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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0176

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Steinlaterne im Museum zu Söul

Sauberkeit, und sein Qegenbild, die regellosen, schmutzigen
Häuser- und Hüttenmassen der koreanischen Siegelung. Dann
ging es weiter im modernsten D-Zug. Er war ein Muster
sauberster Einrichtung, ähnlich dem Zuge, der mich einige
Tage darauf als einzigen Reisenden von Söul über die kore-
anische und südmandschurische Bahn bis Mukden führte. Er
bestand aus Salon-, Schlaf- und Speisewagen, in dem man
mir für zwei Mark sechs tadellos bereitete Gänge nach
europäischer Küche vorsetzte, das wohlfeilste Mahl, das ich
je in einem Speisewagen eingenommen habe. Diesen Zug
geleiteten elf Beamte, darunter junge, elegante Schaffner, die
sich mir als Führer ins japanische Eisenbahnhotel und als
Gepäckträger zur Verfügung stellten und das angebotene
Trinkgeld höflichst ablehnten. Alles aufs pünktlichste; schon
auf den bescheideneren, schmäleren Bahnen in Japan hatte
ich nicht eine Minute Verspätung erlebt.

In Söul hatte ich nun vor Augen, wie die Japaner in
diesen wenigen Jahren mit zahllosen Mißständen aufgeräumt
haben. Die verdreckten Wohnungen zwangsweise gereinigt;
breite Verkehrsstraßen gebrochen und mit Bäumen bepflanzt;
elektrische Bahnlinien, Post, Telegraphen; Anfänge zur Ka-
nalisation; weitsichtige Maßnahmen zur Hebung der Land-
wirtschaft, für Ackerbau, Viehzucht, Baumwollen- und Seiden-
zucht; Aufforstung der verwüsteten Wald- und Berggelände;
für jedes einzelne Gebiet über das Land hin Lehr- und
Versuchsanstalten. Vor allem ein System allgemeiner Bildung,
Volksschulen, Mittelschulen, höhere Schulen, an Stelle des
lächerlichen Dorfunterrichtes und der verzopften chinesierenden Gelehrtenschulen von einst. In allem freilich
die offensichtliche Absicht, die Koreaner möglichst ungesäumt zu Söhnen ihres neuen Mutterlandes, ihres
»Reiches« zu machen: man hat anfangs selbst die Allerkleinsten nur auf japanisch unterrichtet, obwohl sie
kein Wort davon verstanden. Wie bei allen Maßnahmen die japanische Polizei nachzuhelfen versteht, lehrte
ein Folterprozeß gegen ein Paar armselige koreanische Patrioten, der just in meinen Aufenthalt fiel. Das
Mutterland hat riesige Mittel für »Beihilfen« an gesinnungstreue Koreaner bereit gestellt und ein Netz von
Spionen und Angebern über das Land gespannt. In dem Bericht kann man lesen, was aufgewendet wird,
um zunächst einmal auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der neuen Ordnung zu gewinnen:
Landesaufnahmen,Besitzfeststellungen, Studien über Herstellung, Aus- und Einfuhr.

Das kommt besonders den Gewerben zugute. Auch hier werden wichtige
Betriebe finanziert und zu Musterstätten und Schulen ausgebaut, so für
Weberei, Seilerei, Färberei, Strohflechten, Papierfabrikation, Bambusarbeit.
An Einzelbetriebe sind in einem Jahr in 7300 Fällen Geldunterstützungen
gewährt worden. Der Veredlung technischer und gestaltender Arbeit dient
ein ansehnliches technologisches Museum, mit einem Handelsmuseum vereint,
ein Seitenstück zu den Handelsmuseen in Kioto, Nagoya, Tokio und anderen
Städten. Hier in höchst lehrreicher Aufmachung neue, empfehlenswerte
Materialien, Werkzeuge, Arbeitsmethoden; oft in zierlichen Modellen die ganze
Betriebsweise und warnende Gegenbeispiele der veralteten, im Lande üblichen
Arbeitsarten gegenüber. Dazu die durch solche Förderung gesteigerten Er-
zeugnisse des Landes. Doch fehlt daneben nicht die große Abteilung japa-
nischer Waren, die den Koreanern zum Kauf empfohlen werden und zum
Nutzen des Mutterlandes neue Bedürfnisse bei ihnen wachrufen sollen. Das
Ganze ein Schulbeispiel kluger Propaganda, auch für den anspruchsvollsten
Europäer des Nachdenkens wert.

Diese Förderung des Handwerks und der Industrie hatte mich schon in
Japan selber beschäftigt. Ich war mit der Absicht gekommen, neben den
Resten alter Handwerkskunst auch die Stätten und Methoden der heutigen
Kunstindustrie zu studieren. Aber ich habe bald darauf verzichtet, weil es
mir Verschwendung schien, meine kurzen Tage den unerschöpflichen Ein-
drücken der unverfälschten Kultur zu entziehen. Die Exportware, die wie
eine Seuche Europa überflutet und nach den Klagen erfahrener Kenner unserer
heimischen Kunstindustrie weit empfindlicheren Abbruch tut, als wir uns
gestehen, — lassen wir uns doch selbst während des Krieges mit Japan Bronzefigur-im Museum zu söui

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