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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Heilmeyer, Alexander: Ignatius Taschners Hauskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0182

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Wohnhaus von Ignatius Taschner

Wohnstube

kam und über Mitterndorf den freien, sonnigen Hügel
erblickte, den er sogleich als die Stätte seines künftigen
Wohnsitzes erkannte.

Bald sehen wir ihn als Bauherrn auf eigenem Grund
und Boden stehen. Rasch hatte er sich orientiert und
den Grundplan zu Haus und Garten entworfen. Es
ist darin nichts mehr von der spielerischen Phantasie
einer papierenen Hausromantik zu finden, sondern ein
wirklichkeitsfroher, ernster und besonnener Geist, der
seinen Hausplan nach seinem eigenen menschlichen
Wesen formt. In der strengen Symmetrie und Achsen-
führung, in der Regelmäßigkeit und Sachlichkeit der
Anlage kommt der Geist der Ordnung, Rechtlichkeit
und Biederkeit, der sein Hauswesen beseelte, voll zum
Ausdruck. Wie er dabei auch die umgebende Natur
in acht nahm, wie er Klima, Licht, Sonne, Winde, be-
rücksichtigte, läßt die Anlage der einzelnen Räume
erkennen. Die Stirnseite des Hauses schaut gegen
Osten. Gegen Osten und Süden liegen die Wohn-
und Schlafräume, das Zimmer der Hausfrau, eine kleine
Bibliothek u. a. Die Wirtschaftsräume, wie Küche,
Speisekammer u. a. liegen gegen Norden und Westen.

Ein geregelter Sinn feiner Lebensgewohnheiten
schied Wohn- und Wirtschaftsräume voneinander, so
daß sie wohl aneinander gegliedert sind, aber doch
voneinander abgeschlossen werden können. So kommt
es, daß kein störender Laut, keine Küchenluft in die
Zimmer dringt, selbst der Hausflur ein wohnlicher,
angenehmer Aufenthalt wird und im Frühjahr, Sommer
und Herbst durch die geöffneten Fenster und die Türe
ein würziger Blumen- und Kräuterduft dringt. Der
Blumengarten vor dem Hause mutet wie eine natürliche

Fortsetzung des häuslichen Lebens im Freien an. Man
sitzt hier an schönen Tagen um den reizenden Zierbrun-
nen, dessen gemütliches Rauschen und Plätschern auch so
gesellig anmutig durch die stillen Räume des Hauses
klingt. Auf der Südseite hat der Künstlerbaumeister
dem Hauseingang eine in mehrere Rundbogen ge-
gliederte Loggia vorgelegt, so daß Haus und Dach
hier gleichsam offen aufgeschlagen sind, während es
auf der Westseite wie eine Kappe mit mächtigem Schutz-
schild im Nacken heruntergezogen ist. Es ist alles
mit viel Fleiß und Sinn bedacht und mit Geschick
ausgeführt. Man merkt's an jedem Ding, daß sich
der Meister mit der schweren Kunst des Bauens ein-
gehend beschäftigte, ja daß er vielfach selbst mit Hand
anlegte. Bald sehen wir ihn mit bedächtigen, prüfenden
Blicken vor dem Hause stehen, bald unter die Werk-
leute treten und den Maurer anweisen, ja recht auf
die Form der Bogenöffnungen der Loggia zu achten;
wir gewahren, wie er die Säulen selbst formt und
von oben nach unten sanft abschwellen läßt, wie er
die Fensterleibungen weich modelliert, wie er dem er-
staunt aufhorchenden Maurer erklärt, daß er die Dach-
platten mit weißem Kalkmörtel verfugen müsse, damit
um die Firstlinie, um die Kamine die weißen Fugen
so hübsch und gefällig wie ein Spitzenbesatz aussehen.
Nicht anders verfährt er mit dem Zimmermann und
dem Tischler. Weist jeden so geschickt auf alte ver-
gessene Handwerksgriffe und Formen hin, daß ihnen
wieder etwas von alter Handwerkskunst eingeht. Jed-
wedes Material: Holz, Stein, Eisen, wird unter dieses
Künstlers Händen weich und willig wie Wachs, nimmt
jede von ihm gewollte Form an. Die Handwerker

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