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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902

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Leisching, Julius: Die österreichischen Medailleure
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https://doi.org/10.11588/diglit.4880#0154

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DIE ÖSTERREICHISCHEN MEDAILLEURE

Schaft reichliche Beschäftigung. SoBenvenuto Cellini für
Karl's V. Schwester Eleonore, die Gemahlin Franz' I. von
Frankreich; Leone Leoni und sein Sohn Pompeo für
Karl selbst und den spanischen Hof; Pietro de Pomis
aus Lodi für Ferdinand von Tirol und die Orazer
Hofhaltung; Antonio Abondio und der Niederländer
Paul v. Vianen für Kaiser Rudolf II. zu Prag, des ersteren
Sohn Alessandro für die Söhne Maximilian's IL, für
Kaiser Matthias, für Karl von Steiermark und Ferdi-
nand III. Aus Mantua, Mailand, Siena, Neapel und
Florenz, aus Amsterdam, Brüssel und Nancy wie aus
Paris und Stockholm zogen die Herrscher, einer aus-
gesprochenen Vorliebe jener Zeit für diese edle Kunst
folgend, ihre Jünger zu sich.

Im 17. Jahrhundert beschränkt sich die Medaille
nicht mehr auf die bildnismässige Wiedergabe von
Herrschern und Helden, ihre Krönung und Hochzeit,
sondern erweitert in sehr bezeichnender, bisher zu
wenig beachteter Weise ihren Stoffkreis auf bedeut-
same geschichtliche Ereignisse, wie den westfälischen
Frieden von 1648 und die zweite Wiener Türken-
belagerung des Jahres 1683. Die Geschichte ist nicht
mehr bloss Schöpfung und Denkmal der Regierenden;
das Volk beginnt — im Innersten von ihr aufgewühlt
und beeinflusst — daran lebhafteren Anteil zu neh-
men. Daraus zieht nun auch die Kunst des Medail-
leurs Nutzen. So aus Anlass des Entsatzes von Wien.
Der ganze Westen atmete ja auf, als die drohende
Macht der Türken an den festen Mauern und Mannen
Wiens zerschellt war. Diesem Siege zu Ehren ent-
standen nicht weniger als rund einhundertundzehn
Medaillen. Man konnte die ganze Folge dieser Wiener
Entsatzmedaillen gerade jetzt in der sehenswerten
Ausstellung österreichischer Medaillen vom 15. Jahr-
hundert bis zur Neuzeit aus der reichhaltigen Samm-
lung J. F. Hirsch im Troppauer Museum für Kunst
und Gewerbe finden1). Natürlich waren daran nicht
bloss Wiener Stempelschneider wie Michael Hofmann
und Salzburger wie Peter Seel beteiligt, sondern vor-
wiegend reichsdeutsche aus Breslau, Nürnberg, Augs-
burg, Danzig, Oels, Hamburg, Kopenhagen, dann aus
Holland, Italien und Paris, die sich aber häufig an
den Entwurf Hofmann's anlehnten. Viele dieser Me-
daillen verdankten privaten Aufträgen ihre Entstehung.
Die schöne Sitte der Münzprägung wird nunmehr
endlich auch diesseits der Alpen Gemeingut Vieler.

Liebes- und Schlachtenglück, Sieg und Trauung
bleiben jedoch nach wie vor auch im 18. Jahrhun-
dert die Haupttriebfedern. Da wird denn die Me-
daille gelegentlich geradezu ein Dokument, die wert-
vollste Urkunde, da sie oft allein und am treuesten
die Überlieferung längst entschwundener Werke auf-
bewahrte. So wenn Wien durch den Bildhauer und
Medailleur J. Bendl das leider allzurasch vergäng-
liche Kunstwerk jener Triumphbogen verewigen lässt,
welche Johann Bernhard Fischer von Erlach zur
Rückkehr des eben gekrönten Königs Josef I. im Jahre
1 690 errichtet hatte.

1) Katalog mit neun Abbildungen und einem Vorwort
von Direktor Dr. E. W. Braun. 1902.

Unter Kaiser Karl VI. wird dann unserer Kunst
mehr denn je sorgfältigste Pflege zu teil. Auf seinen
Befehl brachte der Münzkenner und Antiquar Heraeus
der schon aus mehr als fünfzehntausend Stücken be-
stehenden Wiener Sammlung noch gegen zwölfhundert
vom Schlosse Ambras und vielen anderen Orten zu.
Dadurch erfährt das »moderne Münzen-und Medaillen-
Kabinett« eine bedeutsame Erweiterung über die
Werke römischer Antike hinaus in die Renaissance
und zu den gleichzeitigen Schöpfungen. Wieder zieht
der Hof auch aus dem Reich und dem Ausland die
Tüchtigsten nach Wien. So Ph. Chr. Becker aus
Koblenz, einen Schüler des in Wien thätigen J. G.
Seidlitz; dann den Stockholmer B. Richter, dessen
Schüler J. L. Oexlein; den Neapolitaner Maria An-
tonio di Gennaro. Mit Matthaeus Donner, dem hoch-
begabten Bruder des berühmten Bildhauers, erreicht
die Wiener Schule einen Höhepunkt ihrer künstlerischen
Entwickelung. Die Aufträge häufen sich unter Maria
Theresia, deren Vermählung mit dem kunstsinnigen
Franz von Lothringen Matthaeus Donner verewigt hat.
Kaiser Franz, dessen Vorliebe für Medaillen bekannt
ist, sammelte seit 1743, namentlich über Anregung des
Bibliothekars Valentin Duval, der für ihn in Florenz
und Toskana italienische Renaissancearbeiten erwarb.
Schon überwog die Gruppe der »modernen« (28000)
jene der »antiken« Münzen (21 000) um ein Viertel.
Bei dem Tode des Kaisers (1765) ward auch noch
das »lothringische« Kabinett damit vereinigt, ein Schatz
von Gold- und Silbermedaillen, von welchem Bronze-
arbeiten ausgeschlossen geblieben waren. Neben
Donner arbeiten M. Krafft, J. N. Wirth und Fr. X.
Wirth, Giovanni Toda, G. Ehle, Kaiserswerth, A. König,
der Tiroler C. Vinager.

Unter Maria Theresia entstand nun auch die
Wiener Graveur-Akademie. Es hatte die Kaiserin im
Jahre 1762 dem Kupferstecher Jakob Schmutzer eine
Unterstützung zur Reise nach Paris gewährt, damit
er sich dort bei Georg Wille in seiner Kunst ver-
vollkommne. Schmutzer hatte aber seine Zeit gar
rührig ausgenützt. Unter anderem als Leiter der
Pariser deutschen Zeichenschule. Nach vier Jahren
kehrte er, noch in jugendlichem Alter, in seine Heimat
zurück, betrieb die 1766 erfolgte Gründung der k. k.
Kupferstecher-Akademie in Wien, deren Leitung ihm
anvertraut wurde, ebenso wie die der Graveur-Aka-
demie, die ebenfalls auf seine Anregung hin 1767
ins Leben trat. Was dieser eifrige Mann damit be-
zweckte, spricht er in seinem Promemoria mit den
Worten aus, dass man auf diese Weise mit der Zeit
in der Heimat selbst geschickte Meister in geschnit-
tener und getriebener Arbeit heranbilden werde und
künftig »diese Arbeiten von Paris kommen zu lassen
entböhren könnte«. Abgesehen von dieser sogenann-
ten »Erzverschneiderschule« oder »Possier-.Verschneid-
und Graveur-Akademie«, welche unter der Leitung
Anton Domanöck's und dem Protektorate des Reichs-
kanzlers Fürsten Kaunitz ausser sechs »Scholaren«
im Jahre 1770 nicht weniger als 72 Lehrjungen täg-
lich und ausserdem an Sonn- und Feiertagen 74 Ge-
sellen unterrichtete, gab es auch schon damals wie


 
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