Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI article:
Jessen, Peter: Reisestudien, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0034

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
New York, Öffentliche

Bibliothek, Sonderleseraum

selber an Ort und Stelle gekauft und sie jetzt der
Union vermacht. Er selber baut ihr in Washington
ein neuartiges Gebäude und hat sogar die Mittel für eine
eigenartige Verwaltung bereitgestellt, damit das Museum
auch künftig die stille Anmut einer Privatsammlung
nicht einzubüßen braucht. So entstehen aus der
Kunstfreude eines einzelnen ganze Museen oder Mu-
seumsabteilungen. Die öffentliche Meinung in Amerika
glaubt schon damit rechnen zu dürfen, daß die Schätze
der großen Sammler zum öffentlichen Besitz werden,
deren jüngste Persönlichkeiten kürzlich Wilhelm von
Bode (Maiheft der Kunst für Alle) geschildert hat. Ich
habe den Triumph über Pierpont Morgans vielver-
sprechende Leihausstellungen in New York erlebt, nicht
freilich die tiefe Enttäuschung, als sein ungleichartiger
Sohn sie neuerdings dem Museum wieder entzogen und
zu Geld gemacht hat.

So lange die Stifter zu fordern pflegen, daß ihre
Sammlungen als Ganzes aufgestellt werden, beein-
trächtigen sie allerdings die künftige Einheit des
Museums. Aber schon mehren sich Fälle, in denen
der Geber auf solchen Sonderruhm verzichtet und es
den Leitern des Museums überläßt, die Stücke nach
ihrem Ermessen einzugliedern. Ein neuerer Schenker
sagt in seinem Testament, ihm liege besonders an
einer bestimmten Abteilung, aber er wollte nur für
die ersten fünf Jahre ausbedingen, daß gerade diese
Abteilung aus seinem Vermächtnis bedacht werde.
Die Mitglieder der Museumsvorstände sehen ihre
wesentliche Aufgabe darin, immer neue Stifter zu ge-
winnen und wissen mit Humor und Grazie zu werben.
In einer Ansprache an die Förderer des Museums sagte
ein Vorsitzender: Die Trustees sind zu stolz, um
einen Dollar zu betteln, aber sie bieten bereitwilligst ihre
Dienste an, um krankhaft geschwollene Taschen zu
erleichtern . . . Die Börse jagt dem Rezept nach, alles
auf der Welt in Gold zu verwandeln, das doch nur
ein metallischer Niederschlag ist; "///-haben den höheren
Ehrgeiz, Ihr totes Gold in Dinge voll lebendiger Schön-

heit umzuwandeln, die auf tausend Jahre eine Freude
für ein ganzes Volk sein werden.

Zu welch traumhaften Summen diese Geschenke
zu steigen pflegen, ist uns nicht neu. Das Kunst-
museum in Boston hatte eben, als ich es kennen lernte,
in einem einzigen Jahre zwei Millionen Dollar zu
verzeichnen. In New York betrug das Ankaufskapital
des Metropolitan-Museums damals zehn Millionen
Dollar. Namentlich stehen auch für Einzelzwecke,
wie Expeditionen und Grabungen, immer wieder kluge
Helfer ein. Im Marshall Field Museum in Chicago
waren soeben die kostbarsten altchinesischen Bildwerke,
Bronzen und sonstigen Schätze durch wiederholte Ex-
peditionen Berthold Lauffers gewonnen worden, deren
sämtliche Kosten eine Wohltäterin bestritten hatte. Das
Kunstmuseum daselbst hat von Mr. Buckingham die
größte und schönste Sammlung japanischer Farben-
drucke geerbt, die einst den Besitz von Ernest Fenol-
losa gebildet hat. Auch Einzelgaben werden oft mit
wirklicher Liebe gemacht. In Boston fielen mir in
allen Abteilungen Gaben von Denman Ross auf, des
Professors der Ästhetik an der Harvard-Universität;
er pflegt von seinen weiten Reisen mit vergleichs-
weise bescheidenen Mitteln ungewöhnliche und eigen-
artige Werke heimzubringen, an denen der große
Kunsthandel vorübergeht, Neuland für die Kunstge-
schichte. Es ist nicht nur der Dollar, der die ameri-
kanischen Museen stark macht.

Den Lohn für solche Opfer suchen die Wohltäter
vornehmlich in dem Nutzen, den die Museen stiften,
in ihrem Besuch, ihrer Volkstümlichkeit, ihrem erzieh-
lichen Einfluß. Sie sind jeden Wochentag von 9—5 Uhr
offen, Sonntags von 1—5, unter drängender Teilnahme
aus allen Volksschichten. Die Sonntage und schul-
freien Donnerstage unentgeltlich; Freikarten für die
übrigen Tage erhält ohne weiteres jeder, der darum
nachsucht. Man tut alles Erdenkliche, um Besucher
zu gewinnen und zu belehren. Kein Museum ohne
einen geräumigen, oft glänzend ausgestatteten Hörsaal.

26
 
Annotationen