Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI article:
Jessen, Peter: Reisestudien, [6]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0175

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mfe

Koreaner in Trauerkleidung

grauen Schattierungen, die für Korea so kennzeichnend sind, da-
neben in vielerlei Abstufungen lichteres Weiß. Unter den Glasuren
bald zarte Reliefs, bald Aufmalungen, vor allem, als landesübliche
Technik, die feinen Toneinlagen in ausgeritztem Grund. Die
Zeichnung meist Blumen nach chinesischer Art; besonders an-
sprechend die zierlich geordneten Rhythmen aus Linien und
strenger stilisierten Blättchen, die an den Geist italienischer Früh-
renaissance denken machen. So stehen sie nebeneinander in den
blanken Glasschränken, ein traumhaftes Wechselspiel zartester
Farbtöne, jener lichten Frühdämmerung ähnlich, die ich vor den
Felskuppen von Söul am Morgen meiner Abreise erlebte. Der
Zeit nach vorwiegend aus dem Mittelalter, aus der Koraidynastie,
vor 1400; später sollen durch andere Bestattungsformen Beigaben
außer Gebrauch gekommen sein.

Neben dieser Kleinkunst können sich die Gemälde, die unter
Glas gleichfalls nach besten Grundsätzen der Museumstechnik
aufgestellt sind, nicht behaupten. Anziehend und eigen nur die
scharf gefaßten Bildnisse aus dem 18. Jahrhundert, auch sie frei-
lich chinesischen Geistes.

Der energische Schöpfer des Museums hat gleichzeitig die
verwahrlosten Schätze der alten Bibliothek in neue Obhut ge-
nommen, sie in einer weiten Palasthalle auf übersichtlichen Börtern
aufstellen und durch junge japanische Gelehrte katalogisieren
lassen. Da fand ich unter den chinesischen und japanischen
Werken manches, was mich über bibliographische Zweifel auf-
klärte, die mir seit den Streifzügen durch die Buchläden von
Tokio und Kioto geblieben waren, wie etwa den »Senfgarten«

und andere berühmte Beispiele altchinesischer Farbholzschnitte, die älter sind als die der Japaner. Da gab
es aus der koreanischen Literatur die endlosen Reihen der Sammelwerke, die alte Gesetzessammlung, die
man eben jetzt ins Japanische übersetzt, und die Chronik der Li-Dynastie (1392 bis 1907) in 1187 Bänden.
Da standen vor allem aus der kaiserlichen Druckerei die alten Setzerkästen mit den Metalltypen der korea-
nischen Schrift, die als solche schon um 1400, vor unserem Gutenberg, in Gebrauch gewesen sind; die
Koreaner benützen, weiter vorgeschritten als die Chinesen, eine Buchstabenschrift aus 25 Vokalen und 19
Konsonanten in klaren, raumschönen Zügen, so daß es sich lohnte, das eine oder andere koreanische Druck-
werk auch um seiner druckkünstlerischen Wirkung willen heimzutragen. Die Grundlage ihrer Schrift bilden

einfache Striche und Kreise.

Neben der Bibliothek hat man auch ein Archiv eingerichtet
und dorthin die wertvollen, vernachlässigten Bestände des alten
Kaiserbesitzes gerettet. Das alles nach einem überlegten System
mittels der Ersparnisse aus den Einkünften des Haushaltes des
Prinzen Li, eines Oheims des jetzt in Japan lebenden jungen Thron-
erben, also ohne eigenen Aufwand vom Mutterlande her.

Der Einblick in diese Kunstverwaltung hat mir ein anschau-
liches Beispiel für die planvollen Methoden geboten, mit denen
die Japaner seit der Einverleibung ihre neue Provinz sich anzu-
gliedern wissen. Durch unseren erfahrenen, gastfreien General-
konsul Dr. Krüger eingeführt, sprach ich im Regierungspalast des
leider gerade abwesenden Gouverneurs, des jetzigen Minister-
präsidenten Terautschi, dessen Vertreter, Prinzen Yamagata, und
empfing aus seinen Händen den neuesten Rechenschaftsbericht des
Gouvernements, einen stattlichen Quartband mit Statistiken, Plänen
und Bildern aus sämtlichen Arbeitsgebieten einer modernen Landes-
verwaltung. Einen Vorgeschmack davon hatte ich schon auf der
Überfahrt von Schimonoseki her gewonnen, die vorüberführte an
Tsuschima, dem mahnenden Grab der Russenflotte. Selten habe
ich einen schöneren Dampfer benutzt, ein geräumiges, vormalig
schottisches Hospitalschiff. Im bergumsäumten Hafen von Fusan
haben die Japaner lange Hafendämme gebaut; wir legten an einem
Kai an, neben dem schon der Luxuszug zur Weiterfahrt bereit
stand. In den Stunden bis zur Abfahrt konnte ich das japanische
Händler in Söul Stadtviertel besuchen, einen Schmuckkasten der Ordnung und

141
 
Annotationen