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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Jessen, Peter: Reisestudien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0035

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New York, Öffentliche

Bibliothek, Ausleihehalle

Zu Boston sind im Kunstmuseum in einem Jahre
über vierhundert Vorträge gehalten worden, wissen-
schaftlich oder anregend, für Erwachsene und für
Kinder. In New York hörte ich u. a. unsern Lands-
mann Professor Friedrich Hirth von der Columbia-
Universität vor Gelehrten über chinesische Schrift
sprechen und den Stadtschulrat für Kunsterziehung
Dr. Haney vor lebhaft teilnehmenden Kindern
über einfachste Probleme der Zeichenkunst. Das
Museum von New York besoldet eigene Beamte für
Führungen aller Art, ja einen eigenen Direktor für
Museum instruction; auch in Boston gibt es in der
Direktion ein besonderes Educational department. Mit
größtem Nachdruck werden die Lehrer und Schüler
aller Schulen herangezogen; man hält ihnen besondere
Klassenzimmer und Hörsäle mit Bildwerfern bereit.
Die Museen für Naturkunde unterhalten eigene Ab-
teilungen für Kinder und setzen Preise aus für kleine
Aufsätze über deren Inhalt. Man leiht den Schulen
Kunstblätter und Glasbilder. Besonders fiel mir auf,
daß eben jetzt auch die Fabrikanten und Zeichner der
Kunstindustrie durch Ausstellungen, Vorträge und
Führungen planmäßig herangezogen werden. Es gab
in New York freilich schon seit 1896 eine Art von
Kunstgewerbemuseum im Rahmen der ehrwürdigen
Stiftung Cooper's Union; darin zwischen Abgüssen
und Bruchstücken von meist Pariser Herkunft zwei
wertvolle Sammlungen, alte Gewebe und Handzeich-
nungen französischer Ornamentisten; sonst alles gründ-
lich veraltet. Nun aber greift statt dessen mit seinen all-
seitigen Schätzen, unbeschränkten Mitteln und jugend-
frischen Kräften das Metropolitan-Museum die Rolle
eines tätigen Kunstgewerbemuseums auf. Das sollen
wir uns gesagt sein lassen. Es sind unsere Ziele und
Wege, mit amerikanischer Energie angepackt.

Den Museen sind die Bibliotheken in mancher
Hinsicht verwandt. Unsere Fachkreise sind über sie
unterrichtet, sowohl über die wissenschaftlichen An-
stalten (siehe den vorzüglichen Bericht von Geheimrat

Schwenke im Zentralblatt für Bibliothekswesen) wie
über die vielseitigen Volksbüchereien. Ich habe mich
zuvörderst in den Fachbibliotheken für Kunst und
Kunstgewerbe umgesehen. Dort freilich fand ich mit
Ausnahme der amerikanischen Kunstliteratur nicht viel
zu lernen. Diese Literatur ist zwar an sich noch un-
beträchtlich, uns aber doch allzuwenig zugänglich;
ich habe deshalb davon mitgebracht, was für uns von
Wert schien. Bei der Wahl haben mich die Kollegen
im Metropolitan-Museum und in der Kunstabteilung
der Free public library von New York, Mr. Clifford
und Dr. Weitenkamp, freundschaftlichst unterstützt. Was
wir von künstlerischen Fachbibliotheken verlangen,
handliche Sammlungen von Einzelblättern, Kataloge
für die Praktiker u. dgl., hat drüben noch wenig ent-
wickelt werden können. Einen lebhaften Betrieb fand
ich in der Bibliothek des Kunstmuseums in Chicago,
das als Art Institute mit einer Lehranstalt verbunden
ist. Dort ist die Bibliothek eineStiftungvonMr.Ryerson
und schon deshalb auf möglichst fruchtbare Wirksam-
keit angewiesen; eine ihrer Leiterinnen hat sich in
Berlin auch bei uns Anregungen geholt. Auch deutsche
Kunstzeitschriften lagen dort in großer Zahl aus. Unter
frischerer Leitung würde auch die gewaltige Architektur-
bibliothek, die Mr. Avery der Columbia-Universität
in New York gestiftet hat und f reigiebig weiter fördert, ein
glänzendes Beispiel amerikanischer Kunstliebe und
Kunstfreude bilden. Wer entzückende Arbeitsstätten
für Sondergebiete kennen lernen will, besuche in
New York draußen die vornehme, stille Gebäudegruppe,
die der Millionär Archer W. Huntington für ver-
schiedene Zwecke errichtet und gefüllt hat, besonders
die Hispanic Society mit ihrem Museum und ihren
50000 Bänden über Kultur und Kunst Spaniens, eine
Arbeitsgelegenheit, die kaum in Spanien ihresgleichen
findet.

Wer den wissenschaftlichen Bibliotheken nachgeht,
wird selbstverständlich in der riesigen Kongreßbiblio-
thek in Washington Lehren aller Art schöpfen. Auch

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