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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

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Körner, J. Adolf: Moderne Technik in der Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0054

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MODERNE TECHNIK IN DER KERAMIK

versucht werden, über die eigenartige Technik der
bedeutenderen und neueren Produkte zu referieren,
um dem Leser einen Begriff zu geben, inwiefern die-
selbe in ihrer Anwendung dem Künstler die Hand
bot, um alle jene Erfolge zu ermöglichen, deren sich
die Branche, speciell die Feinkeramik, zur Zeit erfreut.

Zweck der mechanischen Bearbeitung des Roh-
materials ist Homogenität zu erzielen, um dadurch
die Bildsamkeit, die Plastizität, zu erhöhen. Die Ent-
fernung von Fremdkörpern im Thon, die Lockerung
der Masse durch Auswintern und Aussommern, das
Treten und Durchmischen mit Wasser sind Mani-
pulationen, die in der Neuzeit durch Maschinen be-
sorgt werden. Thonpressen befreien das Material von
gröberen Verunreinigungen, Walzmaschinen zer-
drücken die kleineren; Koller- und Schleudermühlen
und Thonschneider verschiedenster Konstruktion be-
zwecken die Zerkleinerung und Bearbeitung des
feuchten Thonmaterials, während »Roller« oder
»Schläger« die hierbei in dasselbe gelangte Luft aus-
treiben. Genannte Maschinen sind von beträchtlicher
Leistungsfähigkeit, erfordern aber eine bedeutende Be-
triebskraft. Das gleichförmigste Produkt liefert von
allen Operationen das Schlämmen, eine Procedur, die
zwar weniger Aufwand an Kraft erfordert, als um-
ständlich und kostspielig ist, die aber zur Erlangung
eines feinen Materials unumgänglich nötig ist. Man
hat neuerdings Schlämmanlagen mit sog. Schaukel-,
Trommel- und Cylinderwerken für den bereits durch
Rührwerke mit Wasser angeriebenen Thon, in denen
dieser so lange bearbeitetet wird, bis er den ge-
wünschten Feinheitsgrad erreicht hat.

Unsere keramischen Erzeugnisse bestehen meistens
nicht aus Thon allein, sondern es sind mehr oder
weniger Zusammensetzungen, die besondere charakte-
ristische Merkmale zeigen und die verschiedenen
Klassen der Thonwaren bilden. Die hierbei in Be-
tracht kommenden Stoffe, Quarz, Feldspat, Kalk
u. s. w. müssen selbstverständlich denselben Feinheits-
grad besitzen und bedarf daher ihre Behandlung ganz
besonderer Sorgfalt. Der Schwierigkeit des Lockerns
bei Quarz und Feldspat begegnet man durch das
sog. »Schrecken«; die Mineralien werden in beson-
deren Schachtöfen zum Glühen erhitzt und durch
Einwerfen in kaltes Wasser schnell abgekühlt, wo-
durch ihr Gefüge durch die eintretenden Risse stark
gelockert wird. Die spröden Produkte werden durch
Pochwerke gepulvert, während obengenannte Thon-
aufbereitungsmaschinen und das Schlämmen die Proce-
dur vollenden. Einen beträchtlichen Gehalt an stören-
dem Eisen entzieht man den gepulverten Materialien
durch Säure, während man diese durch Schlämmen
wieder entfernt. Die auf eben beschriebene Weise
vorbereiteten Rohmassen müssen nun gemischt werden
und zwar im richtigen Verhältnis je nach Art und
Zweck der Fabrikate; auch hierin leistet das Schläm-
men vorzügliches, besonders wo es sich um feinere
Produkte handelt, während Thonschneider für gewöhn-
lichere Ware genügen. Den beträchtlichen Wasser-
gehalt der Masse entfernt man jetzt durch die sehr
leistungsfähigen Filterpressen und Luftdruckapparate,

während man früher in freier Luft oder durch künst-
liche Wärme dieses Ziel zu erreichen suchte. Wo
grosse Triebkraft zur Verfügung steht, verwendet man
auch Centrifugen, die jedoch weniger leistungsfähig
sind. Die Masse ist nun nach der eben erwähnten
Behandlung direkt gebrauchsfähig; doch zieht man
auch heute noch vor, dieselbe längere Zeit lagern zu
lassen; dieses »Rotten« oder »Faulen« erhöht die
Plasticität ungemein; wie aber der Prozess hierbei
verläuft, ist noch nicht genügend aufgeklärt; jeden-
falls spielen Wasser, Wärme, Luft und wohl auch
Bakterien eine grosse Rolle.

Kraft der den Thonen oder deren Mischungen
innewohnenden Bildsamkeit ist es möglich, der Masse
eine Form zu geben. Das älteste Formverfahren,
mit freier Hand, kommt heute nur bei der Darstellung
plastischer Gebilde, dem Modellieren, in Anwendung,
während das den Alten auch bekannte Drehen auf
der Scheibe seinen Wert behalten hat bei der Her-
stellung runder, ovaler oder ähnlicher Gegenstände.
Weit verbreitet ist auch heute noch das Formen mit-
telst ein- oder mehrteiliger Gipsformen und ebenso
unentbehrlich wie das seltener angewandte Giessen
der dickflüssigen Masse in poröse Hohlformen. Ma-
schinenpressen dienen zur Herstellung billiger und
einfacher Marktware; Strangpressen und Abschneider
finden lebhafte Anerkennung in der modernen Ziegel-
und Rohrfabrikation. Unentbehrlich ist aber bei allen
Formmethoden die menschliche Hand, wo es gilt, dem
Produkt mit den Modellierungswerkzeugen die Voll-
endung zu erteilen und Henkel, Füsse und sonstige
Garnituren anzubringen.

Das dem Formen folgende Trocknen der Ware
geschieht in modernen Betrieben in eigenen Trocken-
räumen mit Exhaustoren zum Absaugen der feuchten
Luft, während das Brennen in Öfen erfolgt, die je
nach Art der Masse, deren Verhalten im Feuer, der
Dekoration und des benützten Feuerungsmaterials
verschieden sind. — Die diversesten Ofensysteme für
unterbrochenen oder ununterbrochenen Betrieb wurden
in der Neuzeit eingeführt; liegende Casseler Öfen,
stehende Öfen, Etagenöfen u. s. w. wurden erbaut
und zweckentsprechend eingerichtet und der Gas-
feuerung weitgehendste Beachtung geschenkt. Das
Brennen selbst entwickelte sich zur Kunst; man lernte
den Brand richtig regulieren, vom schwachen Schmauch-
feuer bis zum Garbrennen bei langsam gesteigerter
Temperatur. Man studierte die Arten der Flammen-
führung und wandte hauptsächlich das Augenmerk
auf die chemische Beschaffenheit der Brenngase, so-
wie auf die Zufuhr von Luft. Die oxydierende Wir-
kung der Brenngase mit reichlicher Luftzufuhr wurde
erkannt im Gegensatz zur reduzierenden Thätigkeit
der luftarmen Gase und beides da angewandt, wo es
zur Erzielung besonderer Effekte erforderlich war.
Während man früher die Temperatur im Ofen nur mehr
oder weniger empirisch messen konnte, verwendet
man heute mit vielem Erfolg in der Keramik und in
sonstigen Industrien die in den letzten Dezennien
von Prof. Dr. Seger erfundenen und eingeführten
Segerkegel als Pyrometer. Es sind dies abgestumpfte,
 
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