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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Heilmeyer, Alexander: Ignatius Taschners Hauskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0181

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Tektonik der Alten. Er hat sich einmal für die Eck-
nische einer Dorfkirche eine ergreifende Komposition
zu einem Brunnen ausgedacht: einen »Ecce-Homo«,
aus dessen geöffneter Brust und Wundmalen an den
beiden Händen Wasserstrahlen springen.

Zu seiner charakteristischen Kunstanschauung, die
darauf ausging, das Menschenleben in seinen natur-
wüchsigen Formen darzustellen, gesellte sich dieser
religiös mystische Zug, der ihn als Artgenosse unserer
großen Altvordern, eines Breughel, Altdorfer, Dürer,
Grünewald u. a. erscheinen läßt.

Aber dieses Erbe lebt nicht als eine leere Konvention,
als ein bequem übernommener Formenschatz in ihm
auf, sondern es zeigt sich darin sein eigenes Wesen;
es offenbart sich in seiner individuellen und doch
kosmischen Art, Natur zu sehen und zu erleben, der
Grundcharakter deutscher Kunstanschauung. Auf ihn
paßt vortrefflich Goethes Malerregel:

»Gott geb dir Lieb' zu deinem Pantoffel,
Ehr jede krüpplige Kartoffel,
Erkenne jedes Dings Gestalt,
Sein Leid und Freud', Ruh' und Gewalt
Und fühle, wie die ganze Welt
Der große Himmel zusammenhält;
Dann ein großer Zeichner, Kolorist
Haltungs und Ausdrucks Meister bist.«

Diese Art von Kunstbekenntnis ist spezielle deutsche
Art, der immer auch ein wenig Weltanschauung bei-
gemischt ist. Eine Kunst, die nicht so wie die antike
von der Gunst des öffentlichen Lebens getragen, an

der Sonne heranreifte, sondern eine, die oft in der
Enge und Not des Lebens, aber auch im Glücksgefühl
der Freuden des Hauses, in der Stube geboren wird.
Nicht nur der deutsche Denker, auch der deutsche
Künstler sitzt, wie Hieronymus im Gehäuse, gern in
seinem eigenen Hause.

Das Haus ist seine Welt. Bei Taschner spiegelt
sich darin sein eigenes Wesen. Wie er in seiner
Tracht altes Herkommen hochhielt und auf seine eigene
Weise sich anpaßte, so auch in seinem Hauswesen.
Auch darin glich er den alten Meistern, die mitten
im bürgerlichen Leben standen und sich nicht von
ihrer Umgebung unterscheiden wollten. In der Art
das Leben zu führen strebte er dem tüchtigen Vater
nach. Frühe schon trachtete er nach Selbständigkeit,
nach eigenem Heimwesen und Hausstand. Schon in
den ersten Jahren seiner Ehe gehörte es mit zu seinen
liebsten Sonntagnachmittagsbeschäftigungen, im Beisein
seiner Frau Luftschlösser auf das Papier zu zaubern
und sich in der städtischen Mietwohnung aufs ange-
nehmste auszumalen, wie sie beide einmal im eigenen
Hause auf dem Lande wohnen möchten. Da ent-
standen in schneller Folge Entwürfe zu Landhäusern,
Schlösser mit steinernen Riesen als Wächter davor
und Atelierhäuser mit Ausstellungsräumen und Schau-
bühnen. Je nach der Ebbe oder Flut in den Einnahmen
wuchsen die Pläne und Häuser oder schrumpften auf
ein Minimum zusammen. Lange blieb das Haus seiner
Sehnsucht ein unerfüllter Traum — bis er nach Jahr und
Tag auf der Suche nach einem Bauplatz gegen Dachau

Südseite des Hauses Ignatius Taschner mit Loggia und Brunnen

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