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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0125

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Treppe im Gräberbezirk von Nikko

danach fast ausgeschlossen. Auch ist man nie sicher, wie-
viel von der Sammlung man zu sehen bekommt, ob die
besten Stücke und diejenigen, an denen dem Forscher am
meisten liegt. Kurz, um japanische Sammlungen ernsthaft
zu durcharbeiten, muß man lange im Lande leben, sich
mit den schwer zugänglichen Besitzern persönlichst ver-
traut machen und, um sich vor ihrer oft sehr eindringenden
Kennerschaft zu behaupten, selber schon als Kenner der
wesentlichen Sammelgebiete vor sie treten. Eine Vertrauens-
stellung solcher Art hatte sich drüben unser verdienter
Landsmann Ernst Grosse erworben, der leider kurz vor
meiner Ankunft heimgekehrt war.

Für die Tempelschätze gilt das gleiche. Berühmte
Tempel und Klöster, die auf sich halten, bewahren oft
noch höchst kostbaren Besitz an Werken der freien Kunst
und der Nutzkunst, um so sicherer verpackt, je vornehmer
die Stätten und je angesehener die wirklichen oder angeb-
lichen Stifter solcher Altertümer sind. Auch hier bekommt
man die Kunstwerke nur nach mühseliger Einführung und
Anmeldung sowie durch persönlichen Zeitaufwand der
Geistlichen zu Gesicht. Dringt man einmal soweit vor,
so wird man allerdings hinter dem umständlichen Gebaren
eine tiefe Achtung vor der geschichtlichen Überlieferung
und den künstlerischen Werten lebendig finden und von
den feinsinnigen Bewahrern, Priestern und Mönchen, blei-
bende Eindrücke vollendeter Höflichkeit und, soweit der
flüchtige Gast beobachten kann, abgeklärten Menschentums

mitnehmen. Aber viel Zeit braucht man auch hier, für den Tee und die Unterhaltungen beim Empfang,
für die langsame Vorführung, eingehende Betrachtung und Besprechung der Stücke und für den wiederum
unter reichlichem Teegenuß zeremoniell gestalteten Abschied, bei dem der Gast wohl gar noch durch allerlei
Geschenke beschämt wird. Ich habe dabei lieber als Trinkschalen oder Kuchen hin und wieder ein Heft
mit guten Lichtdrucken der Räume oder Gegenstände heimgetragen.

Nur an wenigen Stellen sind die Besitzstücke der Tempel in verschlossenen oder sogar öffentlichen Räumen
zur Besichtigung aufgestellt, wie in der ältesten aller buddhistischen Tempelanlagen, dem altehrwürdigen
Horiuji in der Provinz Yamato, das ich von Nara aus besucht habe, oder in dem entlegenen, stillen Kloster
Chusonji im nördlichen Japan. Allerdings dient solche Aufstellung nicht immer zur Erhaltung der Schätze
und bildet leicht eine Einbruchspforte für gewandte Händler trotz aller obrigkeitlichen Verbote. Allein der
Besucher kann an solchen Orten erleben, mit welch ehrfürchtiger Scheu das Volk drüben etwa vor einer
alten, unscheinbaren Rüstung oder Schwertklinge steht, die ein berühmter Held getragen oder gestiftet hat.
Schmerzlich ist es mir gewesen, daß in meinen Aufenthalt nicht eine der Fristen fiel, in denen die vornehmste
Stätte alten Kunstgewerbes, die köstliche Schatzkammer des kaiserlichen Kunstbesitzes und Gebrauchsgerätes

aus dem achten Jahrhundert, das Schosoin des
Todaijiklosters in Nara, dem bevorzugten Be-
sucher ihre unvergleichlichen Werte öffnet. Es
ist eine Kunststätte, wie sie aus so früher Zeit
und in so ursprünglicher, durch mehr als ein
Jahrtausend behüteter Vollständigkeit sich in der
Welt nicht zum zweiten Male findet. Mit Neid
auf glücklichere Besucher habe ich vom Außen-
bezirk her zu dem ehrwürdigen Blockhaus hin-
übergelugt, das diese Kostbarkeiten birgt, und
zu den Soldaten, die es streng bewachen. Ein
Glück, das seit einigen Jahren ein treffliches, drei-
bändiges Bilderwerk (Toyei Shuko, an illustrated
Catalogue of the ancient imperial treasury called
Shosoin, Tokio 1910) von dem einzigartigen
Inhalt Kunde gibt.

Auch zu den Meisterwerken der früheren
Plastik, den durch Ausdruck und Form gleich
packenden Bronzeweihbildern, führt der Weg zum
Teil nur durch verschlossene Schatz- und Tempel-

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Tempel im Kloster Horiuji
 
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