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Pas Mittelalter. Gotisches Gerät

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Kaiserbecher von H. Petzolt.
Nürnberg, um 1580. 0,50 hoch.

liebsten Silberarbeit der Gotik in die kirchliche Kunst so gut
wie nichts übergeht. Ein gebuckelter Fufs einer Monstranz —
Kirche in Gemünden — fällt als ganz
ungewöhnlich auf.
Dagegen ist für den Pokal das
knorrechte gotische System so folge-
richtig und fest begründet, dafs es
alle späteren Stilentwickelungen über-
dauert. Neben den klassischen Kon-
turen der Renaissance hält sich die
Buckelung im handwerklichen Be-
triebe bis tief in das XVIII Jahrhun-
dert hinein. In Schrank 374 befinden
sich Becher des XVII, in Schrank 379
sogar des XVIII Jahrhunderts, bei
denen nur die genaue Beachtung der
Einzelheiten erkennen läfst und die
Stempel es beweisen, dafs es nicht
Arbeiten der gotischen Zeit sind.
Das glänzendste Beispiel eines
gotischen Pokals von verwickelter
Führung der Buckel ist der Becher
von Wiener Neustadt, den Kaiser
Friedrich III und Matthias Corvinus
gemeinsam [?J im Jahre 1462 zur Feier
des Friedensschlusses dorthin gestiftet
haben. Hier sind um den oberen Rand,
um Deckel und Fufs Kränze von durch-
brochener, mit Schmelzfarben verzier-
ter Arbeit gelegt [Nachbild. Sehr. 371].
Der Traubenbecher beruht
ebenfalls auf der Buckelung und zwar
in ihrer einfachsten Form. Halbkugel-
förmig herausgetriebene kleine Buckel,
fest aneinander gerückt und mit den
Spitzen ineinander schiebend, bilden
den Körper; mit der zunehmenden
Weite des Bechers wachsen die Buckel
und schwinden nach Fufs und Spitze
hin. Es wird durch diese Buckel
ohne weiteres das Bild einer fest ge-
schlossenen Traube erzielt, und man
hat diese Aehnlichkeit betont. [Die
moderne Bezeichnung Ananasbecher hat keine Berechtigung.]
Der Körper bekommt keine Einschnürung, sondern behält die
annähernd eiförmige Gestalt. Der Deckel wird nicht mit
einem besonderen Reifen abgesetzt, sondern greift mit den
 
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