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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI article:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [3]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0041

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schriebenen Tierkreisbildern bei den Babyloniern mindestens
schon die Hälfte bekannt gewesen ist und daß bei ihnen
auch schon Spuren der später eingeführten Zeichen vor-
kommen. Die babylonischen Tierkreisbilder befinden sich
oft auf Grenzsteinen eingemeißelt. Die Zeit dieser Grenz-
steine mit Tierkreisbildern ist etwa das 3. Jahrhundert, aber
sie deuten noch auf eine frühere Zeit hin. Für die Jung-
frau nimmt Jensen bis 4000 v. Chr., für den Löwen, Skor-
pion und Stier 3000 v. Chr. an.

Nun wissen wir schon, daß diese Symbole auch nach
Ostasien ihren Weg gefunden haben. Ob es ein direkter
Weg oder ein Umweg war, ist nicht sicher. Letronne,
der den Griechen überhaupt, wohl sich auf Endemos
auf Rhodos stützend, die Urheberschaft am Tierkreis zu-
weist, meint, daß diese Symbole von den Griechen aus
über Ägypten und von hier aus erst durch die Entwick-
lung der alexandrinischen Astronomie bis nach Indien ver-
breitet worden seien. Von A. W. v. Schlegel wurde die
Meinung verfochten, daß die Inder die selbständigen Er-
finder des Tierkreises wären. Jedenfalls aber ist sicher,
daß China und Japan von Indien aus zu diesen Symbo-
len kamen, denn auch nach
anderen Richtungen drangen
die Tierkreisbilder von Indien
aus; Sumatra und Java z. B.
wurden von Indien aus ko-
lonisiert, und die Toba-Batak
auf Westsumatra haben noch
jetzt Tierkreisbilder in Zau-
berbüchern (eine Abbildung
bei Ginzel, III. Bd. S. 364).
Allerdings erscheinen die
Symbole hier in stark ab-
strahierter Form und auch
mit einigen wesentlichen Ver-
änderungen; die Jungfrau ist
als eine Art Habicht oder
Fabelvogel dargestellt, der
Schütze als ein dreiteiliges
baumartiges Ornament, die
Zwillinge, die auch als Wür-
mer gedeutet werden, als ein

Band von Blattformen mit wechselnd aufgerollten Spitzen,
der Stier als Insekt, der Krebs als eine Art Frosch, der
Löwe als Tiger, die Wage als ornamentähnlicher Baum,
der Skorpion als Stein, der Steinbock als Taschenkrebs,
der Wassermann als Steinkrug, die Fische als Fisch-
teich. Weniger verändert sind die Tierkreisbilder auf Java,
die hier auf becherförmigen Gefäßen aus Kupferblech zu
finden sind und von denen sich Exemplare im Rijks-Museum
van Oudheden in Leyden und im Museum van Natura Artis
Magistra in Amsterdam befinden; sie sollen dem 13. Jahr-
hundert n. Chr. angehören.

Von Griechenland aus ward der Tierkreis aber auch
auf das Abendland übertragen, und dieser Weg sei nur
mit einigen Beispielen belegt. Ptolemäus, der griechisch-
römische Astronom des 2. Jahrhundert n. Chr. führt die
Tierkreisbilder in seinem Almagest an, der Kirchenvater
Augustinus, der Bischof von Hippo in Afrika war (5. Jahr-
hundert), erwähnt die Tierkreisbilder von Dendera, ohne
aber deren Bedeutung zu kennen, und im 7. Jahrhundert
widerfuhr es diesen Tierkreisbildern, deren Bedeutung nun
ganz vergessen war, daß die christlichen koptischen Mis-
sionare sie als die heiligen Symbole der zwölf Apostel
erklärten. Nach Halevy (Revue de l'histoire des religions,
Teil XXII) wanderten sie unter dieser Deutung mit der
Verbreitung des Christentums aufs neue nach Asien und
auch zu den türkischen Völkern, die diese Symbole nun

aber zur Bezeichnung der Jahre gebrauchten. Im Mittelalter
finden sie sich auch auf arabischen Globen. Im Abend-
lande aber bleibt wohl auch dieselbe Deutung. Der Tier-
kreis befindet sich im Schriftkörper eines Initials aus der
in der Klosterkirche zu Tours entstandenen Bibel Karls des
Kahlen (843—877), ferner als Skulptur an vielen katho-
lischen Kirchen der Gironde, z. B. in Bazas, in Amiens,
an Notredame zu Paris und an der Kathedrale zu Chartres.
Dürer zeichnete 1496 für den Nürnberger Arzt Ulsenius
(Ultzen) das Titelblatt einer Flugschrift über die Pest und
setzte über das Haupt des Pestkranken den Tierkreis. Die
Planetenbücher, deren bekanntestes das des Hans Sebald
Beham von 1531 ist, konnten natürlich ohne den Tierkreis
nicht auskommen. Ebenfalls war es natürlich, daß der Tier-
kreis zu den wichtigsten Schmuckmotiven an den alten astro-
nomischen Uhren (Straßburg, Lübeck, Heilbronn, Prag u. a.)
verwendet wurde. Weniger selbstverständlich waren die
Tierkreisbilder in dem seinerzeit berühmten Mosaikfußboden
im Bürgersaal;',des Amsterdamer Rathauses (18. Jahrhundert).
Von zeitgenössischen Künstlern, die den Tierkreis symbolisch
gebrauchten, seien nur Klinger und Hans Thoma erwähnt.

Was wir heute bestimmt
sagen können, daß die künst-
lerischeVerwendungderTier«
kreisbilder nicht mehr wegen
ihrer astrologischen Deutung
im einzelnen, sondern nur
noch als herkömmliche Sym-
bole eines kosmischen An-
klangs gebraucht werden,
gilt vielleicht auch schon für
die hier genannten Beispiele
aus alter christlicher Zeit. Es
ist aber doch auch vom kunst-
gewerblichen Standpunkte
aus nicht ohne Reiz, einmal
dieser einstigen astrologi-
schen oder mythologischen
Bedeutung der einzelnen
Sternbilder nachzugehen.
Diese muß natürlich sich
nach den jeweiligen Kult-
kreisen, von denen die Tierkreisbilder übernommen wer-
den, außerordentlich verschieden zeigen. Bald spricht die
Deutung die Beziehungen der Astrologie, wie im alten
Ägypten, wo die Himmelsbeobachtung ja nicht nur Kultus,
sondern »angewandte« Wissenschaft war, zur Landbewirt-
schaftung und zur Ausnützung der Jahreszeiten aus, bald
klingen in den Deutungen Mythen und kosmogenische
Legenden an, und wir werden darüber am besten klar,
wenn wir die Tierkreisbilder der Reihe nach in ihren ver-
schiedenen Auslegungen ansehen.

Das Sternbild des Widders soll das sein, unter dessen
Zeichen, d. h., wenn die Sonne darin steht, also im April,
im alten Ägypten die Lämmer geboren wurden. In grie-
chischer Deutung gilt dieses Zeichen als der Widder des
Phrixos, einer der Argonauten. In Babylonien deutet (nach
Kuglet) der Widder auf den Namen eines starken, im Wasser
lebenden Tieres, etwa auf den Schwertfisch; in den Be-
schreibungen des Plinius und des Aelian, die den Schwert-
fisch als einen Widder wegen seiner Kraft und Schnellig-
keit bezeichnen, soll diese Vermutung eine Stütze finden.
In der Tiamat-Legende (tiatnat — das Meer) gehören außer
einem Skorpionmensch, Fischmensch und Ziegenfisch auch
ein Widder zu den Helfern des Meeres.

Der Stier, der mit dem Pegasus zusammen früher ein
Sternbild war, ward bei den Babyloniern durch ein dämonen-
haftes Tier mit Triangel und Keule dargestellt. Bei den

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