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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

DOI Artikel:
Ein französisches Urteil über das fremdländische moderne Mobiliar in Paris 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0242

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EIN FRANZÖSISCHES URTEIL ÜBER DAS FREMDLÄNDISCHE MODERNE MOBILIAR 235



STEINSCHNITTORNAMENTE
VOM f INGENIEUR R. SCHRÖDTER, KIEL

«-

anderes, wie die mit Heckenrosen
verzierten Schliessbleche, seien von
vorzüglicher Wirkung, allein infolge
der Fehler des Entwurfs mangle es
an einer befriedigenden Gesamt-
wirkung. Bei dem ebenfalls abge-
bildeten und genau beschriebenen
Pult in dem gedachten Zimmer wird
der Entwurf sinnvoller gefunden,
die Schwere des Fusses aber eben-
falls getadelt.

Die Kunstrichtungen in Deutsch-
land erscheinen dem Verfasser von
Provinz zu Provinz, von Stadt zu
Stadt sehr abweichend von ein-
ander. So sei von Spindler in Strass-
burg (gemeint ist in St. Leonhardt)
ein Mobiliar in Marketerie-Arbeit ausgestellt gewesen,
das in den allgemeinen Orundzügen eine gewisse
Ähnlichkeit mit den Arbeiten der Nancyer Kunst-
tischler gezeigt habe. Dasselbe, insbesondere das als
das feinste Stück bezeichnete Klavier, wird eingehend
geschildert, doch auch hier noch werden, trotz ge-
lungener Einzelheiten, bedeutende Mängel im Ent-
wurf und in der Arbeit gefunden, insbesondere in
Bezug auf die Richtigkeit der Verhältnisse. Nicht
weit von diesen Möbeln seien Arbeiten von Georg
Hulbe in Hamburg ausgestellt gewesen, die den Ein-
fluss altskandinavischer Kunst erkennen Hessen, näm-
lich Stühle, deren Rücken- und Seitenlehnen teil-
weise Verschlingungen von der Art zeigen, wie sie
alte Möbel in den Museen von Christiania und Kopen-
hagen aufweisen. Das von den alten Arbeiten Ab-
weichende bestehe in dem stilgemäss ausgeführten
Lederbezuge der Sitze und eines Teiles der Rücken-
lehnen; dieser Arbeit wird grosses Lob gespendet,
das aber doch wieder durch allerlei Wenn und Aber
in Bezug auf die Gesamterscheinung der Möbel Ein-
schränkungen erfährt.

Das ist alles, was der Verfasser über das von
Deutschland ausgestellte Mobiliar zu sagen hat, über
welches er sein Urteil dahin zusammenfasst, dass es
den zur Schau gebrachten Arbeiten, mit Ausnahme
der Marketerien von Spindler an Charakter gemangelt
und dass sie fast alle sich an alte Stilarten ange-
schlossen hätten. Der letztere Einwand hindert nun
zwar den Tadler nicht, wenige Sätze später rühmend
von den schönen französischen Möbeln aus dem
17. und 18. Jahrhundert zu sprechen, scheint aber

andererseits doch ein Hindernis für
ihn gebildet zu haben, die ausge-
stellt gewesenen deutschen Prunk-
möbel für das Königliche Schloss in
Berlin auch nur mit einem Worte
zu erwähnen, obschon dieselben,
in notwendiger Rücksichtnahme auf
den Stil des Schlosses in Bau und
Einrichtung, sich durchaus in Über-
einstimmung mit den gepriesenen
französischen Möbeln der vergange-
nen Jahrhunderte befinden.

Holland bezeichnet der Verfasser,
nächst Frankreich als dasjenige Land, in
dem sich am reinstender Sinn für einen
vernunftgemässen Aufbau der Möbel
kundgegeben habe, bei welchem die
faserige Beschaffenheit des Holzes in Übereinstimmung
mit dessen Verbindungen gebracht sei. Dies wird an
einigen Beispielen dargelegt und bemerkt, dass die
fraglichen, sehr einfachen Möbel zweifellos nicht den
gleichen Reiz auf den Beschauer ausgeübt, wie etwa
die Marketerie-Arbeiten, dass sie aber seine Aufmerk-
samkeit durch ihre Echtheit gefesselt hätten, durch
welche sie prunkvolleren Arbeiten überlegen gewesen
seien.

Bedauerlich wird es gefunden, dass auch Belgien
eine nur wenig umfangreiche Ausstellung von Möbeln
gehabt habe, da Arbeiten modernen Charakters aus
diesem, den neuen Ideen zugänglichen und der fran-
zösischen Kunstrichtung so nahestehenden Lande ge-
eignet gewesen wären, Aufklärung über die Fort-
schritte der zeitgenössischen Kunst zu gewähren.

Hier kommt der Verfasser noch einmal mit einem
Seitenhiebe, zumeist auf England, weniger auf Deutsch-
land zurück. Er bemerkt, dass die englischen Möbel,
wie sie seit einer Mandel Jahre in Frankreich den
Erfolg bedeutet haben, den dort zu Lande allen aus-
ländischen Arbeiten zu bereiten guter Ton ist, nur
in einigen deutschen Städten nachgeahmt worden seien.
Diese Möbel haben vielleicht das Verdienst besessen,
den Geschmack wieder den einfachen Konstruktions-
formen zuzuwenden, aber die in ihnen liegenden Ge-
danken an Bequemlichkeit dürften wohl nur bei der
Ausstattung von Ankleide- oder Badezimmern zum
Ausdruck gebracht werden und auf solche beschränkt
bleiben. Der bei ihnen getriebene Missbrauch mit
schmächtigen Formen erwecke nicht das Gefühl von
Behagen, das man beim Anblick der schönen fran-

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