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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Hoeber, Fritz: Emil Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0087

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Zu all dieser »optischen Komik« gesellt sich
natürlich bei dem Illustrator die literarische, aus dem
Stoff der Erzählung gewonnene, und hier versteht
Emil Preetorius alle Töne zu treffen, die idyllischen
des biedermeierlichen Humors (Vollbilder zu Jean
Pauls »Leben und seliges Sterben des ehrsamen Schul-
meisterlein Wuz in Auenthal« und zu Joseph von
Eichendorffs »Aus dem Leben eines Taugenichts«)
wie die schneidige Satire (Illustrationen zu Claude
Tilliers »Mein Onkel Benjamin« und Buchtitel »Unsere
Feinde«) oder die travestierende Komik (Illustrationen
zu Daudets »Tartarin« und die Buchtitel zu Ettlingers
verschiedenen Briefsammlungen des russischen Kriegs-
gefangenen und Erzaufschneiders »Lausikoff«).

III. FORM UND STIL

In dem genannten Buch polemisiert Max Lieber-
mann mit Recht gegen eine Trennung von Technik
und Phantasie: So wär's denn auch falsch, Preetorius'
Humor nur in Inhalt und Darstellung seiner Schöp-
fungen zu suchen, nicht aber in dem spezifisch Zeich-
nerischen: in Punkt und Linie, Flächenbehandlung
und Raumverteilung, Ausdehnung und Begrenzung
der Körper.

Aus der Betrachtung von Preetorius' Werk ließe
sich eine ganze Psychologie der besonderen komischen
Linie herausanalysieren: Nicht in ruhig rundem Zuge
umfließt diese die Gestalten, sondern sie liebt im
Gegenteil das Unvorhergesehene, momentan Über-
raschende, hakt sich an allerlei neckischen Kleinig-
keiten an, wie der Hutfeder oder dem flatternden
Haubenbändel, dem Zöpfchen der Perücke, dem
lustigen Schwänzchen der Hunde oder Pferde. Gerne
läßt die für jedes Detail neugierige Linie sich auf
allerlei Musterungen der Binnenzeichnung ein, streut
Blumen, Spitzen und Bänder über die Kostüme mit
der sachlichen Kleinigkeitsliebe eines Modekünstlers,
und hierin wird dann die Linie wieder durch viele
feine Punkte unterstützt, welche der schwarz-weißen
Federzeichnung fast eine koloristische Note verleihen.
Diese zarten Punkte helfen auch öfters den Ausdruck
zu individualisieren, wofür Beispiele die bunt getönten
Federzeichnungen zum »Schulmeisterlein Wuz«, vor
allem in der Behandlung des Gesichts und der Hände,
abgeben. — Eine andere technische Feinheit von Emil
Preetorius besteht in der gleichzeitigen Verwendung
von Tuschfeder und Bleistift, durch die ein größerer
Reichtum von Tonabstufungen erlangt wird (Voll-
bilder zu Jean Pauls »Giannozzo«).

Wenn auch unser Zeichner eine künstlerische
Vorliebe für das scharf sich abgrenzende Silhouetten-
bild besitzt, so neigt sein malerischer Stil doch, um
Wölfflins Begriffe zu gebrauchen, mehr zur offenen
als zur geschlossenen Form hin1): obwohl die eigent-

1) Wölfflin a. a. O. S. 130: Gemeint ist — unter dem
Stil der geschlossenen Form — eine Darstellung, die mit
mehr oder weniger tektonischen Mitteln das Bild zu einer
in sich selbst begrenzten Erscheinung macht, die überall
auf sich selbst zurückdeutet; wie umgekehrt der Stil der
offenen Form überall über sich selbst hinausweist, unbe-
grenzt erscheinen will.

liehe Technik des Künstlers streng im Linearen ver-
läuft, sich durch die Linie definieren läßt — nur
selten, wie bei den Lithographien zu Eichendorffs
»Taugenichts« verschwimmt der hier rauher geführte
Strich zu schattiger Masse —, so fransen sich doch
seine Gestalten überall aus, suchen auf jede erdenk-
liche Art mit dem Qrund Fählang zu gewinnen.
Diese absolut malerische, atektonische und antitekto-
nische Tendenz ist die innere Ursache von Preetorius'
Vorliebe für den Schnörkel, für die Lockerung und
Ausschnörkelung des darzustellenden Objekts. Das
offenbart sich in seinen Naturskizzen, etwa seinen Akt-
und Porträtstudien (Lithographische Mappe, Kurt Wolif
Verlag, Leipzig), aber auch in allen seinen buch-
gewerblichen Arbeiten wie Vignetten, Exlibris und
Verlagssigneten1). Das Malerische der offenen Form
stellt Preetorius auf die Seite der aphoristisch arbeiten-
den Zeichner des Simplizissimuskreises, wie Th. Th.
Heine, Olaf Qulbranson, Pascin, die gemütsphantastisch
ihren Ausgang von der literarischen Idee hernehmen,
während der Gegenpol sich in jenen architektonischen
Systematikern, Paul Renner, Walter Tiemann, F. fi.
Ehmcke, dem Buchkünstler Peter Behrens, darstellt,
bei denen das Primäre der räumliche Aufbau des
Blattes ist: Es liegt kein Grund vor, wertend das eine
Prinzip durch das andere aburteilen zu wollen, beide
können zur ästhetischen Vollkommenheit führen.

Dennoch bedarf auch die gelöste malerische Hal-
tung, die Preetorius seinen Zeichnungen zu verleihen
liebt, der tektonischen Rahmung: er findet sie des
öftern in den zarten Formen des Biedermeier (Oval-
und Rechteckrahmen der Illustrationen zu Claude
Tilliers »Onkel Benjamin«, auf vielen Buchdeckeln
und Reklamedrucksachen), ohne freilich je in skla-
vischer Stilistik zu historisieren, wie dies etwa ein von
Dürer abhängiger Zeichner wie Josef Sattler getan hat.

Das Gesagte gilt natürlich auch für das andere
Hauptgebiet der Preetoriusschen Zeichenkunst: die
Plakate. Sie gleichfalls zeigen den gelockerten Stil
der offenen Form, und darin wird dann, dem markt-
schreierischen Wesen der Reklame gemäß2), in schmis-

1) Es ist für die Wesenserkenntnis unsers Künstlers
lehrreich, sein Verlagssignet für den Inselverlag (Almanach
auf das Jahr 1913) mit dem einstmals von Peter Behrens
gezeichneten zu vergleichen: das nämliche Motiv, das Segel-
schiffchen, rundet sich bei diesem in architektonisch be-
ruhigter Geschlossenheit, indessen bei Preetorius es sich
mit vollen Segeln und flatternden Wimpeln in die offene
Weite hinausbewegt.

2) Richard Hamann: Ästhetik (Aus Natur und Geistes-
welt 345. Bd.). Leipzig 1911. S. 58ff.: Reklamekunst. »Die
Intensität, das Schreiende, sinnlich Starke ist von der Reklame
unzertrennlich, je lauter, je besser; ebenso die Konzentration,
das Sehen mit einem Blick. Die Zusammenfassung steigert
sich in der Reklame zur höchsten Prägnanz. — Die Kunst
der Reklame ist zunächst die Kunst, unsere Aufmerksamkeit
zu erwecken. Das ästhetische Erlebnis bleibt nur ein Köder,
und die Konzentration besteht nicht nur darin, dies Erleb-
nis uns zwingend zu suggerieren, sondern auch es mit
dem realen Zweck packend, notwendig zu verbinden: je
kürzer, je schlagender, desto besser. Die Konzentrierung
ist wesentlich Komprimierung. Der Witz und der zündende
Funke sind bevorzugte Mittel der Reklame.«

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