Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart (NF 13.1902)

H. E. v. BERLEPSCH-VALENDAS, KAMINPARTIE AUS DER VILLA TOBLER IN ZÜRICH

ANSICHTEN

IN seinen »Entretiens sur l'architecttire« sagt Viollet-
le-duc: »L'art a sa valeur independamment du
milieu dans lequel il natt et grandit«. Der Aus-
spruch muss wohl in gewisser Beziehung richtig sein,
denn wenn die Entwickelung wirklicher Kunst direkt
abhängig wäre von allen gleichzeitig bestehenden
Kulturzuständen oder besser gesagt von den Zuthaten
positiver und negativer Art, welche einen eigentlichen
Kulturkern umgeben und die Situation beherrschen,
so müsste gerade unsere Zeit ein merkwürdiges Bild
bieten. Dennoch aber giebt es nichts, weder An-
schauungen noch Zustände und daraus resultierende
(also auch Kunst). Äusserungen, welche nicht mit
dem Oesamtleben in Verbindung stünden, entweder
damit einig gehend oder dagegen sich auflehnend,

Kunstgewerbeblatt. N. F. XIII. H. 7.

- im ersteren Falle meist brodsuchend, gefördert
beschützt durch die Menge derer, welche mit der
gutpolierten Oberflächlichkeit des Gebotenen zufrie-
den sind, im andern Vorboten einer allgemeinen
Wandlung der Anschauungen, Proteste gegen das
Bestehende, seinem Untergange vorausgesandt, Neu-
gestaltungen vorbereitend. Bieten die erstgenannten
vorzugsweise die Möglichkeit einer »gesicherten Exi-
stenz , so vertreten die andern die Möglichkeit
der Fortentwickelung. Künstlerische Arbeit unter-
liegt keinen andern Gesetzen als sie für Bethätigung
aller Kräfte, mögen sie heissen, wie sie wollen, in
Geltung sind. Lebensfähigkeit ist dasselbe wie Ent-
wicklungsfähigkeit. Was sich nicht weiter ent-
wickelt, ist auf der absteigenden Seite der Kurve,

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