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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Erler, Margarete: Der moderne Fächer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0234

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DER MODERNE FÄCHER

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PARISER FÄCHER, NACH ALTEN STILARTEN MODERN AUSGEFÜHRT
IM BESITZ DER FIRMA H. N. VAN SANTEN, BERLIN

und der Form des Fächerblattes angepaßt, der Maß-
stab zierlich, das Ganze aber in vollem harmonischen
Akkord zu den Fächerstäben, welche, zwar nur Folie
des gemalten Blattes sein sollten, aber nicht minder
kostbar waren. — Der technisch geschickte Hand-
werker verstand es eben, entweder nach Zeichnung
des Malers oder nach eigener Zeichnung ein Fächer-
gestell in Elfenbein, Perlmutter, Schildpatt oder Hörn
herzustellen, welches sich vollkommen dem gemalten
Blatte anlehnte, und somit ein einheitliches Werk zu
ermöglichen. Es war das echte, wahre Kunstgewerbe,
welches, durch Kunst befruchtet, auch in seiner hand-
werklichen Geschicklichkeit stetig vorwärts schreitet
und in seiner erfinderischen Subtilität bei der Aus-
nutzung des Materials wiederum dem Künstler Werte
gibt, die ihm ohne dies Zutun verschlossen bleiben
würden. — So fehlten dem Künstler und dem Kunst-
handwerker auch lohnende Aufträge nicht. Es wuchs
unter der Sonne des persönlichsten Interesses und
Bedürfnisses der Auftraggeber einerseits und der liebe-
vollen künstlerischen Hingabe andererseits ein Kunst-
zweig empor, aus dem heraus sich nunmehr eine
Fächerindustrie entwickeln konnte, welche den wohl vor-
bereiteten Boden für ihr gedeihliches Bestehen vorfand.

Aus dem Künstlerfächer erwuchs also eine Fächer-
industrie, eine Marktware, die zur wirtschaftlichen
Bedeutung wurde. Es entstand um das Jahr 1670
die Zunft der Fächermacher in Paris, ein lebens-
kräftiges Gewerbe, das nunmehr imstande war, den
großen Bedarf für den Markt des In- und Auslandes
zu decken.

Eine Hausindustrie, die sich schnell und großartig

entwickelte und weit verzweigte (in den Ortschaften
des Departements der Oise blüht sie bis auf den
heutigen Tag) befaßte sich mit der Herstellung der
Gestelle in den verschiedensten Materialien und
Techniken. Sie hatte die besten Muster in den künst-
lerischen Originalen und Einzelstücken hervorragender
Kunstschnitzer und Goldarbeiter im Einklang mit
dem Geschmack und den Motiven der Bespannung,
so daß trotz aller getrennter Fabrikation von Gestell
und Blatt dennoch etwas Einheitliches und Harmonisches
auch bei der Marktware geschaffen wurde. Von
Generation zu Generation erwuchsen geschulte Hände
nicht nur für Fächergestelle, sondern auch für die
vielen anderen Dinge gleicher Technik in Elfenbein
und Knochen, Schildpatt, Hörn und Perlmutter, wie
Dosen und Kämmchen, Bijouterie- und Galanterieware
aller Art. Die Ausführung des anderen Teils des
Fächers, des Blattes, lag in den Händen von Malern
geringerer Bedeutung, welche mit außerordentlicher
Gewandtheit und Anpassungsvermögen die vorhandenen
künstlerischen Originale, Entwürfe und Radierungen
bekannter Maler, je nach eigenem Können und Wollen
benutzten, dazu komponierten, veränderten und mit
dem angeborenen Geschmack und Farbensinn der
Franzosen koloristisch ausstatteten in einer Art, daß
der Fächer, trotzdem er nun bedeutend wohlfeiler
war und nicht mehr als Original gelten konnte,
sondern als Gewerbe auftrat, niemals eines gewissen
persönlichen Reizes entbehrte. Der Fächermaler war
durch Nachfrage und Konkurrenz stets gezwungen
und lebhaft interessiert, so viel als möglich war,
Variationen zu schaffen. Das Erscheinen stets neuer

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