen. Die
grosse Ausstellung von Sevres ist aber nicht nur in
dieser Hinsicht bemerkenswert. Auf allen Gebieten
sind bei ihr seit der Neuorganisation vom Jahre 1891
bemerkenswerte Errungenschaften und Fortschritte zu
verzeichnen. Die Figuren- und Landschaftsmalerei ist
völlig verschwunden, das Porzellan dient nicht mehr
nur als Unterlage, sondern hat einen ihm und nur
ihm angepassten Dekor bekommen. Die Palette der
Scharffeuerfarben hat sich um mehrere Töne bereichert,
eine neue harte und eine neue weiche Masse ist erfunden
worden; das Biscuit feiert in den graziösen »Schärpentänze-
rinnen« von Leonard einen grossen Triumph. Neben Sevres sind
hauptsächlich die beiden Haviland in Limoges zu nennen. Sie
zeigen in ihren Tafelgeschirren einen so vornehmen Geschmack,
dass manche staatliche Manufaktur sie beneiden könnte. Grosse
Bewunderung erregen und verdienen auch die in Fritten-
porzellan eingelegten transluciden Emails von Naudot.
Neben der Ausstellung von Sevres befinden sich im ersten
Stock dieses Palastes die Gläser. Während bei den Gebrauchs-
gläsern, vielleicht die Manufaktur von Pantin ausgenommen,
kaum ein neues Muster zu entdecken ist", feiern die Meister
der Kunstgläser Triumphe. Leveille ist nicht so gut vertreten,
wie man es nach früheren Ausstellungen erwarten konnte.
Dagegen ist die reizend arrangierte Ausstellung von Galle
geradezu märchenhaft schön. Jedes Stück ist hier ein Kunst-
werk, mag man auch das eine weit höher stellen als das
andere. Allerdings kann ich mich nicht damit einverstanden
erklären, dass seine Gläser in ihrer Wirkung hier und da mit
dem Steinzeug konkurrieren, und seine sogenannten Ge-
brauchsgläser sind in ihrem trüben Tone eine Geschmacks-
verirrung, deren sich leider auch unser Köpping schuldig
macht. Wie beim Stuhl der darauf Sitzende, ist beim Glase
doch der Inhalt die Hauptsache. Neben Galle behauptet sich
Daum in Nancy mit Ehren. Neu waren mir die trefflichen
gravierten Gläser von Reyen in Paris.
Gehen wir nun in den anderen Palast hinüber und be-
ginnen wir dort am anderen Ende, so stossen wir zunächst
auf die unendlich reiche Ausstellung der Schmucksachen. In
allen Zungen ist in diesem Jahre der Ruhm des grossen
Künstlers Lalique verkündet worden — und mit Recht. Je
öfter man sie sieht, desto mehr bewundert man diese Meister-
werke, die man nicht beschreiben kann, ja von denen selbst
die Photographien nur einen ganz unvollkommenen Begriff
geben. Wer sich dafür interessiert, möge
die reich illustrierte Studie von L. Benedite
in der Revue des Arts Decoratifs zur
Hand nehmen. Übrigens haben alle
grossen deutschen Museen Arbeiten des
Künstlers gekauft. Daneben treten selbst
die anderen Pariser Juweliere in den
Schatten. Erst wenn man dazwischen
die Schmucksachen in den fremden Ab-
teilungen gesehen hat, kann man ihnen
gerecht werden. Coulon und Boucheron
leisten in der Zusammenstellung edelster
Perlen und Diamanten in älteren Stilweisen das Her-
vorragendste. Letzterer pflegt daneben auch, ebenso
wie Vever, Falize und andere, die neue Richtung.
Ganz dieser zugewandt haben sich ausser Lalique vor
allem Fouquet, Rene Foy und Colonna, dessen
Broschen, Ketten und Schnallen durch ihre einfache
Gediegenheit höchst angenehm berühren.
Bei den Gold- und Silbersachen wiegen die älteren
Formen, und zwar vor allem der Empirestil, bei
weitem vor. Die technische Vorzüglichkeit der Ar-
beiten von Christofle, Froment-Meurice, Boin und
Henry, Aucoc und wie sie alle heissen, ist genug-
sam bekannt. Falize hat die Hoffnungen, die man nach
früheren Ausstellungen auf ihn setzen konnte, nicht ganz
erfüllt. Wirklich Hervorragendes in neuen Formen hat
Säule aus dem Treppenhause der deutschen Abteilung auf der Pariser Weltausstellung,
entworfen von Prof. K. HOFFACKER, modelliert in der Bildhauerwerkstätte von
R. SCHIRMER, Berlin.