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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

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Kleinpaul, J.: Das Kunstgewerbe auf der internationalen Kunstausstellung Dresden 1901, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0038

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30 DAS KUNSTGEWERBE AUF DER INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNO DRESDEN

Pankok's Kamin. Einen so originellen, zweckdien-
lichen und gefälligen Gasofen hat man zuvor noch
nicht gesehen. Eine mächtige Wölbung von Gold-
blech, die rein durch das Material wirkt, wirft den
Schein der Flamme zurück. Darüber ist eine Hülle
aus verschiedenfarbigen, nach oben zu immer reicher
ornamentierten Blechen terrassenförmig aufgebaut, die
ringsum an der Wand ein Feld dunkelblauer Fliesen
umgiebt. Darüber ist dann ein gotischer Spitzbogen
aufgebaut, an der Wand mit Holztäfelung und einigen
Borden für allerhand kleine Sehenswürdigkeiten, von
Mahagoni, dessen Spitze als Ausgangspunkt für ein
Masswerk erscheint, das die ganze Decke umspannt
und gliedert. Von allen vier Ecken des Zimmers
und auch von einigen anderen Punkten der Voute
laufen auf der Decke fein gearbeitete Mahagonirippen
nach dem vermeintlichen Mittelpunkt zusammen. Sie
werden aber halbwegs durch ein Sechseck gleicher
Art aufgefangen, mit dessen Ecken sie sich verknoten,
das alles in elegantester Form. Das Sechseck ist aber
durchaus nicht regelmässig. Vielmehr ist die Ecke,
die nach dem Fenster zu fallen würde, nach innen
umgeschlagen. Sie nimmt das Rohr, eines Beleuch-
tungskörpers auf und deutet ebenfalls durch ihre
Richtung an, dass der Schwerpunkt an der Wand des
Kamins liegt. Hierzu kommen nun noch zwei kost-
bare Thürumrahmungen mit Intarsien in den darüber
gelegenen Feldern. Dabei ist alles so anders, so un-
gleich und verschieden wie möglich. Jede Thür ist
anders behandelt, der Aufbau über dem Kamin steht
einzig da. Das Sechseck ist von unerwarteter Form.
Von all den Feldern an der Decke sieht kaum eins
dem andern ähnlich. Sie wird mit weisser Seide aus-
gespannt, auf der dieselben Sternmuster wie auf den
Polstern wiederkehren, auch hier völlig unsystematisch
verteilt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass
die ganze Decke überhaupt allen Gesetzen der Archi-
tektur widerspricht. So etwas wäre aus Stein ganz
unmöglich, weil es ja an den Wänden fast nirgends
einen Stützpunkt findet. Kurzum, eine kapriziöse
Künstlerlaune feierte in diesem Zimmer einen Sieg.

Ein anderer Damensalon ist von der Dresdener
Firma R. Hoffmann ausgestellt und von dem Wiener
Architekten Melichar entworfen, ein klassisches Bei-
spiel für den Wiener Stil, nur freilich deutschem Be-
dürfnis und Empfinden innerlich recht fremd, zumal
wenn man Schaudt's Zimmer direkt daneben sieht.
Melichar's Salon wird durch die Farben Rot, Violett
und Gelb beherrscht. Die Möbel tragen tiefrote Farbe
und sind aus Mahagoniholz, ebenso die Verschalun-
gen an den Thüren und in den Ecken. Die Bezüge
sind aus Seide, in Mustern von Violett und Gelb,
ebenso die Teppiche und der Bezug der Wände.
Leider bilden die einzelnen Möbel keinen einheitlich
durchgeführten, geschlossenen Stil. Mehr Lob ver-
dient freilich die sehr sorgfältige und reiche Aus-
führung.

Ein recht zweckgemäss und nett eingerichtetes
Wartezimmer — etwa für einen Arzt -- sehen wir
dann noch von dem Dresdener Arckitekten Max Hans
Kähne. Ein knapper Raum, der Oberlicht empfängt,

mit einer tonnenartig gewölbten Decke, die in violetter
Farbe gehalten ist, was mit dem Gelbbraun der
fichtenen Wandverkleidung und dem roten Fuss-
bodenbelag einen guten Zusammenklang giebt. Rings-
um an der Wand, zum Teil auch in Nischen,, sind
Bänke angebracht und über diesen in sehr origineller
Weise violettfarbene Rückenkissen angehängt. In der
Mitte stehen dann noch kleinere Tische, zum Aus-
legen von Zeitschriften, und Stühle, letztere freilich
von nicht eben mustergültiger Form. An der be-
herrschenden Wand lehnt ein grosser, mit Marmor
verkleideter Kamin, über dem ein sehr schönes Wand-
bild von Bendrat angebracht ist. Verschiedene Borde
dienen zur Aufstellung von kleinen Bronzen und
Poterien. Auch ein grosser Spiegel dürfte nicht fehlen;
dieser hat leider nur den Nachteil, dass er unmittel-
bar auf dem Fussboden aufsteht und infolgedessen
von jedermann für einen Ausgang gehalten wird, zu-
mal er sehr im Dunkeln liegt.

Man hat sehr oft die Häuser und Wohnungen
»das weitere Kleid« des Menschen genannt. An
diesem haben die Kunstgew erb ler seit nahezu einem
Jahrzehnt herumstudiert und ausprobiert, dass es den
einzelnen Individualitäten richtig »sitzt«. Im Laufe der
Zeit hat man so die Wohnungen gründlich moderni-
siert. ^Nicht auf einzelne neue Zuthaten kam es dabei
an, auf dies und das von Schmuck, sondern auf
durchgreifende Reform. Es handelt sich um einen
neuen Stil — möglicher Weise. Jetzt ist man damit
wohl »aus dem Gröbsten« heraus. Wenigstens
unsere bedeutendsten Werkstätten und unsere tüch-
tigsten Künstler sind sich über die Prinzipien der
neuen Bewegung und ihrer Ziele klar, nach vielen
teuren Versuchen. Es wird, wie man auch auf der
Dresdener »Internationalen« sieht, schon eine ganze
Anzahl Zimmer hergestellt, die allen Anforderungen
hinsichtlich der Schönheit, Zweckmässigkeit und Ge-
diegenheit entsprechen. Da erlebt nun das Publikum
eine neue Überraschung. Eine zartfühlende Frau, die
solch ein durchaus modernes Zimmer betritt, denkt
wohl unwillkürlich bei sich - - »Gott, wie sehe ich
darin aus!?« — Sagen wird sie's freilich nicht. Aber
sie wird sich mit einem Male bewusst, dass all der
Schmuck, der sie selbst und viel von dem Tand, der
ihr »engeres« Kleid umgiebt, ja zu diesem »weitern«
Kleid gar nicht passt. Es kann nicht ausbleiben, auch
das »engere« Kleid des Menschen muss gründlich
modernisiert — oder sagen wir »stilisiert« werden.

Am ersten hat das — wie so vieles andere —
Henry van de Velde erkannt. Er niusste freilich auch
ganz besonders konsequent und rasch zu dieser Be-
obachtung kommen. Er, der die ganze Welt mit
seinen eigenartigen aparten Linien erfüllt, der Möbel,
Schmuck, Geräte in dieser einen Weise gestaltet, —
ihm musste das Missverhältnis zuerst auffallen, das
zwischen einer Umwelt, die er geschaffen, und irgend
welchem modemässigen aber nicht stilmässigen Damen-
kleid besteht. Sofort zog Van de Velde auch aus
seiner Erkenntnis die richtige Folgerung und so schuf
er denn auch zuerst Damenkleider nach seinem Ideal.
Van de Velde ist allerdings nicht der erste grosse
 
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