Salem (Mass.)
Friedhof an der Charter-Street
den mittleren Landschaften des Ostens bewahrt und ehrt das
gemessene Philadelphia seine Art von Ziegelhäusern mit
Hausteinzieraten von tüchtiger Zeichnung, das von Deutschen
gegründete Germantown Stein- und Putzbauten mit seltsamen
langen Schutzdächern über dem Erdgeschoß, einem Lieblings-
motiv seiner ersten Siedler; in Baltimore fand ich lange
Straßenzüge mit schönen Reihenhäusern, an denen besonders
die flachbogigen Oberlichte über den Eingängen mit launig
durchbrochenem Qußeisenwerk ins Auge fielen. Leider habe
ich zu spät von dem südlichen Rothenburg erfahren, der
stillen Hauptstadt des Staates Maryland, Annapolis, das früh
ein blühendes Kulturzentrum gewesen und seit 1780 zugunsten
von Baltimore vereinsamt ist. Dort haben die Bürger von
Anfang an den Mittelpunkt der Stadt für die öffentlichen
Gebäude, Parks und vornehmen Bürgerhäuser vorbehalten,
die noch heute dort eine köstliche Einheit ausmachen.
In den Südstaaten der Union sind von alters her die
Wirtschaft, die Gesellschaft und die Baukunst auch der eng-
lischen Ansiedler eigene Wege gegangen. Auf den weiten
Tabakspflanzungen herrschte nicht, wie im Norden, ein
Mittelstand in bescheidenen Ortschaften, sondern reiche
Besitzer auf üppigen, schloßartigen Landsitzen, in Herren-
häusern mit großen, luftigen Räumen, breiten Veranden und
hohen Vorhallen. Vor ihnen hat der Architekt seine Ordnungen
stolz über zwei Geschosse hochgeführt; hier wurde reiches
Beiwerk aus England oder Frankreich importiert, selbst ein
Portalgitter aus Schmiedeeisen. Aber mit dem Bürgertum hat es auch am bürgerlichen Handwerk gefehlt, und,
soweit die Veröffentlichungen schließen lassen, ist die künstlerische Kultur mehr äußerlich als innerlich geblieben.
Auch die Innenkunst von einst kann man in Salem am besten kennen lernen. Die Bürger haben nicht viel
geändert, manches bewußt erhalten und gepflegt; einige zeigen heute ihre Häuser gern, besonders um die Tee-
stunde, gegen ein bescheidenes Teegeld. Das Treppenhaus meist schmal, nur selten zur Diele erweitert; über-
raschend die überreich gedrechselten Geländer mit krausen, künstlichsten Docken und Pfosten, eine Besonder-
heit von Salem. Die Wände der Zimmer selten ganz getäfelt, meist nur mit sockelhohem Holzwerk. Darüber
in Zimmern und Fluren fröhliche bunte Tapeten mit weiten Landschaften und belebten Vorgängen, unter denen
auch Indianer nicht fehlen, treffliche Drucke, von denen sich nicht immer feststellen läßt, ob sie eingeführt oder
in Amerika hergestellt worden sind. Sie kommen in solcher Zahl und Größe bei uns selten vor. Das Schmuck-
stück im Zimmer pflegt der Kamin zu bilden, aus Holz zierlich geschnitzt oder aus feinem weißen Marmor mit
zierlichem antiken Ornament; die feinsten werden dem Architekten Mc Intire zugeschrieben. Stuckdecken sind
in dem sparsamen Salem selten. Doch gibt es in anderen Städten stattliche Beispiele aus dem Barockstil und
namentlich dem Klassizismus. Aber die Handwerker wußten, so schien mir, die Technik nicht zu meistern.
Auch die Zeichnung ist selbst in öffentlichen Bauten,
wie etwa dem Staatshaus in Boston, ohne Anmut.
Die Geschichte der beweglichen Erzeugnisse
des Kunstgewerbes in Amerika, der Möbel und
Geräte, ist schwer zu schreiben, weil die Aus-
wanderer von ihrer Habe manches mitgebracht
und weiterhin Bedarf aller Art aus der Heimat
eingeführt haben. Amerikanische Forscher haben
aus alten Inventaren mancherlei über den einstigen
Bestand ermittelt; hin und wieder läßt sich ein
Einzelstück als amerikanische Arbeit beglaubigen;
allein über die Handwerker kann man wenig Aus-
kunft gewinnen, da sie nicht zu Zünften geordnet
waren, und die Formen lassen sich durchweg von
den gleichzeitigen englischen kaum unterscheiden.
Man ist immer wieder im Zweifel, ob man ein Stück
als importierte oder amerikanische Arbeit an-
sprechen soll. In den liebevoll gepflegten Möbel-
sammlungen, die zum Teil schon als Stiftungen in
den Museen stehen (Sammlung H. Eugene Bolles
in New York, eine schöne Sammlung in Provi-
■JMMMj
Salem (Mass.)
Friedhof an der Charter-Street
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Friedhof an der Charter-Street
den mittleren Landschaften des Ostens bewahrt und ehrt das
gemessene Philadelphia seine Art von Ziegelhäusern mit
Hausteinzieraten von tüchtiger Zeichnung, das von Deutschen
gegründete Germantown Stein- und Putzbauten mit seltsamen
langen Schutzdächern über dem Erdgeschoß, einem Lieblings-
motiv seiner ersten Siedler; in Baltimore fand ich lange
Straßenzüge mit schönen Reihenhäusern, an denen besonders
die flachbogigen Oberlichte über den Eingängen mit launig
durchbrochenem Qußeisenwerk ins Auge fielen. Leider habe
ich zu spät von dem südlichen Rothenburg erfahren, der
stillen Hauptstadt des Staates Maryland, Annapolis, das früh
ein blühendes Kulturzentrum gewesen und seit 1780 zugunsten
von Baltimore vereinsamt ist. Dort haben die Bürger von
Anfang an den Mittelpunkt der Stadt für die öffentlichen
Gebäude, Parks und vornehmen Bürgerhäuser vorbehalten,
die noch heute dort eine köstliche Einheit ausmachen.
In den Südstaaten der Union sind von alters her die
Wirtschaft, die Gesellschaft und die Baukunst auch der eng-
lischen Ansiedler eigene Wege gegangen. Auf den weiten
Tabakspflanzungen herrschte nicht, wie im Norden, ein
Mittelstand in bescheidenen Ortschaften, sondern reiche
Besitzer auf üppigen, schloßartigen Landsitzen, in Herren-
häusern mit großen, luftigen Räumen, breiten Veranden und
hohen Vorhallen. Vor ihnen hat der Architekt seine Ordnungen
stolz über zwei Geschosse hochgeführt; hier wurde reiches
Beiwerk aus England oder Frankreich importiert, selbst ein
Portalgitter aus Schmiedeeisen. Aber mit dem Bürgertum hat es auch am bürgerlichen Handwerk gefehlt, und,
soweit die Veröffentlichungen schließen lassen, ist die künstlerische Kultur mehr äußerlich als innerlich geblieben.
Auch die Innenkunst von einst kann man in Salem am besten kennen lernen. Die Bürger haben nicht viel
geändert, manches bewußt erhalten und gepflegt; einige zeigen heute ihre Häuser gern, besonders um die Tee-
stunde, gegen ein bescheidenes Teegeld. Das Treppenhaus meist schmal, nur selten zur Diele erweitert; über-
raschend die überreich gedrechselten Geländer mit krausen, künstlichsten Docken und Pfosten, eine Besonder-
heit von Salem. Die Wände der Zimmer selten ganz getäfelt, meist nur mit sockelhohem Holzwerk. Darüber
in Zimmern und Fluren fröhliche bunte Tapeten mit weiten Landschaften und belebten Vorgängen, unter denen
auch Indianer nicht fehlen, treffliche Drucke, von denen sich nicht immer feststellen läßt, ob sie eingeführt oder
in Amerika hergestellt worden sind. Sie kommen in solcher Zahl und Größe bei uns selten vor. Das Schmuck-
stück im Zimmer pflegt der Kamin zu bilden, aus Holz zierlich geschnitzt oder aus feinem weißen Marmor mit
zierlichem antiken Ornament; die feinsten werden dem Architekten Mc Intire zugeschrieben. Stuckdecken sind
in dem sparsamen Salem selten. Doch gibt es in anderen Städten stattliche Beispiele aus dem Barockstil und
namentlich dem Klassizismus. Aber die Handwerker wußten, so schien mir, die Technik nicht zu meistern.
Auch die Zeichnung ist selbst in öffentlichen Bauten,
wie etwa dem Staatshaus in Boston, ohne Anmut.
Die Geschichte der beweglichen Erzeugnisse
des Kunstgewerbes in Amerika, der Möbel und
Geräte, ist schwer zu schreiben, weil die Aus-
wanderer von ihrer Habe manches mitgebracht
und weiterhin Bedarf aller Art aus der Heimat
eingeführt haben. Amerikanische Forscher haben
aus alten Inventaren mancherlei über den einstigen
Bestand ermittelt; hin und wieder läßt sich ein
Einzelstück als amerikanische Arbeit beglaubigen;
allein über die Handwerker kann man wenig Aus-
kunft gewinnen, da sie nicht zu Zünften geordnet
waren, und die Formen lassen sich durchweg von
den gleichzeitigen englischen kaum unterscheiden.
Man ist immer wieder im Zweifel, ob man ein Stück
als importierte oder amerikanische Arbeit an-
sprechen soll. In den liebevoll gepflegten Möbel-
sammlungen, die zum Teil schon als Stiftungen in
den Museen stehen (Sammlung H. Eugene Bolles
in New York, eine schöne Sammlung in Provi-
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Salem (Mass.)
Friedhof an der Charter-Street
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