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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Heilmeyer, Alexander: Ignatius Taschners Hauskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0184

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bolik, in der sich schon gleich etwas vom Geiste in
Taschners Hausgestühl ankündigt.

Tritt man in die Stube ein, mit ihrer schlichten
Einfachheit, strahlenden Sauberkeit, wohltuenden
Ordnung und geruhsamen Stille, die so heimlich und
doch fast feiertäglich anmutet, so gewinnt man
sogleich ein Bild von deutscher Hauskultur, die auf
dem Grunde eines rechtschaffenen geordneten Haus-
und Menschenwesens erwächst.

Auf das angenehmste berührt die richtige und zu-
gleich wohltuende Verteilung des Lichtes im Räume.
Es gibt in der ganzen Stube keinen finstern Winkel,
kein Fleckchen, wohin nicht dasselbe ruhige, gleich-
mäßig verteilte Licht hinkäme. Es ist in seinen ver-
schiedenen Abstufungen von Helligkeit überall gegen-
wärtig. Es strahlt in den warmen Farbtönen der mild
besonnten Holzdecke, schimmert weißlich in dem küh-
len Silberglanz der aus Ahorn gefertigten Tischplatte
und läßt die großen zinnernen Nägel an den lederge-
polsterten Stühlen wie die Taler an den Bauernwesten
aufleuchten.

Dieser Ecke mit dem großen Eßtisch, den Bänken
und Stühlen darum herum und dem geschnitzten Kruzifix
darüber sieht man's an, daß dies ein gewichtiger Platz
im Hauswesen ist. Hier bat der Hausvater im Kreise
seiner Familie um das tägliche Brot, hier saß er, wenn
er sich in wichtigen Fragen mit seinen besten Kameraden,
mit seiner Frau besprach; da saß er mit Freunden des
Hauses bei fröhlichem Mahle, und da saß er, ein Kind
unter seinen Kindern, am Abend und zeichnete ihnen
auf kleine Papierblättchen Riesen und Zwerge, Blumen
und Vögel, Engel und Teufel, alles was sie haben
wollten und was die kindliche Phantasie gerade be-
schäftigte. Und hier erklang auch manches frohe Lied
und helles Kinderlachen.

»Oh selig, ein Kind im Hause eines Künstlers
zu sein!«

Einen andern wichtigen Platz in der Stube nahm
der Ofen ein. In den vielen grünglasierten Ofen-
kacheln bricht und spiegelt sich das Licht wie in der
grünen Blätterkrone eines Baumes. Der Ofen bildet
somit ein besonderes Ergötzen in der Stube. Eine
wahre Augenweide und -freude sind die vielen Bilder
daran. Von oben nach unten betrachtet, erzählt Taschner
in den Ofenkacheln ein Stück biblischer Geschichte,
und zwar die erste und merkwürdigste, die vom Para-
diese. Da sieht man Adam und Eva, Schlange und
Paradiesvogel, Pferde, Hirsche, Stiere, Steinböcke und
anderes Getier, immer eins auf einer Kachel. Man
kann sich denken, mit welchem Eifer die Kinder von
dieser tönernen Ofenfibel die Bildergeschichte ablasen.

Ein anderes Merkstück der Stube ist die große
Wanduhr, deren hölzernes Gehäuse vom Fußboden
bis an die Decke reicht. Auf dem Zifferblatt dieser
Uhr ist das Auge Gottes zu sehen, das ein sinnreicher
Mechanismus hin und her bewegt; zugleich sieht man
auf der linken Seite einen rothaarigen Bösewicht und
auf der rechten einen wohlgeratenen guten Menschen.
Ein Stück ältester Symbolik, die sich noch im Volke
erhalten hat: In Taschnerschem Sinn wie eine Mah-
nung aus dem Vaterhause Ȇb immer Treu und Red-
lichkeit«.

Es fehlt auch sonst nicht in der Stube an sym-
bolischen Bildern. Auf der Türe eines Wandkästchens
ist eine Fortuna abgebildet, und an den glatt geweißten
Wänden hängen Dürersche Holzschnitte. Man sieht
auf diese Weise auch einmal, wohin diese Blätter,
die uns sonst nur in Museen begegnen oder in Mappen
aufbewahrt werden, gehören — auf den Platz, den
sie wohl auch in den Stuben unserer Altvordern ein-
nahmen.

Geschirrschrank im Wohnhause Taschner

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