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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0048

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Um den Geschmack der Bevölkerung zu heben, um sie
vor dem in großen Mengen hereindringenden Schund zu
warnen und sie anzuhalten, guten und den Verhältnissen
angepaßten Hausrat zu kaufen, wurden in den zerstörten
Kreisen — zum Teil im Anschluß an kleine Ausstellungen
— volkstümliche Vorträge über guten Hausrat und Wand-
schmuck an der Hand von Lichtbildern mit Beispielen und
Gegenbeispielen gehalten. Weitere Lichtbildervorträge über
Heimatschutz und über gutes und schlechtes Bauen sind
in Vorbereitung.

Firmen aller Art, Architekten, Handwerker usw. bieten
ihre Mitwirkung beim Wiederaufbau an und stellen Fragen,
die erschöpfende Beantwortung verlangen. Behörden, In-
nungen, Handwerkskammern, Künstler und Kunstgewerbler
kommen ebenfalls mit Anträgen und Gesuchen. Das Dar-
niederliegen des Bauhandwerks im übrigen Deutschland
lenkt von überall her die Aufmerksamkeit der Beteiligten
auf Ostpreußen.

Der dadurch erforderlich gewordene rege Auskunfts-
dienst in allen gewerblichen Angelegenheiten wird beim
Oberpräsidium unter Mitwirkung des ihm als gewerblichen
Sachverständigen hierzu nebenamtlich überwiesenen Leiters
des Fortbildungsschulwesens im Regierungsbezirk Königs-
berg versehen.

Pflege der Kriegergräber.

Da die Kriegsgebiete der Provinz zahlreiche Krieger-
gräber aufweisen, so gewann die Frage der künstlerischen
Gestaltung der Kriegergrabmale und Begräbnisplätze eine
besondere Bedeutung. Schon am 3. März 1915 hat der
Provinziallandtag beschlossen, die Pflege der in Ostpreußen
befindlichen Gräber — auch unserer Feinde — auf Kosten
der Provinz zu übernehmen, soweit ihre dauernde Pflege
nicht auf andere Weise gewährleistet wird. Im Laufe des
Sommers sind dann Richtlinien an die Landräte ergangen,
die in der Hauptsache darauf hinzielten, die vorhandenen
Gräber festzustellen, Zusammenlegungen, wenn nötig, vor-
zunehmen und den Grabstätten einen vorläufigen aber
würdigen Schmuck durch Grün und durch ein einfaches
Holzkreuz zu geben. Bedauerlicherweise ist trotzdem an
einzelnen Stellen in dem Bestreben, die Gefallenen schon

jetzt durch Aufstellen von Denkmälern zu ehren, mancher-
lei künstlerisch Wertloses geschaffen worden. Infolgedessen
ist inzwischen!;eine »Beratungsstelle für Heldengräber« in
Ostpreußen unter dem Vorsitz des Direktors der Kgl. Kunst-
und Gewerbeschule (Reg.-Baum. Edmund May) gegründet
worden, die in enger Fühlung mit den Landräten und Be-
zirksarchitekten eine umfangreiche, beratende und anregende
Tätigkeit auf diesem Gebiete begonnen hat.

Freiwillige Liebestätigkeit.

Die Münchener Ostpreußenhilfe hatte zunächst etwa
500000 M. gesammelt; aus diesen Mitteln wurden durch
Münchener Handwerker und Fabrikanten Wohn- und Schlaf-
zimmereinrichtungen einfacher Art nach Künstlerentwürfen
angefertigt, und um eine möglichst zahlreiche und gerechte
Verteilung zu ermöglichen, auf Wunsch des Oberpräsidenten
nicht völlig geschenkweise, sondern gegen Zahlung eines
Teils des Wertes den Kriegsbeschädigten angeboten. Um
gleichzeitig ganz allgemein bildend auf den Geschmack der
Bevölkerung einzuwirken, um Schund abzuwehren und die
Tischler anzuregen, guten, gediegenen Hausrat zu liefern,
sind diese Münchener Zimmer in 19 Städten der Provinz
als vollständig wohnlich eingerichtete Musterbeispiele aus-
gestellt und durch Musterbeispiele erläutert worden.

Bisher sind daraufhin etwa 2750 Wünsche auf Lieferung
eingegangen, die fast durchweg befriedigt werden können.

Die Augsburger Ostpreußenhilfe hat gleichfalls eine
große Zahl von neuen Wohn- und Schlafzimmern und Küchen
gespendet, die zum größten Teil an gänzlich unbemittelte
oder durch Krankheit verarmte Kriegsbeschädigte unent-
geltlich abgegeben sind. Auch eine Anzahl von zerstörten
Schwesterstationen konnte mit diesem schönen Hausrat ver-
sorgt werden.

Eine Spende von zirka 22 trefflichen Zimmereinrichtungen
sandte die Landshuter Ostpreußenhilfe.

Die »Ostpreußenhilfe« ist dann mehr und mehr zum
Kennwort eines großen Hilfsunternehmens geworden, das
die von dem früheren Landrat inGumbinnen, jetzigen,Polizei-
präsidenten von Berlin-Schöneberg, Freiherrn von Lüding-
hausen ins Leben gerufene »Patenschaftsbewegung« umfaßt.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwag, Berlin-Zehlendorf-Mitte
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., in Leipzig
 
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