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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

DOI Artikel:
Deutsche Glasmalerei-Ausstellung in Karlsruhe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0010

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DEUTSCHE GLASMALEREI-AUSSTELLUNG IN KARLSRUHE

E. PROCH, WORPSWEDE
KUNSTVERGLASUNG

durch farbige Darstellungen das Auge erfreuen,
gemälde aus dem 12. bis 16. Jahrhundert von Pro-
fessor Geiges in Freiburg, sowie durch die interessante
Zusammenstellung charakteristischer Glasmalereien aus
dem 19. Jahrhundert der Hofkunstanstalt von Fr. X.
Zettler in München. Eine Reihe von Text- und
Illustrationswerken über Glasmalerei und Verwandtes,
unter denen sich auch zahlreiche alte Scheibenrisse
von verschiedenen Meistern befinden, sind in eine
sechste Gruppe vereinigt, und eine weitere enthält
Bleizugmaschinen, Muffelöfen, Glasplakate, Email-
arbeiten, namentlich aber eine sehr grosse Zahl von
modernen deutschen, französischen, englischen und
amerikanischen Hohlgläsern, welche zwar mit der
Glasmalerei wenig zu thun haben, aber doch das
durch die Ausstellung gebotene Bild der künstlerischen
Behandlung des Glases vervollständigen helfen.

Von diesen Werken nehmen selbstverständlich die
ausgeführten Glasmalereien und Kunstverglasungen
das meiste Interesse in Anspruch. Die beiden Gruppen
kennzeichnen im allgemeinen zugleich die beiden
Hauptrichtungen des heutigen Kunstgewerbes, die
historische und die moderne. In Wirklichkeit ist
allerdings die Kunstverglasung ja auch eine uralte
Technik, älter selbst als die Glasmalerei, denn diese
nahm von der musivischen Zusammensetzung der
Gläser ihren Ausgangspunkt. Das Zurückgreifen auf
die Urform einer Technik entspricht nun den An-
schauungen der neuen kunstgewerblichen Bewegung;
ermöglicht wurde es aber erst durch die amerikanische
Erfindung des Opaleszentglases. Auf diesem beruht
die ganze moderne Kunstverglasung mit ihren vor-
wiegend landschaftlichen Darstellungen. Mit Hilfe

dieses farbenreichen Materials, das die mannigfaltigsten
Erscheinungsformen wiederzugeben vermag, den Glanz
des ruhigen wie das Flimmern des leicht bewegten
Wassers, das dunkle Grün des Gebüsches wie das
hellere des Rasens, die wunderbaren Farben der
Blumen, das Gefieder der Vögel u. s. w. kann man
ornamentale und landschaftliche Motive ohne Zuhilfe-
nahme des Pinsels zusammensetzen. Es wird sogar
versucht, durch denselben technischen Vorgang die
menschliche Figur entstehen zu lassen, und wenn sie
rein dekorativ, wie andere Naturdinge bei landschaft-
lichen Motiven oder im Ornament benützt wird, ist
dagegen auch nichts einzuwenden. Ist es aber schon
unmöglich, das Nackte des menschlichen Körpers in
seinen unendlich mannigfaltigen Tonstufen durch
Opaleszentglas wiederzugeben, so kommt man noch
viel weniger aus, wenn Gesichtsausdrücke wieder-
gegeben werden sollen. Sobald die menschliche Figur
als Träger bestimmter Empfindungen auftreten soll,
erweist sich die Kunstverglasung als durchaus un-
zureichend. Entweder muss sie also auf die Charakter-
schilderung des Menschen völlig verzichten, oder aber
für einzelne Teile die Malerei zu Hilfe nehmen, wie
dieses bei einer Anzahl von Glasbildern der Aus-
stellung mit mehr oder weniger Erfolg geschehen ist.
Aus dem Umstand, dass sich bei der Pariser Aus-
stellung vorzugsweise die deutsche Kunstverglasung
beteiligte, hat man schliessen wollen, dass die eigent-
liche Glasmalerei mehr und mehr von jener zurück-
gedrängt werde. Die Karlsruher Ausstellung belehrt
uns, dass dieses nicht der Fall ist. Nicht nur sind
die gemalten Stücke an Zahl vorherrschend, auch in rein
künstlerischer Beziehung behaupten sie den Vorrang.
Im übrigen aber wäre es völlig zwecklos, die beiden
Richtungen miteinander vergleichen oder gar ent-
scheiden zu wollen, welcher von ihnen die grössere
oder geringere Berechtigung zukomme. Sie ergänzen
sich vielmehr gegenseitig, jede hat ihr bestimmtes
Gebiet und je nach dem beabsichtigten Zweck ihre
eigenen Vorzüge. Die eigentliche Glasmalerei hat
sich im Dienste der Kirche entwickelt und die Aus-
schmückung des Gotteshauses wird auch in Zukunft
ihre Hauptaufgabe bleiben, weil man hier nicht bloss

E. PROCH, WORPSWEDE
ENTWURF ZU EINEM GLASFENSTER
 
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