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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Museen und Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0059

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MUSEEN UND VOLKSBILDUNG

nehmung für den Ungewohnten stets ein Gefühl von
Verwirrung eintritt. Die ungeheure Ansammlung
von Vergleichsmaterial, welche für den wissenschaftlich
Studierenden nötig erscheint, ist für den Laien ein
Grund zur Beunruhigung und Zerstreutheit. Er hat
keinen Begriff dafür, das er an dem Orte, wo er
ästhetischen Genuß sucht, sich in einem Archiv be-
findet, das in erster Linie zu wissenschaftlichen
Zwecken geordnet erscheint, keineswegs aber zur
Befriedigung künstlerischer Bedürfnisse. Scliaumuseen,
und um die Schaffung solcher Institute kann es sich
einzig und allein bei der Wirkung auf nicht wissen-
schaftliche Besucher handeln — müssen nach ganz
anderen Prinzipien zusammengestellt werden als jene,
die dem Studium, und nur diesem, dienen. Das
Beste aber nur werde, wie Ruskin es verlangt, der
Allgemeinheit gerade im Schaumuseum geboten. Ver-
suche nach dieser Richtung wurden, wenn auch nicht
in völlig geglückter Weise, gemacht durch Errichtung
der Tribuna in den Uffizien zu Florenz und des Salon
carre im Louvre.

Im engsten Zusammenhange damit steht die Frage
der Ausgestaltung solcher Räume. Sie zu Prachtsälen
zu machen, womöglich auserlesen schöne Möbel
zur Ausstaffierung anzuwenden, den Eindruck des
bewohnten Raumes erzielen wollen, das wäre genau das
Gegenteil von dem, was anzustreben ist: die volle
Wirkung des aufgestellten Kunstwerkes selbst. Es
kann und darf nicht als Dekorationsstück wirken,
dem ein paar alte Möbel mit vergriffenem und ab-

genutzten Sammetbezug beigeordnet sind, nein, es
wirke so, wie es wirken soll: achtunggebietend. Über
das ewige Liebäugeln mit Beigaben antiquarischer
Art dürfte man füglich einmal hinauskommen. Es
ist ja doch bloß eine Art von Schminke, von zurecht
gemachter Geschichte, die, ohne jedweden innerlichen
Zusammenhang mit dem ernsten Kunstobjekte, den
Klarsehenden über ihren Unwert nicht hinwegzutäuschen
vermag. Gewiß, würdevolle Erscheinnng ist die erste
Bedingung zu dem, was breiten Schichten eingeflößt
werden soll: Respekt vor der K,unst, indes wäre es
völlig verfehlt, hier auf den Eindruck des gemütlich
Wohnlichen abzielen zu wollen.

Letzteres ist vollauf da am Platze, wo es sich
um die Darstellung der menschlichen Wohnung ganz
speziell handelt, in Kunstgewerbemuseen und ähn-
lichen Instituten; aber auch hier ist strenges Maß-
halten geboten. Das Zimmer soll kein Raum für ein
Sammelsurium von allen möglichen Objekten werden.
— An Sitzgelegenheiten dürfte es in keinem Museum
fehlen, indes sind die manchenorts beliebten kreis-
runden Sofas mitten in den Sälen gewiß nicht das
rechte. Bequeme, leicht bewegliche Stühle sollten
dem Beschauer die Möglichkeit bieten, sich nieder zu
lassen wo er will.

Das Museum ist noch nicht zum architektonischen
Organismus ausgereift. (Lichtwark.) Die Frage der
Museumsanlage überhaupt tritt mit der ganzen, in
Fluß gebrachten Angelegenheit in ein neues Stadium.
Daß die in erster Linie als Monumentalbauten aus-
geführten, der neuen Zeit entstammenden Museen
sich durchweg in ihrer Gestaltung als zweckdienlich
erweisen, wird niemand behaupten wollen. In den
meisten Fällen sind sie eine architektonische Zwangs-
jacke, die in erster Linie ihret selbst willen, nicht
aber in vollem Umfange dem Zweck entsprechend
entstanden ist. Dem Baukünstler wurde fast durchweg
viel zu viel Freiheit für seine Ideen gewährt, zu wenig
Zwang hinsichtlich des unterzubringenden Inhaltes
auferlegt. Sie sind mit einem Worte nicht von innen
heraus entwickelt, genau so, wie es auf dem Gebiete
der bürgerlichen Baukunst mit dem Wohnhause bisher
der Fall gewesen ist, wo Fassade und Grundriß-
schema weit maßgebender waren als Hygieine und
Bequemlichkeitsbedürfnis. Ein schlagendes Beispiel
für die »Zwangsjacke« sind die Wiener Hofmuseen,
deren Prachtentfaltung in eigenartigem Widerspruche
zu anderen Forderungen sich befindet. Eine Er-
weiterung der Museumsräumlichkeiten ist hier total
ausgeschlossen. Das ist ein kapitaler Fehler. Ist auch
nicht anzunehmen, daß die Waffensammlung oder
die Ausstellung köstlicher keramischer oder Gold-
schmiedearbeiten eine wesentliche Ausdehnung erfahren
werde, so ist dafür andererseits das Gebiet der Aus-
grabungen aller Art, kommen sie aus Ägypten, Cypern,
dem adriatischen Küstenlande oder aus Mexiko und
Peru, ein immer weiter anwachsendes. Die Museums-
mauern aber sind nicht dehnbar. Die Folge davon
ist, wie das auch bei anderen Museen mehr und
mehr eintritt, eine Auf- und lneinanderpfropfung des
Materials, welche direkt sinnverwirrend wirkt und das
 
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