Salem (Mass.)
Türklopfer im Museum
dence R. I.) wie offenbar auch bei der Ausstellung, die das
Metropolitan Museum 1909 aus Anlaß der Hudson-Fulton-Feier
veranstaltet hat, ist Englisches und Amerikanisches nicht leicht
zu trennen. Am ehesten noch an den derben Eichenholzmöbeln
des 17. Jahrhunderts, den Truhen, Kredenzschränken, Stühlen
und Tischen; die gangbaren Formen und Zieraten der englischen
Spätrenaissance sind oft so unbeholfen und naiv volksmäßig
wiederholt, daß man auf Hände schließen muß, die den Quellen
dieser Kunst noch ferner waren als selbst der bäuerliche Schnitzer
in der Heimat. Aber seit das Nußholz und mit dem Beginn
des 18. Jahrhunderts das Mahagoniholz einsetzten und gleich-
zeitig bequemere Gebrauchstypen, die Kommode, der Kasten-
schrank, die handlicheren Lehn- und Armstühle, da folgt auch
der amerikanische Tischler seinen englischen Genossen und
ihren weitverbreiteten Vorlagewerken willenlos durch alle Wand-
lungen vom Barock zum Rokoko, Zopfstil und strengeren Klassi-
zismus. Selbst der tüchtige Meister Duncan Phyfe, von dem
man neuerdings einiges Wesen macht, ist 1784 aus Schottland
eingewandert und hat sich in seinem langen Leben von dem
jeweiligen Geschmack seiner Heimat nie weit entfernt.
Sicherer geht man in der Geschichte des Silbers, weil die
Silberschmiede ihre Arbeiten mit dem Anfangsbuchstaben ihres
Namens, später mit ihrem vollen Namen zu stempeln pflegten.
Stadtzeichen kamen erst seit der Revolution auf; eine Beschau
gab es nicht. So hat man, zuerst 1906 auf einer Leihausstellung
im Museum von Boston, später bei der Hudson-Fulton-Aus-
stellung und abermals in Boston 1911, vielerlei Meisternamen und beglaubigte Stücke vereinigen können, von
den frühen bürgerlichen Typen der Renaissance und des Barock, den Humpen, Bechern, Suppennäpfen u. dgl.,
bis zu dem reicheren Tafelgeschirr der fortschreitenden gesellschaftlichen Kultur, den Tee- und Kaffeekannen,
Milchgüssen, Zuckerdosen u. a. Sie alle begnügen sich indessen, ebenso wie die noch zahlreich erhaltenen Kirchen-
geräte, mit einfachen, meist ganz glatten Formen, auch in den einzelnen Verhältnissen und Profilen herzlich nüchtern
und geistlos. Die Anregung, die sich hier gewinnen läßt, ist mehr negativ als positiv, mehr hemmend als fördernd.
Auch Zinngießer lassen sich durch Stempel und Marken im 18. Jahrhundert in den verschiedenen Hauptstädten
nachweisen. Auch sie haben sich, soweit ich sehen konnte, auf bescheidene, gangbare Formen beschränkt. Aber
ihre Ware hat sich lange auf dem Speisetisch und dem Geschirrbort selbst des Mittelstandes behauptet, da man
Tafelgerät aus Porzellan und Steingut nur einführen konnte und erst spät im Lande selbst verfertigte. Die Kennt-
nis bleiglasierter Töpferware brachten, wie es heißt, deutsche Töpfer aus der Pfalz nach Pennsylvania mit; zinn-
glasierte Ware im Sinne der Del fter Fayence soll vereinzelt gegen 1700
gemacht worden sein. Die Fabrikation von Porzellan aber hat erst
1816 eingesetzt. Dagegen hat der tätige Forscher E. A. Barber er-
mittelt, daß die ersten Ansiedler in Jamestown in Virginia schon
gleich nach ihrer Ankunft 1609 Fensterscheiben und Flaschen aus Glas
herstellten und seit 1621 Glasperlen zum Austausch mit den Indianern
fabrizierten. Eine eigene, unter den Sammlern jetzt hoch geschätzte
Glashütte hat von 1762 bis 1784 der Freiherr Heinrich Wilhelm
von Stiegel in der Siedelung Mannheim in Pennsylvanien unter-
halten; er ließ Gebrauchsglas, auch gefärbt und mit Relief ver-
ziert, in Formen blasen.
Wie in der Baukunst, so hat sich auch in der Wohnung die
alte, nüchterne, aber gesunde Kultur bis weit in das 19. Jahrhundert
hinein erhalten. Ich bin in älteren Familien von New York, in
Kreisen, die aus Liebe zur Scholle noch heute das Haus ihrer Väter
und Großväter in den heute widerwärtigen inneren Stadtvierteln
bewohnen, wie etwa die Enkel des alten Philanthropen Peter Cooper,
noch auf ansprechende Reste des gediegenen Bürgergeschmackes
gestoßen, der unserer sogenannten Biedermeierzeit entspricht. Aber
diese altkoloniale Kultur hat dem Riesenstrom der Einwanderer und
derUnkunst, die sie mitbrachten, nicht standgehalten. Es mußten zwei
Menschenalter vergehen, bis Amerika versucht, die Saat für eine neue
Formenwelt zu streuen, die erst in der Zukunft reifen wird.
PETER JESSEN. Boston (Mass.) Fußkratzer in der Beacon Street
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Türklopfer im Museum
dence R. I.) wie offenbar auch bei der Ausstellung, die das
Metropolitan Museum 1909 aus Anlaß der Hudson-Fulton-Feier
veranstaltet hat, ist Englisches und Amerikanisches nicht leicht
zu trennen. Am ehesten noch an den derben Eichenholzmöbeln
des 17. Jahrhunderts, den Truhen, Kredenzschränken, Stühlen
und Tischen; die gangbaren Formen und Zieraten der englischen
Spätrenaissance sind oft so unbeholfen und naiv volksmäßig
wiederholt, daß man auf Hände schließen muß, die den Quellen
dieser Kunst noch ferner waren als selbst der bäuerliche Schnitzer
in der Heimat. Aber seit das Nußholz und mit dem Beginn
des 18. Jahrhunderts das Mahagoniholz einsetzten und gleich-
zeitig bequemere Gebrauchstypen, die Kommode, der Kasten-
schrank, die handlicheren Lehn- und Armstühle, da folgt auch
der amerikanische Tischler seinen englischen Genossen und
ihren weitverbreiteten Vorlagewerken willenlos durch alle Wand-
lungen vom Barock zum Rokoko, Zopfstil und strengeren Klassi-
zismus. Selbst der tüchtige Meister Duncan Phyfe, von dem
man neuerdings einiges Wesen macht, ist 1784 aus Schottland
eingewandert und hat sich in seinem langen Leben von dem
jeweiligen Geschmack seiner Heimat nie weit entfernt.
Sicherer geht man in der Geschichte des Silbers, weil die
Silberschmiede ihre Arbeiten mit dem Anfangsbuchstaben ihres
Namens, später mit ihrem vollen Namen zu stempeln pflegten.
Stadtzeichen kamen erst seit der Revolution auf; eine Beschau
gab es nicht. So hat man, zuerst 1906 auf einer Leihausstellung
im Museum von Boston, später bei der Hudson-Fulton-Aus-
stellung und abermals in Boston 1911, vielerlei Meisternamen und beglaubigte Stücke vereinigen können, von
den frühen bürgerlichen Typen der Renaissance und des Barock, den Humpen, Bechern, Suppennäpfen u. dgl.,
bis zu dem reicheren Tafelgeschirr der fortschreitenden gesellschaftlichen Kultur, den Tee- und Kaffeekannen,
Milchgüssen, Zuckerdosen u. a. Sie alle begnügen sich indessen, ebenso wie die noch zahlreich erhaltenen Kirchen-
geräte, mit einfachen, meist ganz glatten Formen, auch in den einzelnen Verhältnissen und Profilen herzlich nüchtern
und geistlos. Die Anregung, die sich hier gewinnen läßt, ist mehr negativ als positiv, mehr hemmend als fördernd.
Auch Zinngießer lassen sich durch Stempel und Marken im 18. Jahrhundert in den verschiedenen Hauptstädten
nachweisen. Auch sie haben sich, soweit ich sehen konnte, auf bescheidene, gangbare Formen beschränkt. Aber
ihre Ware hat sich lange auf dem Speisetisch und dem Geschirrbort selbst des Mittelstandes behauptet, da man
Tafelgerät aus Porzellan und Steingut nur einführen konnte und erst spät im Lande selbst verfertigte. Die Kennt-
nis bleiglasierter Töpferware brachten, wie es heißt, deutsche Töpfer aus der Pfalz nach Pennsylvania mit; zinn-
glasierte Ware im Sinne der Del fter Fayence soll vereinzelt gegen 1700
gemacht worden sein. Die Fabrikation von Porzellan aber hat erst
1816 eingesetzt. Dagegen hat der tätige Forscher E. A. Barber er-
mittelt, daß die ersten Ansiedler in Jamestown in Virginia schon
gleich nach ihrer Ankunft 1609 Fensterscheiben und Flaschen aus Glas
herstellten und seit 1621 Glasperlen zum Austausch mit den Indianern
fabrizierten. Eine eigene, unter den Sammlern jetzt hoch geschätzte
Glashütte hat von 1762 bis 1784 der Freiherr Heinrich Wilhelm
von Stiegel in der Siedelung Mannheim in Pennsylvanien unter-
halten; er ließ Gebrauchsglas, auch gefärbt und mit Relief ver-
ziert, in Formen blasen.
Wie in der Baukunst, so hat sich auch in der Wohnung die
alte, nüchterne, aber gesunde Kultur bis weit in das 19. Jahrhundert
hinein erhalten. Ich bin in älteren Familien von New York, in
Kreisen, die aus Liebe zur Scholle noch heute das Haus ihrer Väter
und Großväter in den heute widerwärtigen inneren Stadtvierteln
bewohnen, wie etwa die Enkel des alten Philanthropen Peter Cooper,
noch auf ansprechende Reste des gediegenen Bürgergeschmackes
gestoßen, der unserer sogenannten Biedermeierzeit entspricht. Aber
diese altkoloniale Kultur hat dem Riesenstrom der Einwanderer und
derUnkunst, die sie mitbrachten, nicht standgehalten. Es mußten zwei
Menschenalter vergehen, bis Amerika versucht, die Saat für eine neue
Formenwelt zu streuen, die erst in der Zukunft reifen wird.
PETER JESSEN. Boston (Mass.) Fußkratzer in der Beacon Street
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